Foto: Bjoern Schwarz, CC BY 2.0

#btw17: Wissenschaftskommunikation in den Wahlprogrammen

Am 24. September öffnen in Deutschland die Wahllokale für die Bundestagswahl. Wir nähern uns der heißen Wahlkampfphase. Zeit für uns die Wahlprogramme der Parteien genauer unter die Lupe zu nehmen und zu schauen, ob sich darin Forderungen für den Bereich Wissenschaftskommunikation finden.

Bei der Auswertung der Programme haben wir uns vornehmlich auf die Pläne konzentriert, die sich direkt auf die (externe) Wissenschaftskommunikation auswirken würden. Da man aber mit Recht davon ausgehen kann, dass wohl fast alle Eingriffe ins Wissenschaftssystem indirekt auch die Kommunikation von Wissenschaft beeinflussen, stellen wir auch allgemeinere Forderungen dar1.

1. CDU / CSU

Die Kommunikation zwischen Wissenschaft und Gesellschaft spielt im Wahlprogramm von CDU und CSU kaum eine Rolle. Das konkreteste Vorhaben ist die Gründung eines “Nationalen Gesundheitsportals”, welches “wissenschaftlich abgesicherte und verständliche Informationen bündelt und im Internet zur Verfügung stellt” (S. 39f.).

Medizinische Forschung spielt auch an weiteren Stellen im Programm eine Rolle. Etwa bei der Forderung nach einem Ausbau der Forschung zu Krebs und Demenz, sowie sogenannte Volkskrankheiten im Allgemeinen und Kinder- und Jugendmedizin im Speziellen.

Ansonsten finden sich vor allem Forderung die sich allgemein auf das Wissenschaftssystem bzw. die Forschungsförderung “im schönsten und besten Deutschland, das wir je hatten” (S. 5) beziehen. So versprechen die beiden Parteien unter anderem die Erhöhung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben bis 2025 auf 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Darüber hinaus betonen sie in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Forschung zu Künstlicher Intelligenz, Hochleistungsrechnern, Big Data, Quantentechnologie, Robotik und Biotechnologie. Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere, sollen von einem steuerlichen Forschungsbonus profitieren.

Insgesamt wird Wissenschaft und Forschung im CDU-Wahlprogramm vor allem als Wirtschaftsfaktor gesehen.

2. SPD

Die SPD sieht sich in ihrem Wahlprogramm als “Partnerin […] der Wissenschaft” (S. 7) und widmet zwei Unterkapitel den Hochschulen und der Forschung. Darin finden sich einige Vorhaben, deren Umsetzung direkt die Wissenschaftskommunikation betreffen würden. Besonders im Fokus steht dabei für die Sozialdemokraten “Verbindung und Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft” (S. 19).

So sollen “regionale Innovationsagenturen” (S. 30) den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern und das sowohl mit Hilfe des “klassischen Technologie- und Wissenstransfer[s]” (S. 30) als auch mit neueren Ansätzen wie “Open Innovation” (S. 30). Helfen sollen hierbei “wissensbasierte Netzwerke von Wissenschaft, Industrie, Mittelstand und Startups” (S. 34).  Eine Forschungsförderung soll zudem die “Vernetzung, den interdisziplinären Austausch und Kooperationen” (S. 33) unterstützt und den Test von “potenziell disruptive[n] Innovationen” (S. 34) ermöglicht.

Bei der Bevölkerung will die SPD die Akzeptanz neuer Technologien durch eine Trias aus “Transparenz, Information und Beteiligung” (S. 34) erhöhen. Konkret soll etwa der Innovationsdialog der Bundesregierung für zivilgesellschaftliche Akteure geöffnet werden. Zusätzlich soll “die Idee einer digitalen ‘Open University’” gefördert werden, die auch Menschen ohne Abitur offen steht. Auch die “wissenschaftliche Aufarbeitung der Frauenbewegung unter Einbeziehung der Frauenarchive” (S. 82) ist der Partei ein Anliegen. Dazu sollen Bestände digitalisiert und der Öffentlichkeit so zugänglich gemacht werden.

