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Blick nach vorn: Wie sieht die Wissenschaftskommunikation der Zukunft aus? (5)

Wohin entwickelt sich die Wissenschaftskommunikation? Was wünscht sich die Community? Und was braucht sie? Wir haben Wissenschaftlerinnen, Kommunikatoren, Bloggerinnen und Journalisten nach ihren Ideen für die Zukunft gefragt.

Christina Beck, Foto: NaWik

Dr. Christina Beck, Leiterin der Abteilung Kommunikation der Max-Planck-Gesellschaft

„Meine Überzeugung: Wissenschaftskommunikation muss sich noch viel mehr Gedanken machen, (a) was sie publiziert, (b) für wen sie publiziert und (c) wie sie publiziert. Angesichts der Überflutung mit Information kämpft auch die Wissenschaftskommunikation um das knappste verfügbare Gut: die Zeit und Aufmerksamkeit der Menschen. Zu dem „Was“: Wissenschaft publiziert immer kleinteiliger. Dadurch sind Forschungsergebnisse nicht selten nur noch für Experten nachvollziehbar. Ein guter Wissenschaftskommunikator muss also unter dem Aspekt der Relevanz für seine Zielgruppen die Themen auswählen und in einen größeren Kontext einordnen. Zu dem „Für wen“: Die Zahl der besonders an Wissenschaft interessierten Menschen verändert sich in Deutschland seit Jahren kaum, sie sinkt sogar leicht: Von 10,5 Mio. im Jahr 2013 auf 9 Mio. im Jahr 2017; 28 Mio. sind mäßig, 32 Mio. gar nicht an Wissenschaft interessiert – und das in einer Zeit, in der Wissenschaft mehr denn je unseren Alltag beeinflusst. Zu dem „Wie“: Die größte Herausforderung von Wissenschaftskommunikation ist es, mit den eigenen Themen überhaupt ein nennenswertes Publikum außerhalb der Wissenschaft zu erreichen. Menschen beurteilen Themen und Informationen zunehmend nach Kriterien ihrer Nutzbarkeit im Alltag; Algorithmen sortieren Informationen nach den Vorlieben der jeweiligen Internetnutzer vor. Und bei der Google-Suche gibt sich die Mehrheit der Nutzer tatsächlich mit dem ersten Treffer zufrieden! Eine weitere Internetplattform erscheint mir unter diesem Aspekt nicht besonders erfolgversprechend. Als Anlaufstelle Nr. 1 hat sich das Onlinelexikon Wikipedia im Internet längst etabliert. Die Wissenschaft sollte das Potenzial von Wikipedia für die Vermittlung fundierten Wissens ernsthaft prüfen.“


Tobias Maier ist wissenschaftlicher Leiter des Nationalen Instituts für Wissenschafts-kommunikation. Der promovierte Biologe leitet außerdem als Trainer Kommunikations-seminare für Wissenschaftler. Foto: Tim Wegner, NaWik
Tobias Maier, Foto: Tim Wegner / NaWik

Tobias Maier, Wissenschaftlicher Leiter am Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation

Der Medienwandel hat zu einem Rollenwandel in der Wissenschaftskommunikation geführt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind zu Kollegen von Journalistinnen und professionellen Öffentlichkeitsarbeitenden geworden. In absehbarer Zukunft nehmen Wissenschaftler die Chancen, die sich beispielsweise durch die niedrigen Einstiegshürden in Soziale Medien ergeben, vermehrt wahr und achten auf ihr öffentliches Profil, genauso wie auf ihr Profil innerhalb der Fachcommunity. Es wird dabei auch, aber nicht nur, um Selbstvermarktung gehen. Das Bedürfnis der Gesellschaft etwas für die aus Steuermitteln finanzierte Forschung zurückzugeben, wiegt ebenso hoch. Genauso wie der Wunsch nach einer stärkeren wissenschaftlichen Alphabetisierung der Gesellschaft und der empfundenen Notwendigkeit pseudowissenschaftlichen Aussagen öffentlich entgegenzutreten. Ein funktionierendes Anreizsystem für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird als Katalysator auf diese Entwicklung wirken. Viele größere Forschungsanträge müssen jetzt schon durch konkrete Kommunikationsmaßnahmen für Zielgruppen außerhalb der Fachcommunity ergänzt werden. Die Entwicklung und Anerkennung einer nachvollziehbaren, alternativen Impact-Metrik jenseits von Journal-Impact-Faktor und der Zahl der Artikelzitierungen wäre ein weiterer Schritt in diese Richtung.


