BRIDGE – mit Wissenschaft Brücken bauen
Herr Stroink, seit wann gibt es das Kommunikationskonzept bzw. das Programm „Gemeinsam für eine besseres Klima – aktive Wissenschaftsdiplomatie mit Russland – BRIDGE“?
BRIDGE wurde konzipiert, als wir von der Ausschreibung des BMBF erfuhren. Jedoch bauen wir natürlich auf einer langjährigen, teilweise schon Jahrzehnte währenden Zusammenarbeit mit Russland auf; das gilt ganz besonders für die Klimaforschung und die Zusammenarbeit mit Nachwuchswissenschaftler*innen.
Was sind die Kernpunkte des Programms, welche Formate werden eingesetzt und welche Ziele verfolgen sie?
Wir haben ein breites Portfolio an Maßnahmen, dass wir zwischen September 2021 und August 2022 umsetzen wollen. Wir beginnen zum Ende dieses Jahres mit einer Auftaktveranstaltung, die wir gemeinsam mit der deutschen Botschaft in Moskau planen und die sich u. a. an politische Entscheidungsträger*innen richtet.
Weiterhin haben wir bilaterale Workshops und eine gemeinsame Sommerschule im Altaigebirge im Programm. Sie richten sich an junge Wissenschaftler*innen aus Deutschland und Russland. Die Formate sind komplementär zueinander aufgebaut, mit dem Ziel, nachhaltige Kontakte zwischen den jungen Menschen zu vermitteln. Geplant ist zudem eine Fotoausstellung zum Thema „Klima & Nachhaltigkeit“. Einerseits zeigen wir aufregendes Bildmaterial aus der gemeinsamen Klimaforschung. Andererseits wollen wir über einen vorgeschalteten, öffentlichen Fotowettbewerb, Bürger*innen unserer beiden Länder animieren, ihr spannendstes Foto zum Thema „Klima und Nachhaltigkeit“ einzureichen. Die vier Erstplatzierten werden in die Ausstellung aufgenommen. Flankiert wird die Ausstellung von Lunch Debates, öffentlichen Vorträgen und dergleichen mehr. Zu guter Letzt – für uns ein wesentlicher Punkt: das geplante Journalist-in-Residence-Programm. Wir wissen, dass der Wissenschaftsjournalismus noch weiterer Stärkung bedarf, damit Erkenntnisse und Fakten, die in der Wissenschaft produziert werden, verständlich kommuniziert werden. In Russland wird der Klimawandel zwar in breiten Kreisen akzeptiert, dennoch sehen wir – wie auch in anderen Ländern – die Notwendigkeit, dass die Fakten über den (bereits einsetzenden) Klimawandel einer noch effektiveren und breiteren Kommunikation bedürfen. Deshalb werden wir junge deutsche und russische Nachwuchsjournalist*innen zu einem Seminar einladen, das von erfahrenen Wissenschaftsjournalist*innen geleitet wird. Es ist geplant, die Teilnehmer*innen des Seminars auch zur Sommerschule in das Altaigebirge einzuladen, damit sie vor Ort die Möglichkeit haben, mit jungen Forschenden und Entscheidungsträgern ins Gespräch zu kommen.
Welche Organisationen sind an den Kommunikationsmaßnahmen beteiligt? Wie sind sie vernetzt?
Wir sind in der Tat schon heute exzellent vernetzt. Sonst hätten wir ein solch anspruchsvolles Vorhaben nicht planen können. Konkret haben wir über das Helmholtz-Büro in Moskau hervorragende Kontakte in die russische Community. Außerdem arbeiten wir schon seit vielen Jahren mit der deutschen Botschaft in Moskau, den Generalkonsulaten, dem DAAD und dem Deutschen Wissenschafts- und Innovationshaus, DWIH in Moskau zusammen. Neben diesem wissenschaftspolitischen Umfeld stehen wir mit einer Reihe von Stiftungen in Kontakt, etwa der Vernadsky-Stiftung, einer russischen NGO aus dem Umweltbereich. Weiterhin pflegen wir seit vielen Jahren mit verschiedenen Wissenschaftseinrichtungen einen vertrauensvollen und engen Austausch. In Deutschland sind es neben dem GFZ u. a. weitere Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft, Universitäten und das Deutsch-Russische Forum mit denen wir eng zusammenarbeiten.
Welche Zielgruppen möchten sie mit den angebotenen Formaten erreichen?
Das zukünftige Verhältnis unserer beiden Länder ruht auf den Schultern der jungen Generation. Das ist meine feste Überzeugung. Mit unseren Maßnahmen wollen wir daher primär junge Menschen aus einem breiten gesellschaftlichen Umfeld ansprechen und ins Gespräch bringen. Zielgruppen sind weiterhin Entscheidungsträger*innen, etwa bei der Auftakt- und Abschlussveranstaltung in Moskau und Novosibirsk und die sogenannte „breite Öffentlichkeit“, also Bürgerinnen und Bürger, die wir z. B. mit unserer Fotoausstellung ansprechen wollen.
