Beim bundesweiten Wettbewerb „Chemie – die stimmt!“ treten jedes Jahr über 4.000 Schülerinnen und Schüler gegeneinander an. Wie das Projekt in den letzten 20 Jahren vom lokalen Wettbewerb in Mitteldeutschland zum nationalen Event weiterentwickelt wurde, erklären Jan Bandemer und Jan Rossa vom Organisationsteam im Gastbeitrag.
„Chemie – die stimmt!“
„Chemie – die stimmt!“ (CDS) ist ein bundesweiter Wettbewerb, der in vier aufeinander aufbauenden Wettbewerbsrunden ausgetragen wird. Jährlich nehmen über 4.000 Schülerinnen und Schüler an der ersten Runde teil, die direkt von Lehrkräften in den Schulen durchgeführt wird. Das Ziel von CDS ist es, die Teilnehmenden für anspruchsvollere Themen – die teils über den Lehrplan hinausgehen – zu begeistern und sie auf die Teilnahme an der „Internationalen ChemieOlympiade“ (IChO) vorzubereiten. Obwohl CDS vor allem ein Theoriewettbewerb ist, legt der Veranstalter, der Förderverein Chemie-Olympiade e. V. (FChO), viel Wert auf Vernetzung aller Beteiligten. Darum findet bereits die zweite Runde als Präsenzveranstaltung statt: deutschlandweit kommen dafür rund 900 Schülerinnen und Schüler zu den Veranstaltungsorten. Die große Zahl an Teilnehmenden und die länderspezifischen Besonderheiten der Schulsysteme stellen die die Organisatoren vor besondere Herausforderungen, von denen wir hier berichten.
Der lange Weg zum bundesweiten Wettbewerb
Im Jahr 2000 konnte der Abiturient Jan Rossa die Klaus-Tschira-Stiftung überzeugen, den Förderverein Chemie-Olympiade mit 17.570 Mark zu unterstützen, um damit den ersten Chemieschülerwettbewerb durchzuführen. „Chemie – die stimmt!“ konnte noch im selben Jahr nach einem Gründungstreffen an der Uni Leipzig gestartet werden – zunächst für Schülerinnen und Schüler aus Mitteldeutschland. Im Laufe der ersten Wettbewerbsjahre wurden Organisationsstrukturen gebildet und weitere finanzielle Unterstützer gefunden. Neben den Kultusministerien war das vor allem der Fonds der chemischen Industrie, der seit dem dritten Wettbewerbsjahr der wichtigste Unterstützer des Projektes ist.
Die Zahl der Teilnehmenden stieg jedes Jahr und der Wettbewerb konnte schnell auf weitere – anfänglich norddeutsche – Bundesländer ausgeweitet werden. Jedes Mal galt es zunächst, ein lokales Team aus Lehrkräften und Studierenden aufzubauen. Wo es möglich war, wurden neue Teams rechtzeitig in anderen Bundesländern „angelernt“ und durch erfahrene Mitorganisatoren unterstützt. Zum Teil gab es auch schon bestehende Strukturen wie etwa Landes-Chemieolympiaden, die integriert werden konnten. Im 20. Wettbewerbsjahr gelang es schließlich, mit Bayern auch noch das letzte verbliebene Bundesland zu integrieren.
100 Ehrenamtliche packen mit an, eine Geschäftsstelle fehlt noch
„Chemie – die stimmt!“ ist in diesen 20 Jahren zu einem komplexen Organismus angewachsen. Ca. 100 Ehrenamtliche, vor allem junge Studierende, die selbst jahrelang Teilnehmende waren, erstellen Aufgaben und korrigieren Lösungen, organisieren Präsenzveranstaltungen und betreuen Teilnehmende. 13 landesverantwortliche Lehrerinnen und Lehrer koordinieren vor allem die Landesrunden, bei denen hunderte Lehrkräfte betreuen und korrigieren. Viele externe Kooperationspartner helfen bei der Durchführung der Präsenzveranstaltungen. Die Fäden laufen zentral beim ehrenamtlichen Wettbewerbsleiter Jan Rossa zusammen.
