Wissenschaftskommunikation zu stärken, wie es die Ampelparteien in einem gemeinsamen Antrag fordern, klingt gut, finden Niels Mede und Friederike Hendriks. Dass aber die Wissenschaftskommunikationsforschung im Antrag eine Nebenrolle spielt, sehen sie kritisch. Eine Stellungnahme.
„Auch die Forschung zur Wissenschaftskommunikation verdient Gehör!“
„Wissenschaftskommunikation systematisch und umfassend stärken“– Diese Forderung stellt ein gemeinsamer Antrag der Bundestagsfraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, wurde am 24.April mit Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Forschungsausschusses diskutiert – und findet unsere volle Unterstützung. Als Sprecher*innen der Fachgruppe Wissenschaftskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) begrüßen wir das Vorhaben sehr, „einen umfassenden Kompetenzaufbau“ für „gelingende Wissenschaftskommunikation“ voranzutreiben, wie es der Antrag vorschlägt. Er regt eine Vielzahl wichtiger Maßnahmen an, unter anderem die Verankerung von Wissenschaftskommunikation in der Forschungsförderung des BMBF, die Stärkung des Wissenschaftsjournalismus und die Förderung der Anlaufstelle „SciComm-Support“ für angefeindete Forschende. Der Notwendigkeit dieser Maßnahmen verliehen auch die geladenen Sachverständigen in der Anhörung und durch ihre vorab veröffentlichten Stellungnahmen dankenswerterweise Nachdruck.
Doch sowohl im Antrag der Ampelparteien als auch in der Anhörung und den Stellungnahmen wurde das Forschungsfeld Wissenschaftskommunikation unseres Erachtens unzureichend berücksichtigt – und das, obwohl empirische Evidenz zur Produktion, Nutzung und Wirkung von Wissenschaftskommunikation wichtige Grundlage und notwendige Voraussetzung für ihr Gelingen ist.
Zwar betont etwa die Sachverständige Tanja Brühl grundsätzlich, dass „gute Rahmenbedingungen für gelingende Wissenschaftskommunikation“ geschaffen werden müssten. Zwar erwähnt der Antrag, dass eine Professionalisierung der Wissenschaftskommunikation durch wissenschaftliche Evidenz unterstützt werden könne und hebt dabei durchaus die Rolle der Wissenschaftskommunikationsforschung hervor. Zwar fordert er zudem, Haushaltsmittel für Forschungsvorhaben im Themenfeld Wissenschaftskommunikation aufzubringen und das Wissenschaftsbarometer auszubauen. Dies befürworten wir ausdrücklich. Jedoch widmet sich der überwiegende Großteil des Antrags und der anschließenden Debatten in Bundestag und Forschungsausschuss der Stärkung der Praxis von Wissenschaftskommunikation. Das spiegelte auch die Auswahl der Sachverständigen wider, die zwar relevante Bereiche der deutschen Wissenschaftskommunikationslandschaft abdeckte, nicht jedoch Vertreter*innen aus der Forschung zur Wissenschaftskommunikation umfasste, wie sie unter anderem innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft betrieben wird. Ihre Expertise ist aber zentral für die im Antrag formulierte Stärkung der Wissenschaftskommunikationspraxis. Wissenschaftskommunikationsforschung liefert seit langem Evidenz zur Rolle von Wissenschaftskommunikation als Mittlerin zwischen Wissenschaft und anderen Teilen der Gesellschaft. Sie identifiziert Gelingensbedingungen und Hindernisse von Wissenschaftskommunikation. Sie reflektiert und systematisiert die Studienlage. Und sie liefert Befunde, die in die im Antrag hervorgehobenen Praxisbereiche wie den Kompetenzaufbau, die Ausgestaltung von Wissenschaftskommunikationsformaten und außerschulischen Bildungsangeboten und insbesondere auch in die Qualitätssicherung in der Praxis einfließen. Dabei möchten wir betonen, dass die Forschung zur Wissenschaftskommunikation nicht ausschließlich in den Dienst der Kommunikationspraxis gestellt werden kann (z.B. durch Evaluation von Formaten oder Begleitforschung), sondern bereits viel grundsätzlicher Austauschbeziehungen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft analysiert.
Beispielsweise liefern Umfragestudien wie das Wissenschaftsbarometer Auskunft darüber, wie die Bevölkerung über Wissenschaft denkt und kommuniziert – und geben so Aufschluss über die gesellschaftlichen Bedingungen von Wissenschaftskommunikationspraxis. Die Rezeptions- und Wirkungsforschung prüft systematisch, inwiefern sich Gestaltungsmittel von Wissenschaftskommunikation – beispielsweise die Kommunikation wissenschaftlicher Unsicherheit oder das Ausmaß von Fachsprache – darauf auswirken, ob und wie sehr Informationen geglaubt und Kommunikator*innen vertraut wird. Evaluations- und Interventionsforschung analysiert, wie einzelne Formate gestaltet werden können, damit Teilnehmer*innen Lernpotentiale nachhaltig nutzen – oder sich an Wissenschaft beteiligen können. Auch Grundlagenforschung wie diese ist es also, die „Gelingensbedingungen erfolgreicher Wissenschaftskommunikation“, wie es im Antrag heißt, identifizieren kann.
Um die Evidenzbasierung der Wissenschaftskommunikationspraxis zu gewährleisten, braucht es daher eine systematische und nachhaltige Förderung der interdisziplinären Forschung zur Wissenschaftskommunikation. Dezidiertes Ziel der Richtlinie zur Förderung von Forschungsvorhaben im Themenfeld Wissenschaftskommunikation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und der Ausschreibung Wissenschaftskommunikation hoch 3 – Zentren für Wissenschaftskommunikationsforschung der Volkswagen-Stiftung war eine strukturelle Förderung des Forschungsfeldes Wissenschaftskommunikation. Der große Wert dieser Initiativen ist anzuerkennen. Dieses Forschungsfeld kann aber nur nachhaltig gestärkt werden, wenn den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen ausreichend Mittel für die Etablierung langfristiger Strukturen (z.B. Professuren und Studiengänge, Kompetenzzentren, Weiterbildungsangebote für ihr wissenschaftliches Personal) zur Verfügung stehen. Dann kann Kompetenzaufbau in ausreichendem Umfang und auf wissenschaftlicher Basis umgesetzt werden.
Wir fordern also, die strukturelle Förderung und Stärkung der Forschung zur Wissenschaftskommunikation als notwendige Bedingung für evidenzbasierte Wissenschaftskommunikation zu verstehen und in der politischen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.
Eine gekürzte Version dieses Beitrags haben die Autor*innen als Stellungnahme zur Anhörung im Forschungsausschuss am 24. April 2024 hier veröffentlicht.
Die redaktionelle Verantwortung für diesen Gastbeitrag lag bei Sabrina Schröder. Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.