Wie kann ich als Geowissenschaftler*in an dem Forschungsaustausch teilnehmen?
Für die Sommerschule etwa wird es eine öffentliche Ausschreibung geben, auf die sich Nachwuchswissenschaftler*innen bewerben können. Mit einem kleinen Auswahlgremium werden wir die Bewerbungen inhaltlich sichten und jeweils zehn russische und deutsche Wissenschaftler*innen in das Altai-Gebirge einladen. Für die Workshops und verschiedenen Seminare werden wir, gemeinsam mit unseren Partnern, gezielt auf junge Menschen in Deutschland und Russland zugehen.
Sie wurden kürzlich mit dem Preis für Bildungs- und Wissenschaftsdiplomatie des BMBF ausgezeichnet: Was bedeutet die Auszeichnung für Sie und Ihre Arbeit?
Es ist natürlich eine Bestätigung unserer Arbeit, aber ebenso eine Bestätigung dafür, dass der Kurs, den wir schon vor vielen Jahren eingeschlagen haben, der richtige ist: Mit Wissenschaft Brücken bauen. Gemeinsam mit unseren Partnern freuen wir uns jetzt darauf, die im Antrag gemachten Vorschläge in die Praxis umzusetzen.
Bewerbungsvideo von BRIDGE, welches im Rahmen der Bewerbung des GFZ für den erstmals vom BMBF ausgeschriebenen Preis „Wissenschaftsdiplomatie“ produziert wurde. Video: GFZ
Was kann Wissenschaftsdiplomatie leisten?
Ein Projekt wie BRIDGE ist natürlich nur ein kleiner Baustein im großen Gebäude der Wissenschaftsdiplomatie. Die Klimaforschung ist aufgrund ihrer globalen Dimension aber von jeher ein exzellenter Brückenbauer. Für die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland gilt das bereits seit knapp 200 Jahren, nämlich als Alexander von Humboldt, 1829 zu seiner Sibirien-Expedition aufbrach. Es gibt darüber hinaus aber auch viele andere großartige Beispiele: etwa das Deutsch-Russische Jahr der Hochschulkooperation und Wissenschaft, die vielen Aktivitäten des Goethe-Instituts oder auch die Deutsch-Russische Roadmap für die Zusammenarbeit in Bildung, Wissenschaft, Forschung und Innovation.
Ich glaube aber, dass es in Deutschland, wie auch international, noch weiteren Diskussionsbedarf gibt, wie sich der Begriff „Wissenschaftsdiplomatie“ schärfen lässt. Wofür steht Wissenschaftsdiplomatie? Was kann sie leisten und was nicht. Dieser Diskurs hat in Deutschland bereits an verschiedenen Stellen begonnen und auch wir werden im Rahmen unserer Veranstaltungen konstruktiv zu dieser Diskussion beitragen.
Welches Feedback erhalten sie, etwa von Teilnehmenden jungen Forschenden?
Das Feedback ist überwiegend positiv. Ein exzellentes Beispiel sind unsere Deutsch-Russischen Sommerschulen. Es beeindruckt mich immer wieder, wie selbstverständlich die jungen Menschen aufeinander zugehen, miteinander ins Gespräch kommen und mitunter auch Freundschaften oder gemeinsame wissenschaftliche Projekte entstehen. Auch von politischer Seite werden wir ermuntert, diesen Weg weiterzugehen.
Was ist ihre persönliche Verbindung mit Russland? Was sind ihre persönlichen Erfahrungen im Rückblick auf den langjährigen Austausch, vielleicht auch auf menschlicher Ebene?
Ich war erstmals kurz nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ dort. Das war Mitte der 1990er Jahre im Rahmen einer Forschungskampagne in das Ural-Gebirge. Seitdem bin ich regelmäßig in Russland und jedes Mal aufs Neue begeistert von diesem Land, seiner schieren Größe und seinen großartigen Landschaften. Und ich habe wunderbare Menschen getroffen! Abgesehen von den vielen beeindruckenden persönlichen Begegnungen waren wir alle doch auch im besten Sinne des Wortes Wissenschaftsdiplomat*innen. Ich hoffe, dass BRIDGE viele weitere Kontakte ermöglicht und wir so unseren Beitrag zu einem besseren gegenseitigen Verständnis leisten.
- Mit einem weiteren mit dem Preis für Bildungs- und Wissenschaftsdiplomatie des BMBF ausgezeichneten Projekt, dem Projekt „YES! Bridge” des Leibniz-Informationszentrums Wirtschaft und der Joachim Herz Stiftung, sprachen wir ebenfalls: „YES! Lösungsansätze der Schüler*innen ernst nehmen“