Derzeit steht eine letzte große Hürde an: nach 20 Jahren Wettbewerb wird intensiv versucht, eine Geschäftsstelle einzurichten.
Die Organisation eines kompletten Wettbewerbszyklus erstreckt sich über insgesamt zwei Jahre. Es werden also immer zwei Runden parallel organisiert und durchgeführt. Den Start macht jedes Jahr ein Dutzend Lehrerinnen und Lehrer, die in einem dreitägigen Seminar Aufgaben für die erste Runde erstellen. Ziel ist es, ausreichend differenzierende, aber dennoch auch für viele Schülerinnen und Schüler ansprechende und leistbare Aufgaben zu erstellen. Diese werden dann von Lehrerinnen und Lehrern in anderen Bundesländern an die dortigen Lehrpläne angepasst. Dann kann es losgehen.
Zu Beginn des Schuljahres erfolgt der Versand der Aufgaben deutschlandweit an alle Schulen, meistens durch Kultusministerien und Landesbehörden, teils auch durch Mitorganisatoren. Schülerinnen und Schüler haben bis mindestens 30. November die Möglichkeit, die Aufgaben zu bearbeiten. Da die betreuenden Fachlehrerinnen und -lehrer etwa sechs Wochen Zeit haben, die Lösungen der Schülerinnen und Schüler zu korrigieren, können sie nach eigenem Ermessen spätere Abgabetermin ermöglichen. Zur Übermittlung der Ergebnisse benutzen sie inzwischen ein Online-Portal, das von Mitgliedern des Fördervereins extra dafür programmiert wurde – natürlich DSGVO-konform.
Preise spornen an
Schulen mit besonders hohen Teilnehmerzahlen bei der 1. Runde werden seit einigen Jahren mit Sonderpreisen ausgezeichnet. Dazu gehören Lehrmittelpakete, aber auch regionale Sonderveranstaltungen in Museen, Bergwerken, Planetarien und Universitäten. Es bedeutet zwar einen erheblichen Mehraufwand, Kooperationspartner für diese Preise zu gewinnen und zu betreuen. Aber es lohnt sich als Ansporn für die Teilnehmenden und auch, um engagierten Lehrkräften eine Wertschätzung entgegenzubringen. Wenn die Gewinnerinnen und Gewinner der ersten Runde feststehen, geht es in die Präsenzrunden.
Ein Mitglied des Fördervereins ist verantwortlich für die Koordinierung und Synchronisierung der 13 Landesrunden – also der 2. Wettbewerbsrunde – die parallel an einem Tag im März stattfinden. Insgesamt 900 Qualifizierte treffen sich dafür in Universitäten, Schulen, Forschungsinstituten oder Schülerlaboren. Im Mittelpunkt steht für die Teilnehmenden eine dreistündige theoretische Klausur, während nebenan für die Lehrerinnen und Lehrer Raum für Erfahrungsaustausch bleibt. Zum Teil gibt es auch Fortbildungen zu aktuellen Forschungsthemen.
Am Nachmittag korrigieren die Lehrkräfte gemeinsam mit dem Wettbewerbsteam die Lösungen. Parallel gibt es für die Teilnehmenden ein Rahmenprogramm mit Fach- oder Experimentalvorträgen, Museumsbesuchen oder Institutsführungen. Direkt im Anschluss werden die Siegerinnen und Sieger gekürt und damit die 150 Qualifizierten für die „Regionalrunden“ bekannt gegeben. Diese finden im Mai und Juni an vier Standorten statt und dauern jeweils vier Tage. Für deren komplexe Organisation ist an jedem Ort ein Mitglied des Fördervereins sowie jeweils eine langjährige Ansprechperson der Partnerinstitution verantwortlich.
