Was macht ein erfolgreiches Youtube-Video aus? Jacob Beautemps, der auf seinem eigenen Kanal „Breaking Lab“ über wissenschaftliche Themen spricht, hat für eine Studie Youtube-Nutzer*innen dazu befragt. Im Interview berichtet er von den Ergebnissen und gibt Tipps für den Einstieg.
„Das Authentische ist super wichtig“
Herr Beautemps, Sie haben für Ihre Studie unter dem Titel „What Comprises a Successful Educational Science Youtube Video?“ 5.000 Youtube-Nutzerinnen gefragt, was sie sich von Wissenschaftsvideos wünschen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Ich mache ja schon länger Youtube-Videos und finde das Thema Optimierung sehr spannend. Youtube bietet einem eine Vielzahl von Analyse-Tools. Die habe ich schon immer intensiv genutzt und Regelkataloge für meine Videos erstellt. Für meine Doktorarbeit an der Uni Köln wollten mein Doktorvater André Bresges und ich mit Hilfe von künstlicher Intelligenz im Labor die Emotionen von Leuten untersuchen, während sie Wissens- und Lernvideos schauen. Als Corona kam, war uns aber schon früh klar, dass wir keine Forschung vor Ort durchführen können. So kam es, dass wir einen Online-Fragebogen konzipiert haben. Ich finde, gerade institutionelle Tutorial-Videos werden schon ganz gut untersucht, aber informelle Wissensvideos, die einen großen Teil der Kanäle auf Youtube, Instagram und TikTok ausmachen, haben viele Leute weniger im Blick. Aber das ist genau das, was mich interessiert, weil ich es selbst betreibe. Ich wollte schauen: Was ist dem Publikum wichtig?
Von mehr als 5.000 ausgefüllten Fragebögen konnten Sie fast 3.900 auswerten. Wie haben Sie die Proband*innen gefunden?
Das war tatsächlich relativ einfach. Ich habe für meinen Kanal ein Video gemacht, in dem ich über „Schule der Zukunft“ gesprochen habe. Dann habe ich gesagt: „Ich würde gerne eine Studie machen. Hier ist ein Fragebogen. Ich würde mich freuen, wenn ihr den ausfüllt.“ Dann habe ich noch paar Youtube-Kolleg*innen gefragt, die den Fragebogen bei sich geteilt haben. Nach vier oder fünf Tagen waren wir schon bei Dreieinhalbtausend Proband*innen, nach zwei Wochen dann bei Fünftausend.
Sie haben fast 50 Fragen gestellt, etwa zur Länge oder Struktur der Videos und zum generellen Interesse an Wissenschaft. Welche Ergebnisse haben Sie überrascht?
Manche Ergebnisse waren schon interessant – zum Beispiel, was die Einbindung von Expert*innen angeht. Da wurde sehr klar gesagt: Wir wünschen uns, dass 25 Prozent des Videos mit Expert*innen-Aussagen gefüllt werden, aber nicht mehr. Man hat auch gesehen, wie wichtig den Leuten das Thema Seriosität ist. Es ist entscheidend, dass Quellen angegeben werden und dass die Person seriös rüberkommt, bestenfalls einen Background in dem Bereich hat. Ich glaube, dass das oft unterschätzt wird. Man sieht bloß: Bestimmte Videos haben sehr viele Klicks. Das bedeutet aber nicht, dass sie den Leuten unbedingt gefallen. Das hat auch mit den Algorithmen zu tun, ob sie ihnen angezeigt werden. Wenn man Content machen will, bei dem Leute dranbleiben und von dem sie etwas mitnehmen, dann ist Seriosität ein ganz wichtiges Thema.
Was ist den Zuschauer*innen noch wichtig?