Innerhalb der Wissenschaft sollen “offene Kanäle für wissenschaftliche Kommunikation und Publikation […] (Open Access)” (S. 20) gefördert werden. Im Rahmen der Bologna-Reformen soll eine Begrenzung der “ausufernden Anzahl von verschiedenen, sehr ausdifferenzierten Studiengängen” (S. 20) erfolgen – was das allerdings für Wissenschaftskommunikations- bzw. Wissenschaftsjournalismusstudiengänge heißt, bleibt offen.

Allgemein auf das Wissenschaftssystem bezogen, fordert die SPD die Erhöhung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3,5 % des BIP bis 2025, sowie die Stärkung von “wissenschaftliche[r] Autonomie und finanzielle[r] Planungssicherheit” (S. 34). Kleine und mittlere Unternehmen sollen einen Forschungsbonus in Anspruch nehmen können.

Thematisch hält die Partei vor allem Forschung zu Hochleistungsrechnern, Gesundheitswirtschaft, Bio- und Nanotechnologie, Umwelt- und Klimaschutz, Robotik und im Bereich Materialforschung für wichtig.

Neben dem wirtschaftlichen Nutzen, den diese wissenschaftlichen Vorhaben hätten, werden wiederholt auch damit einhergehende mögliche Verbesserungen des alltäglichen Lebens betont.

3. DIE LINKE

DIE LINKE hält sich in ihrem Programm mit direkten Plänen zur Kommunikation von Wissenschaft zurück. Zu den wenigen genannten Punkten zählen die Forderung nach Open Access als Standard für Veröffentlichungen – auch im Kulturbereich (S. 59) -, denn “Informationen und wissenschaftliche Erkenntnisse, die mit Steuermitteln erarbeitet wurden, müssen allen zur Verfügung stehen” (S. 57) und so zu einer “Open-Science-Kultur” (S. 57) beitragen. “Open-Innovation-Programme” (S. 78) sollen darüber hinaus der Demokratisierung der Wirtschaft zuträglich sein.

Außerdem soll ein öffentliches Verzeichnis für Arzneimittelstudien geschaffen werden, damit “negative Studienergebnisse nicht mehr unterdrückt werden können” (S. 33). Es wird der kostenlose Eintritt in vom Bund geförderte Museen, wie z. B. das Deutsche Museum, in Aussicht gestellt.

Das Wissenschaftssystem im Allgemeinen möchte DIE LINKE besser finanzieren, insbesondere durch eine ausreichende Grundfinanzierung der Hochschulen bei gleichzeitiger Abschaffung der Exzellenzinitiative. Konkrete Zahlen werden allerdings nicht genannt. Unbefristete Arbeitsverhältnisse sollen auch an den Hochschulen zum Normalfall werden, u. a. durch die Schaffung von 100.000 unbefristeten Stellen.

Als wichtige Forschungsthemen erachtet die Partei die “Lösung von sozialen Spaltungen” (S. 57), den Klima- und Umweltschutz und Forschung zur “Rüstungskonversion, also zur Umstellung von militärischer auf zivile Produktion” (S. 96). Grundlagenforschung zu solidarischer Ökonomie soll mit einem verbindlichen Anteil im Forschungsförderungsgesetz festgeschrieben werden.

Wirtschaft und Forschung werden primär als Mittel “zum Wohle aller Menschen und zur Entwicklung einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsweise” (S. 78) gesehen. Die Ausrichtung an wirtschaftlichen Erwägungen wird dagegen explizit verurteilt.