Lisa Leander, Foto: Gianna Reich

Lisa Leander, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Wissenschaftskommunikation am Institut für Germanistik des KIT

Wissenschaftskommunikation probiert neue Wege und Formate aus, hinterfragt ihre Rolle, evaluiert und reflektiert – deswegen werden wir bald noch mehr darüber wissen, was wir tun. Die Community wird sich weiter vernetzen und voneinander lernen. Die Wissenschaftskommunikation der Zukunft ist vielseitig, zugänglich und beantwortet Fragen wie: Was bedeutet „wissenschaftliches Wissen“? Wie arbeiten Forscherinnen und Forscher? Welchen Wert hat das für unsere Gesellschaft?


Jan Künzl, Foto: edeos – digital education

Jan Künzl, Geschäftsführer der Agentur edeos – digital education GmbH 

In den letzten Jahren hat sich in der Wissenschaftskommunikation viel getan. In einer idealen Zukunftswelt passiert noch Folgendes: Die Wissenschaftskommunikation wird natürlicher Bestandteil sowohl der Wissenschaftswelt als auch der Gesellschaft und somit zu einer echten Brücke. Statt des einseitigen Sender-Empfänger-Modells zwischen Wissenschaft und Gesellschaft öffnet sie Räume für beiderseitigen Austausch und ermöglicht mehr gesellschaftliche Teilhabe an Wissenschaft. Sie differenziert sich stärker in Richtung unterschiedlicher Zielgruppensegmente und findet auch Wege zu schwer erreichbaren Zielgruppen. Sie erreicht all dies durch eine größere Vielfalt von Methoden, Formaten und Akteuren, aber auch durch eine bessere finanzielle Ausstattung. Vor allem aber kommt Wissenschaftskommunikation ihrem Hauptziel näher, das Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnismethoden wieder zu stärken und so das notwendige Fundament für den überlebenswichtigen Diskurs in einer demokratischen Gesellschaft zu erneuern.


Beate Langolf, Foto: privat

Beate Langholf, Projektleiterin der MS Wissenschaft, Genomchirurgie im Diskurs und Hack Your City bei Wissenschaft im Dialog

„Für viele Menschen (und nicht nur für Menschen mit geringem Bildungsstand) spielt Wissenschaft im Alltag beziehungsweise im Gesellschaftsbild keine Rolle oder die Relevanz von Wissenschaft für unser Leben ist ihnen nicht bewusst. Daher ist es weiterhin wichtig, Interesse an wissenschaftlichen Themen zu wecken und Verständnis für den Forschungsprozess zu schaffen – sonst sind informierte gesellschaftliche Debatten zu wissenschaftsnahen Themen nicht möglich. Dies zu fördern wird auch zukünftig Aufgabe der Wissenschaftskommunikation, des Wissenschaftsjournalismus und auch der Wissenschaft selbst sein.

Um die sehr unterschiedlichen Personengruppen zu erreichen, die sich für Wissenschaft bisher nicht interessieren, sollten wir Formate entwickeln, die den Menschen mehr Anknüpfungspunkte bieten – beispielsweise in Verbindung mit Musik, Kunst, Tanz, Sport, Natur, Freizeit etc. Wichtig bei alten und neuen Formaten der Wissenschaftskommunikation sind Evaluation und begleitende Forschung. Wir brauchen ein besseres Verständnis dafür, welche Formate bei den Menschen ankommen, ob Maßnahmen wirken und vor allem, ob sie nachhaltig wirken. Mehr Forschung in diesem Bereich wäre daher wichtig und hilfreich.

 


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