Die Tonqualität ist unfassbar wichtig. Ich würde behaupten: Das ist einer der größten Schwachpunkte, die man bei Leuten findet, die neu einsteigen. Auch, wenn Unis oder Stiftungen Videos machen, fällt mir das extrem auf: Die haben eine tolle Kamera – wobei heute ja auch schon ein Handy eine tolle Kamera sein kann – aber oft schlechten Ton. Bei der Frage, ob sich die Studienteilnehmer*innen eher ein Video mit schlechtem Bild oder schlechtem Ton bis zu Ende angucken würden, war ganz klar: Bei schlechtem Ton schalten die Leute ab. Das ist der erste wichtige formale Aspekt. Was die Struktur angeht, sind ganz simple Sachen zu beachten: Am Anfang muss das Thema klar sein. Es sollte mit einer Frage gestartet werden, weil viele Teilnehmer*innen gesagt haben: Das hilft mir, um dem Video zu folgen. Bei der gewünschten Länge der Videos kam heraus: sieben bis elf Minuten sind optimal. Aus den Ergebnissen habe ich einen Katalog mit Kriterien entwickelt, den ich bei mir auf dem Kanal sehr strikt einhalte. Das funktioniert unglaublich gut.
Welche Rolle spielen die Presenter*innen, also die Personen, die durchs Video führen?
Aber es wird ja nicht jede*r als Presenter*in geboren. Wie kann man das lernen?
Gute Frage. Das ist zwar nicht Teil dieser Forschung, aber genau das, was wir uns in Zukunft anschauen wollen: Was sind die Aspekte, die dafür sorgen, dass Leute eine Bindung aufbauen? Aus meiner Erfahrung würde ich sagen: Authentizität ist super wichtig. Ich habe mich, glaube und hoffe ich, nie verstellt. Wahrscheinlich habe ich schon mehr Energie, wenn ich ein Video aufzeichne, als wenn ich im Alltag unterwegs bin. Die Euphorie und die Neugier, die ich in den Videos zeige, sind aber Seiten, von denen auch meine Freund*innen sagen: So bist du halt.
Aus der Erforschung der pararsozialen Beziehungen weiß man, dass die Zeit, die man mit einer Person verbringt, Einfluss auf die Beziehung hat. Wenn man sagt: Ich möchte meinen eigenen Kanal machen und durchstarten, dann muss man damit leben, dass das eine Zeit lang dauern wird. Ich glaube, dieses: „Man muss so und so aussehen“ oder „Man muss die deutlichste Sprache haben“ gibt es nicht mehr. Ich bin kein Model, ich nuschele ein bisschen, ich spreche manchmal viel zu schnell. Ich glaube also, solche Regeln gibt es nicht. Im Endeffekt sind diese Plattformen so aufgebaut, dass es für alles eine Zielgruppe gibt. Ich kenne jemanden, der hat einen Kanal, in dem er zeigt, wie er Murmelbahnen baut. Und der findet weltweit gesehen ein paar Millionen Leute, die sich das anschauen. Man muss also überlegen: Worauf habe ich Bock? Worin bin ich authentisch? Was passt zu mir? Und dann muss man es einfach machen und eine Zeit lang durchziehen.
Ihre Studienteilnehmer*innen äußerten generell keine Präferenz gegenüber männlichen oder weiblichen Presenter*innen. Als sie aber mit konkreten Fotos konfrontiert wurden, schnitt das Bild eines Mannes am besten ab. Warum?
Dazu muss man sagen, dass die Studie rein explorativ und in dieser Hinsicht nicht sehr aussagekräftig war. Es gab nur vier Bilder mit unterschiedlichen Personen zur Auswahl.
Trotzdem aber ist die Frage, was dahintersteckt. Man kann auf alle Fälle sagen, dass so ein Bild – ob es jetzt am Geschlecht lag, am Lächeln oder an der Farbe des Pullovers – die Leute motiviert hat zu sagen: Okay, von dieser Person schaue ich mir etwas an. Das ist auch das, was wir uns in der nächsten Untersuchung genauer anschauen möchten: Was sind diese Faktoren, die eine Person für Zuschauer*innen attraktiv machen?
Zum Thema Geschlecht: Ein Großteil Ihrer Studienteilnehmenden sind männlich. Ist das repräsentativ für das Publikum?
Ein Ziel ist also, auch mehr Frauen für Wissenschaftsthemen zu begeistern?