4. Alternative für Deutschland (AfD)

Auch die AfD hat in ihrem “Programm für Deutschland” Vorschläge, die direkt die Kommunikation von Wissenschaft betreffen. Erstens müsse Deutsch “als Lehr- und Wissenschaftssprache erhalten bleiben” (S. 44). Zweitens soll “ein gesellschaftliches Klima für eine offene, unbelastete Diskussion neuer Technologien und Entwicklungen” (S. 65) gefördert werden. Dazu sollten nicht nur Risiken, sondern stärker auch Chancen dargestellt werden, denn “eine allgemeine Technologiefeindlichkeit wird durch die MINT-fernen Bedenkenträger allgegenwärtig geäußert” (S. 66).

Hinsichtlich des Wissenschaftssystems im Allgemeinen schlägt die AfD unter anderem vor, keine öffentlichen Mittel mehr für Genderstudies bereitzustellen und die Gleichstellungsbeauftragten an den Universitäten abzuschaffen, denn “‘Gender-Forschung’ ist keine seriöse Wissenschaft” (S. 41). Generell müsse “eine ideologiefreie Forschung deutlich ausgebaut werden” (S. 67), um so den diagnostizierten “naturwissenschaftlichen und technischen Kompetenzverlust zu stoppen und international den Anschluss in weiteren Technologiefeldern nicht zu verlieren” (S. 67).

Unter ideologischer Wissenschaft versteht die AfD neben den Genderstudies auch die Aussagen des Weltklimarats zum menschengemachten Klimawandel. Diese seien “wissenschaftlich nicht gesichert” (S. 65).   Deswegen soll Deutschland das Pariser Klimaabkommen aufkündigen und “aus allen staatlichen und privaten ‘Klimaschutz’-Organisationen austreten und ihnen jede Unterstützung entziehen” (S. 65).

Forschungsschwerpunkte sieht die AfD hingegen bei der Kerntechnik und zu nicht näher benannten Schlüsseltechnologien. Generell sei die “Forschungslandschaft verstärkt auf MINT-Fächer aus[zu]richten” (S. 53) und Forschung und Entwicklung durch steuerliche Vergünstigungen zu fördern.

Die Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln soll durch eine höhere Grundfinanzierung verringert werden. Außerdem fordert die Partei, Bachelor und Master abzuschaffen und durch Diplom und Magister zu ersetzen. Durch die zu hohe Zahl an spezialisierten Studiengängen sei zudem aktuell “die Vergleichbarkeit von Abschlüssen deutlich erschwert” (S. 44) – auch hier bleibt offen, was dies für Wissenschaftskommunikations- bzw. Wissenschaftsjournalismus-Studiengänge heißt. Zielvorgaben zur Zahl der Studierenden oder zum Studienerfolg werden als planwirtschaftlicher “Zwang zur Nivellierung” (S. 45) abgelehnt.

Insgesamt hat die Alternative für Deutschland ein gespaltenes Verhältnis zur Wissenschaft. Während durch sie konstatierte ideologiegetriebene Fehlentwicklungen in der Wissenschaft bekämpft werden müssten, sollen andere Bereiche forciert werden, um die deutsche Wirtschaftskraft zu erhalten und zu stärken.

5. FDP

“Denken wir neu”, das möchte die FDP mit ihrem Programm zur Bundestagswahl. Zur Kommunikation von Wissenschaft finden sich darin zwei Vorschläge: Zum einen sollen Forschungsergebnisse, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, im Rahmen einer Open-Access-Politik “unter Berücksichtigung eines Erstverwertungsrechts auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein” (S. 35). Zum anderen sollen alle am wissenschaftlichen “Erkenntnisgewinn so weit wie möglich teilhaben können” (S. 34), denn geteiltes Wissen sorge “für mehr Erkenntnis, neue Produkte und mehr Aufklärung” (S. 34). Die von der Partei geforderte weltbeste Bildung führe zu entsprechender Forschung, von der wiederum alle – Forscher, Lehrende, Studierende und Interessierte – profitieren würden.

