Bild: Freepik

Darum ging es bei der Halbzeitkonferenz der #FactoryWisskomm

Im September 2022 ging die Denkfabrik #FactoryWisskomm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung in die zweite Runde. Nun traf sich die Fachcommunity bei einer Halbzeitkonferenz, um über die Zukunft der Wissenschaftskommunikation zu diskutieren. Im Fokus stand die Frage: Wie können diese Ideen in die Praxis umgesetzt werden?

Halbzeitshows erfreuen sich in der Sportwelt großer Beliebtheit. Cheerleader zeigen ihre Akrobatik, Werbepartner preisen ihre Produkte an und einige ausgewählte Fans dürfen sich an der Torwand oder Freiwurflinie versuchen. Währenddessen bereiten sich die Teams auf ihren Einsatz vor, identifizieren Fehlerquellen und besinnen sich auf ihre Stärken.

Man muss die Sportmetapher nicht überstrapazieren, denn in der institutionalisierten Wissenschaftskommunikation geht es mitunter nüchterner zu. Doch auch die #FactoryWisskomm nutzte die Gelegenheit, zum Ende der ersten Halbzeit ihrer Edition 2 Beteiligte und Gäste aus der Wisskomm-Community zusammenzubringen und sich über aktuelle Chancen und Herausforderungen auszutauschen.

Zur Erinnerung: Die #FactoryWisskomm ist eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Herbst 2020 initiierte Denkfabrik. In einem ersten Durchlauf haben sich über 150 Expert*innen damit beschäftigt, wie sich Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus in den nächsten Jahren weiterentwickeln sollten. Für sechs Handlungsfelder haben die Fachleute weitreichende Handlungsempfehlungen erarbeitet. Die daraus entstandene Publikation „Handlungsperpektiven für die Wissenschaftskommunikation“ wurde im Juni 2021 vorgestellt. Im September 2022 startete die #FactoryWisskomm Edition 2. In dem zweiten Durchlauf der Denkfabrik steht die Umsetzung der Handlungsempfehlungen im Fokus. Anstelle der festen Arbeitsgruppen der ersten Runde wurden in der Edition 2 flexible Taskforces gebildet, die sich selbstbestimmt mit spezifischen Anliegen und ausgewählten Fragestellungen befassen. Auf der Halbzeitkonferenz am 18. März 2024 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft in Berlin kamen rund 120 Mitwirkende und Gäste aus der Fachcommunity zusammen, um Einblicke in die Aktivitäten der Taskforces zu erhalten und Impulse für deren weitere Arbeit zu geben.

Die Kommunikationsaufgaben werden größer

Bereits in seiner Begrüßung ließ Christoph Markschies, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) und Gastgeber der Halbzeitkonferenz, keinen Zweifel an den Herausforderungen, vor denen die Wissenschaftskommunikation in diesen Tagen steht. Die aktuelle Kommunikationssituation sei vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen Transformationsprozesse ein Ernstfall und die Kommunikationsaufgaben seien deutlich größer geworden. Die Wissenschaft gehe viel zu sehr davon aus, dass ihre Denkweise auch für alle anderen selbstverständlich sei.

„Im Moment investieren einzelne Hochschulen aus Überzeugung stark in die Wissenschaftskommunikation. Es gibt aber überall Verteilungskämpfe, wohin wir die knappen Mittel geben.“ Tanja Brühl
In der anschließenden Fishbowl-Diskussion diskutierten zunächst wichtige Stimmen aus Wissenschaft und Politik. Jens Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF, hob hervor, dass gute Wissenschaftskommunikation Demokratien festigt und dabei auch Vertrauen in Wissenschaft und ein Verständnis für die Bedeutung von Wissenschaftsfreiheit stärkt. Deshalb sei es so wichtig, kommunizierende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu unterstützen.

Auch Tanja Brühl, Präsidentin der TU Darmstadt und Co-Vorsitzende des Forums #Zukunftsstrategie der Bundesregierung, bekräftigt diesen Gedanken und sieht die Hochschulen in der Pflicht. Wissenschaftskommunikation sei eine strategische Aufgabe und sollte im erweiterten Hochschulpräsidium verankert werden. Jedoch stünden Hochschulen vor der Herausforderung, mit limitierten Mitteln zu wirtschaften. „Im Moment investieren einzelne Hochschulen aus Überzeugung stark in die Wissenschaftskommunikation. Es gibt aber überall Verteilungskämpfe, wohin wir die knappen Mittel geben“, so Brühl.

Seit die Handlungsperspektiven der ersten Edition erschienen sind, stehe laut Anja Steinbeck, Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz und Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, nicht mehr das „Ob“, sondern das „Wie“ der Wissenschaftskommunikation infrage. Dennoch warnt Steinbeck davor, Wissenschaftskommunikation in jedem Förderformat zu verankern. Wissenschaftler*innen sagten ihr häufig, dass sie zusätzlich zu umfangreichen Anforderungen „forschen, lehren, ausgründen und jetzt auch noch kommunizieren” sollten. Dadurch könne Wissenschaftskommunikation zu einem Add-on für Forschende geraten.

An der Fishbowl-Diskussion nahmen Jens Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF, Tanja Brühl, Präsidentin der TU Darmstadt und Co-Vorsitzende des Forums #Zukunftsstrategie der Bundesregierung, und Anja Steinbeck, Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz und Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, teil (von rechts nach links). Bild: Laurin Schmid/bundesfoto“

Die Wissenschaft feiern

Auch Tanja Brühl argumentierte, dass insbesondere Citizen Science nicht auf jeden Forschungszweig angewendet werden könne. So seien Projekte wie das „Liebesbriefarchiv“ ein Beispiel für die gelungene Einbindung von Bürger*innen. Dies sei aber zum Beispiel in der natur- oder ingenieurwissenschaftlichen Grundlagenforschung viel schwerer umzusetzen.