Starke Partnerinstitutionen und ein starkes Netzwerk aus Ehrenamtlichen
So zum Beispiel Almut Vogt, die Leiterin des Schülerlabors „Chemie zum Anfassen“ an der Uni Merseburg. Als Ortskundige übernimmt sie seit 20 Jahren einen großen Teil der Organisation vor Ort, plant praktische Klausuren, bucht Hörsäle und trifft Absprachen mit Hotels oder der Mensa. Die Mitglieder des Fördervereins wiederum synchronisieren die Regionalrunden und sind Bindeglieder zwischen Kooperationspartnern, Teilnehmenden und landesverantwortlichen Lehrkräften, beschaffen Sachpreise und koordinieren Finanzen oder die Pressearbeit. Hierbei werden immer auch junge Mitglieder des Fördervereins eingebunden. Oftmals sind es ehemalige Teilnehmende, die schon kurz nach dem Abitur bei CDS einsteigen.
Auch das fünftägige Bundesfinale ist ähnlich aufwendig. Anhand der Ergebnisse der theoretischen Klausur werden 36 Schülerinnen und Schüler für diese 4. Wettbewerbsrunde eingeladen, die seit 2017 in Leipzig stattfindet. Auch hier gibt es eine starke Partnerin, die Chemieprofessorin Evamarie Hey-Hawkins. Sie kümmert sich vor allem um die organisatorischen Belange an der Fakultät für Chemie und Mineralogie.
Eine besondere Herausforderung des Wettbewerbes ist, dass viele Verantwortliche – oft Studierende in Bachelor-Studiengängen – nur zwei oder drei Jahre intensiv in der Wettbewerbsorganisation aktiv sind. Darum ist ein ständiger Transfer von Know-how notwendig. Die landesverantwortlichen Lehrerinnen und Lehrer, aber auch die langjährige Kooperationspartner an den Universitäten und Schülerlaboren sorgen dagegen für Kontinuität und kompensieren teils die hohe Fluktuation beim Wettbewerbsteam. Trotzdem bleibt als Dreh und Angelpunkt am Ende oft der Wettbewerbsleiter, der seit 20 Jahren dabei ist.
Der Wettbewerb wächst und wächst
Während viele Tätigkeiten auf einzelne Wettbewerbsrunden und damit von Umfang und Dauer begrenzt sind, begleiten andere Tätigkeiten die Wettbewerbsleitung das ganze Jahr über. Die Öffentlichkeitsarbeit, die ursprünglich weitestgehend auf die Berichterstattung in den Printmedien beschränkt war, findet inzwischen ganzjährig in den Sozialem Medien statt. Die Sichtbarkeit des Wettbewerbs wurde damit deutlich gesteigert. Im Ergebnis konnte die Kooperation zum Beispiel mit MINT-Netzwerken, dem JungChemikerForum oder der Gesellschaft Deutscher Chemiker deutlich vorangetrieben werden. Durch gemeinsame Projekte wie einem Adventsrätsel, das gemeinsam beworben wird, werden Ressourcen synergistisch genutzt und die Sichtbarkeit weiter gesteigert.
Die intensive Öffentlichkeitsarbeit wirkt sich auch positiv auf das Einwerben finanzieller Mittel aus, da sich so neue Kontakte zu Firmen, Stiftungen und Verbänden ergeben. Obwohl der Wettbewerb seit vielen Jahren großzügig vor allem vom Fonds der Chemischen Industrie und von Kultusministerien unterstützt wird, ist durch das stete Wachstum aber auch aufgrund einmaliger finanzieller Unterstützungen die ständige Suche nach neuen Unterstützern erforderlich. Fundraising und Kontaktpflege gehört ebenfalls zu den Aufgaben der Wettbewerbsleitung. Obwohl also in den vergangenen 20 Jahren viele Aufgaben auf viele Schultern verteilt werden konnten, ist durch das enorme Wachstum des Wettbewerbs (sowohl in Teilnehmerzahl als auch Komplexität) der Arbeitsumfang für die Wettbewerbsleitung stetig gewachsen. Ein Ehrenamt also, das in der Freizeit eigentlich nicht mehr zu schaffen ist. Darum ist das nächste Ziel, eine Finanzierung für eine Geschäftsstelle zu finden.