Bezüglich des Wissenschaftssystems im Ganzen fordert die FDP unter anderem eine “Absicherung des finanziellen Grundbedarfs der Hochschulen ein, die den Wettbewerb um Studierende anregt” (S. 24). Die Mittelverteilung soll dabei über einen gemeinsamen Fonds der Länder erfolgen, bei dem die Hochschulen pro Studierendem eine bestimmte, bundesweit einheitliche Summe erhalten. Nachgelagerte Studiengebühren sollen ebenfalls zur Finanzierung beitragen.

Studentische Unternehmensgründungen sollen stärker unterstützt werden, etwa durch spezielle Urlaubssemester oder “Lehrstühle für Entrepreneurship” (S. 36). Nur folgerichtig ist es da, dass auch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft positiv gesehen wird, seien doch die Hochschulen ein “Impulsgeber für die Wirtschaft” (S. 36). Eine strikte Trennung von Wirtschaft und Hochschule lehnt die Partei entsprechend ab.

Forschungsschwerpunkte sieht die FDP bei der “Nutzung des klimafreundlichen Rohstoffes Holz” (S. 54), Anti-Doping-Maßnahmen, der Meeresforschung mit Schwerpunkt auf der maritimen Wirtschaft, der Ressourceneffizienz, Sekundärrohstoffgewinnung und der Bioökonomie. Mit Forschung im Bereich Grüner Biotechnologien, wie “Genome Editing”, soll “offen und transparent” (S. 53) umgegangen werden.

Um Forschung und Entwicklung insgesamt anzuregen, fordern die Liberalen eine “technologieoffene steuerliche Forschungsförderung” (S. 129), um so “die künftige Wettbewerbsfähigkeit und damit Arbeitsplätze und Wohlstand” (S. 129) zu sichern.

Insgesamt wird Wissenschaft im Programm der FDP primär als Dienstleister der Wirtschaft gesehen.

6. Bündnis 90 / Die Grünen

Im Wahlprogramm der Grünen finden sich ebenfalls nur wenige Pläne aus dem unmittelbaren Bereich Wissenschaftskommunikation. So möchte die Partei Open Data, “Open Access ebenso wie freie und nicht-kommerzialisierte Zugänge zu Lehr- und Lernmaterialien” (S. 165) unterstützen und sich “für eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke” (S. 165) im Urheberrecht einsetzen, denn “wissenschaftliche Erkenntnisse bedeuten gesellschaftliche Teilhabe” (S. 165). Eine grüne Industriepolitik möchte die Partei “im Dialog mit Unternehmen, Gewerkschaften und der Wissenschaft” (S. 42) vorantreiben.

Darüber hinaus finden sich einige Vorhaben, die auf das Wissenschaftssystem im Allgemeinen zielen. Die Ausgabe für Forschung und Entwicklung sollen auf mindestens 3,5 % des BIP steigen sowie die Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler und die Grundfinanzierung von Hochschulen in der Breite verbessert werden, “damit vielfältige, unabhängige und exzellente Forschung und Lehre möglich ist” (S. 229). Tierversuche und Kernenergieforschung sollen zurückgedrängt werden. Kleinen und mittleren Unternehmen soll ein steuerlicher Bonus als Anreiz für eigene Forschung dienen.

Forschungsbedarf sieht die Partei unter anderem zu Pestiziden, der DDR, “den Mobilitätstechnologien der Zukunft” (S. 61), im Bereich der Friedensforschung, zu vernachlässigten Infektionskrankheiten, Alternativmedizin und zum Themenfeld LSBTIQ*.

Insgesamt werden “Wissenschaft und Forschung als Ideengeber, Vorreiter und kritischer Begleiter” (S. 45) für den nachhaltigen, ökologischen Wandel der Gesellschaft gesehen, die deshalb Freiräume bräuchten.

 

Die Forderungen der Parteien zur Wissenschaftskommunikation kurz zusammengefasst.