„Die Rolle der Wissenschaftskommunikation in der Gesellschaft sei vor allem auch eine, die Begeisterung für den Prozess Wissenschaft und Innovation transportiere, die erstaunen solle, einen Perspektivwechsel erzeuge und für die Schönheit von Erkenntnis stehe, daher müsse es auch darum gehen wie man diese feiern kann.“

An dieser Stelle wurde die Diskussion für die rund 120 Teilnehmenden geöffnet. Antje Boetius, deutsche Meeresforscherin und Professorin an Universität Bremen, die von den Panelist*innen bereits mehrfach als Vorbild für gelungene Wissenschaftskommunikation gelobt wurde, nahm Platz und schlug vor, dass bei Fragen zur Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation diese nicht nur als „etwas Schwieriges, Herausforderndes, Unangenehmes“ betrachtet werde. Die Rolle der Wissenschaftskommunikation in der Gesellschaft sei vor allem auch eine, die Begeisterung für den Prozess Wissenschaft und Innovation transportiere, die erstaunen solle, einen Perspektivwechsel erzeuge und für die Schönheit von Erkenntnis stehe, daher müsse es auch darum gehen wie man diese feiern kann.

Für Andrea Frank, stellvertretende Generalsekretärin des Stifterverbandes, steht fest, dass Forschende seit vielen Jahren erfolgreich erklären und begeistern. Das ist für sie die Pflichtkür, die an vielen Orten bereits beherrscht wird. Eine wichtigere Frage sei, welche Rolle die Wissenschaftskommunikation in einer hoch polarisierten Gesellschaft spielen kann. Dafür sei ein offener Austausch zwischen Aktivist*innen, Bürger*innen und Wissenschaftler*innen aus ihrer Sicht dringend notwendig.

Die Geschäftsführerin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik), Beatrice Lugger*, verwies daraufhin auf die Kampagne „#Zusammenland“ an der sich viele wissenschaftliche Institutionen in einem Schulterschluss beteiligt haben. Sie fragt: Wie kann die Community diesen Zusammenhalt für Demokratie, Freiheit und Wissenschaft durch gemeinsame gute Wissenschaftskommunikation weiter vorantreiben?

Eine weitere Perspektive zur Verankerung der Wissenschaftskommunikation im Hochschulbetrieb gab Matthias Mayer, Leiter des Bereichs Wissenschaft der Körber-Stiftung. Mayer argumentierte, es gebe zwei Hebel im Wissenschaftssystem, die man betätigen könne. Um Wissenschaftskommunikation als integralen Bestandteil der wissenschaftlichen Arbeit zu begreifen, müsste sich einerseits das Curriculum an den Hochschulen ändern. Der andere Hebel sei das Reputationssystem: Forschung würde an Hochschulen oft die wichtigste Rolle spielen, die Lehre untergeordnet sein und alles andere würde noch weniger zur Reputation beitragen. Da das Reputationssystem selbst gemacht sei, müsse die Wissenschaft selbst aktiv werden und etwas an diesem Zustand ändern.

Neues von den Taskforces

„Wissenschaft werde besser, wenn unterschiedliche Perspektiven und Expertisen aus verschiedenen Communities auch außerhalb des wissenschaftlichen Systems einbezogen werden.“
Seit dem Auftakt der Edition 2 im Oktober 2022 arbeiten Taskforces an unterschiedlichen Themen wie Kompetenzaufbau, Qualität und Impact oder Wissenschaftskommunikation für politische Entscheidungsträger*innen. Die Mitglieder der einzelnen Taskforces gaben in kurzen Präsentationen einen Einblick in ihre aktuelle Arbeit oder stellten sich im Falle neu gegründeter Gruppen, wie „Wisskomm diverser denken“** oder „Wissenschaftskommunikation in der Industrie“ den Konferenzteilnehmenden vor.

Im Anschluss wurden die Teilnehmenden dazu eingeladen, den Austausch über aktuelle Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation in Taskforce-übergreifenden Workshops zu vertiefen. Die Themen reichten vom Dialog mit der Politik zur Zukunft der Wissenschaftskommunikation an den Hochschulen und Wissenschaftskompetenz in der Bildung. Dabei wurden unterschiedliche Schwerpunkte der Taskforces präsentiert und zur Diskussion gestellt.

Zum Abschluss des Tages zog Cordula Kleidt, Referatsleiterin beim Bundesministerium für Bildung und Forschung, ein positives Fazit und dankte den Teilnehmenden für das Engagement. Sie sieht die Arbeit der #FactoryWisskomm durch den parlamentarischen Rückenwind  bestärkt. Sie ermunterte die Beteiligten das Zeitfenster bis 2025 zu nutzen und aktiv zu gestalten. Daher lud sie auch neue Interessierte dazu ein, ihre Erfahrungen und ihr Wissen in den Taskforces einzubringen. Wissenschaft werde besser, wenn unterschiedliche Perspektiven und Expertisen aus verschiedenen Communities auch außerhalb des wissenschaftlichen Systems einbezogen werden.


Weitere Beiträge zum Thema

* Das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) gGmbH ist einer von drei Trägern des Portals Wissenschaftskommunikation.de.

** Anna Henschel ist an der Taskforce “Wisskomm Diverser Denken” der #FactoryWisskomm beteiligt.