Das Corona-Jahr 2020
Die vollständige Durchführung des Wettbewerbs im Corona-Jahr hat die Organisatoren vor besondere Herausforderungen gestellt. Die Landesrunden konnten nicht wie üblich als Präsenzveranstaltungen durchgeführt werden. Stattdessen wurde in Windeseile eine zweite Hausaufgabenrunde erstellt. Die sonst üblichen Regionalrunden wurden durch eine zentrale Online-Klausur ersetzt. Bei dieser ersten virtuellen Klausur in der Wettbewerbsgeschichte haben 20 Mitglieder des Fördervereins in zwei Durchläufen insgesamt 200 Teilnehmende per Videostreaming beaufsichtigt und anschließend virtuell die Siegerinnen und Sieger gekürt. Nur durch ein umfassendes Hygienekonzepte der Fakultät für Chemie und Mineralogie und des Fördervereins konnte das Bundesfinale trotzdem als Präsenzveranstaltung im September in Leipzig stattfinden – wenn auch mit einem Minimum an Teammitgliedern und Gästen. Wir freuen uns sehr, dass damit trotz der widrigen Umstände der vollständige Abschluss der Wettbewerbssaison gelungen ist. Gleichzeitig sind viele Lösungen geschaffen worden, die sicherlich auch in der laufenden Runde im Jahr 2021 eine Rolle spielen werden.
Um den Lehrkräften das differenzierende Unterrichten zu erleichtern, sind die Meldefristen der aktuellen ersten Runde verlängert worden. Die Runde 2021/22 ist also noch offen!
Projektsteckbrief
Träger: Förderverein Chemie-Olympiade e.V.
Budget/Finanzierung: Hauptförderer ist der Fonds der Chemischen Industrie (FCI); daneben unterstützen Kultusministerien, Institute, Stiftungen und verschiedene Firmen das Projekt. Viele geldwerte Förderungen lassen sich nicht exakt beziffern – zum Beispiel die Freistellung von Lehrkräften für Wettbewerbszwecke oder die unentgeltliche Bereitstellung von Räumlichkeiten. Der Förderverein verfügt über ein jährliches Budget von rund 80.000 Euro zur Durchführung des Wettbewerbs.
Ziele: Im Sinne der Breitenförderung soll die erste Wettbewerbsstufe bei möglichst vielen Schülerinnen und Schülern das Interesse für anspruchsvolle Themen im Fach Chemie wecken. Die höheren Wettbewerbsstufen zielen darauf ab, besonders talentierte Schülerinnen und Schüler zu identifizieren und diese im Sinne der Spitzenförderung gezielt zu fördern. Dabei gilt Chemie – die stimmt! als der Vorbereitungswettbewerb für das deutsche Auswahlverfahren zur Internationalen ChemieOlympiade.
Zielgruppen: Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 8 bis 10 an Schulen, die zum Abitur führen.
Zahlen zur Zielerreichung: Jährlich nehmen inzwischen etwa 4.000 Schülerinnen und Schüler an der ersten Wettbewerbsstufe teil. Regulär nehmen 900 in der 2. Wettbewerbsstufe an 13 zentralen, eintägigen Präsenzveranstaltungen teil. 148 Teilnehmende erleben für gewöhnlich jeweils eine der vier 4-tägigen Regionalrunden. 36 Finalisten verbringen fünf Tage beim Bundesfinale in Leipzig. Ziel während der Corona-Pandemie war und ist es, den Wettbewerb möglichst vollständig durchzuführen. Dabei müssen Präsenveranstaltungen teilweise durch Online-Veranstaltungen möglichst gleichwertig ersetzt werden. Langfristig sollen die Teilnehmerzalen weiter gesteigert werden.
Weitere Informationen: www.chemie-die-stimmt.de/
Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.