Das ist ein sehr wichtiges Ziel. Gerade in der Didaktik im MINT-Bereich ist es immer ein Ziel, Frauen zu begeistern, weil es ein Themengebiet und ein Berufsfeld ist, das für jedes Geschlecht interessant ist. Deshalb muss da auf jeden Fall etwas passieren. Was auch wichtig ist, ist das Thema Diversität. Oft sind die Presenter*innen weiß und kommen aus einem akademischen Haushalt. Ich glaube, das ist der Next Step, der kommen muss. Es müssen gerade auch nichtakademische Zielgruppen erreicht werden, die noch keinen Bezug zu Wissenschaften haben. Auf Youtube ist es nicht so leicht, an die Leute ranzukommen, denn das ist freiwillig. In der Schule hat man da einen deutlich besseren Zugang. Vielleicht müsste da, mal ganz ins Blaue gedacht, mehr Verzahnung stattfinden.
Als muss mehr Social Media in die Schule?
Ja, oder mehr Schule in Social Media. Viele Leute auf Youtube haben nicht so einen Bezug zum Thema Schule. Ich glaube, dass es gut wäre, wenn da noch mehr Austausch wäre, um zu erfahren: Wie kann ich die Schülerinnen und Schüler erreichen? Denn das sind die Fachkräfte von morgen.
Was hat Sie selbst motiviert, als Wissenschafts-Youtuber anzufangen?
Also ein ermutigendes Beispiel für alle, die sich unsicher sind?
Ich hoffe. Dabei muss man sich bewusst sein: Man macht das öffentlich. Das heißt, es gibt auch Dinge, die unangenehm sein können. Man sollte sich davon keine Angst machen lassen, aber man muss es wissen. Ich kenne Leute, die Sachen hochgeladen haben, die ihnen oder Leuten in ihrer Umgebung später unangenehm waren. Auf der einen Seite sollte man einfach starten, auf der anderen Seite sollte man aber auch überlegen: Bin ich damit wirklich zufrieden? Mir persönlich hat diese Erfahrung in vielen Bereichen geholfen. Ich habe mehr Selbstbewusstsein und würde auch sagen: Ich kann besser Dinge vortragen als früher.
Was sind die größten Veränderungen des Kanals seit den Anfängen von „Breaking Lab“ Ende 2018?
Haben Sie Tipps für Anfänger*innen, die noch kein Team haben?
Philip und ich haben auch alleine angefangen. Das Team ist nicht das Entscheidende. Wenn man sich meine Videos anschaut, haben die keine krassen Effekte und keine krasse Kamera. Das mit Abstand Teuerste ist die Recherche. Da gehen Zweidrittel der Arbeit rein. Jede Information in unseren Skripten ist mit einem Kommentar und Quellen hinterlegt. Das frisst sehr viel Zeit, ist mir aber sehr wichtig. Hochglanz ist mir nicht wichtig, aber es muss seriös sein. Wie in einem wissenschaftlichen Paper gebe ich auch im Video minutengenau an, woher welche Information stammt. Wenn man als Youtuber*in einsteigen will, gibt es wenige Hürden, aber es kostet Energie. Man muss sich die Zeit nehmen, auch wenn man viel zu tun hat. Ich arbeite auch am Wochenende und meine Freundin sagt manchmal, sie weiß ganz genau, dass ich mit meinen Gedanken schon beim nächsten Video bin.
Vielleicht auch ein Faktor: Kann man damit Geld verdienen?
Ja, kann man. Man muss sich natürlich überlegen, was man machen möchte und was nicht. Youtube zahlt nicht so schlecht, wie alle immer sagen. Vor die Videos wird manchmal Werbung gestellt. Dann bekommt man Geld – je nachdem, wie viele Leute sich das anschauen. Eine andere Einnahmequelle sind Kooperationen. Wir machen ganz viel mit Stiftungen und mit Ministerien zusammen, teilweise auch mit Firmen, die Videos sponsern. Aber man muss sagen: Bei uns hat es Jahre gedauert, bis Geld reinkam. Ich glaube, das ist bei den meisten so. Ich kann inzwischen sehr gut davon leben und mein Team auch. Aber wenn man Geld scheffeln will, sollte man lieber in die Wirtschaft gehen – oder was mit Beauty machen. Das ist bei Social Media der am besten bezahlte Bereich.
Beautemps, J., Bresges, A. (2021) What Comprises a Successful Educational Science YouTube Video? A Five-Thousand User Survey on Viewing Behaviors and Self-Perceived Importance of Various Variables Controlled by Content Creators. Frontiers in Communication. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcomm.2020.600595/full