„Künstler forschen auch, aber mit einem anderen Ziel”, fasst Beate Langholf die Idee hinter dem Kunstwettbewerb zum Wissenschaftsjahr 2018 zusammen. Die Projektleiterin der MS Wissenschaft plant zum zweiten Mal ein Kunstwerk für die Ausstellung. Ein Gespräch über den künstlerischen Begleiter der wissenschaftlichen Exponate.
Arbeitswelten der Zukunft – Call for Kunst
Frau Langholf, was kann die Kunst, was die Wissenschaft nicht kann?
Die Idee hinter dem Wettbewerb ist es, neben den rein wissenschaftlichen Exponaten auch eine ganz andere Perspektive auf das Thema einzubringen. Bis auf das Kunstwerk kommen alle Exponate von verschiedenen Forschungszentren und wissenschaftlichen Institutionen in ganz Deutschland. Sie zeigen also die Aspekte des Themas Arbeitswelten der Zukunft, mit denen sich die verschiedenen Wissenschaften gerade beschäftigen. Von den Künstlern versprechen wir uns hingegen neue Zugänge, auf die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler möglicherweise gar nicht kommen würden. Ähnlich wie die Forschenden sind viele ebenfalls auf der Suche nach einem Erkenntnisgewinn, wenn sie sich mit einem Thema auseinandersetzen. Und wir fragen gerade Künstlerinnen und Künstler, weil sie geübt darin sind, ihre Ideen auch auszudrücken.
Was haben denn Kunst und Wissenschaft aus Ihrer Sicht miteinander zu tun und wo gibt es Unterschiede?
Ich denke, Kunst und Wissenschaft ist gemeinsam, dass sie beide Neugier voraussetzen. Beide wollen etwas ergründen, erforschen und etwas Neues erkennen. Die Wissenschaft unterscheidet sich von der Kunst darin, dass sie überprüfbare Ergebnisse erzielen möchte. Die Kunst hingegen ist da ergebnisoffener. Das Streben ist hier meist nicht, etwas Überprüfbares, im Labor Reproduzierbares zu schaffen. Das eröffnet den Kunstschaffenden ganz anderen Möglichkeiten. Sie können weiterdenken, andere Wege einschlagen und zu anderen Ergebnissen zu kommen. Die Wissenschaft hat den Anspruch, irgendwann universelle, belegbare Erkenntnisse zu erzielen, bei der Kunst steht nicht diese Belegbarkeit im Fokus, sondern möglicherweise individuelle, persönliche Erkenntnisse. Das ist zumindest die Vorstellung, die ich als Nicht-Wissenschaftlerin und als Nicht-Künstlerin davon habe.
Die Wettbewerbsbeiträge sollen sich mit aktueller Forschung oder gesellschaftlichen Fragen zum Thema Arbeitswelten der Zukunft befassen, so die Ausschreibung. Welche zum Beispiel?
Da sind wir tatsächlich ganz offen und ich kann nur Beispiele nennen: Wie beeinflussen Roboter die Arbeiten in Fabriken? Welche Auswirkungen hat der fortschreitende Effektivitäts- und Leistungsdruck auf die Psyche? Oder wie greifen Maschinen in mein Leben oder auch in mein Gehirn ein? Die Künstler können sich aber auch mit Ungerechtigkeiten in der Arbeitsgesellschaft auseinandersetzen. Oder neue Lösungswege vorschlagen, wie man die Arbeitswelt verbessern kann. Wir sind sehr gespannt, welche Ideen kommen. Wichtig ist auf jeden Fall der Zukunftsaspekt.
Wer stimmt denn über den Sieger ab? Künstler oder Wissenschaftler?
Die Jury wird mit Personen aus mehreren Bereichen besetzt, mit Menschen aus der Forschung, mit Kuratoren, Kunstprofessoren oder auch Wissenschaftskommunikatoren. Die aktuelle Jury besteht aus Julian Klein vom Institut für Künstlerische Forschung Berlin, Daniela Silvestrin, Kuratorin und Kulturmanagerin und Markus Starzinger von der DASA Arbeitswelt Ausstellung in Dortmund.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung schreibt jetzt zum zweiten Mal diesen Kunstwettbewerb zum Wissenschaftsjahr aus. Welches Projekt hat im letzten Jahr die Jury überzeugt?
Im Wettbewerb zum Wissenschaftsjahr Meere und Ozeane 2016*17 war der Gewinner Felix Kiessling. Er hat sich in seinem Werk „Endpunkt Europa“ mit der Land-Meer-Grenze beschäftigt. Bei zwei Reisen zum nördlichsten und südlichsten Punkt Europas hat er jeweils ein Sandkorn bzw. ein Stück Fels eingesammelt. Diese hat er dann mit einem Elektronenmikroskop untersucht, um sich dem nördlichsten und südlichsten „Ende“ des Kontinents noch weiter anzunähern. Die Erkenntnis daraus ist, dass das eigentlich gar nicht möglich ist, denn durch die Bewegung des Meeres ist der Endpunkt der Landmasse niemals exakt zu definieren. Und das trifft auch eine Aussage über die Wissenschaft. Das Werk ist eine Auseinandersetzung damit, wie präzise so eine Messung überhaupt sein kann. Wo genau ist die Grenze? Wenn man immer mehr hineinzoomt, kann man diesen Punkt immer genauer setzen, und genauer, und genauer, … Da stellt sich die Frage: Wie können physische Land-Meer-Grenzen überhaupt definiert sein?
Die Jury hat ihm den Preis zugesprochen, weil sein Entwurf eine besondere ästhetische Qualität hatte. Durch die Auseinandersetzung mit der Exaktheit von naturwissenschaftlichen Messungen sind bei diesem Werk Kunst, Wissenschaft und Technik gleichermaßen eingebunden – der Bezug zu Wissenschaft und Forschung ist ja auch ein Auswahlkriterium. Und die Idee hinter dem Kunstwerk ist gut verständlich, was für die Ausstellung auf der MS Wissenschaft auch eine Rolle spielt, da sie sich an eine breite Öffentlichkeit richtet.
Wie war die Resonanz im letzten Jahr und was sind die Zielsetzungen für den neuen Wettbewerb?
Wie die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung auf das Kunstexponat reagiert haben, können wir nicht genau sagen. Das ist bei 25 Exponaten insgesamt recht schwierig und wir haben nicht explizit danach gefragt. Die Ausstellung insgesamt kam ja aber sehr gut an. Die Resonanz auf die Wettbewerbsausschreibung im letzten Jahr war sehr gut. Wir hatten 178 Einreichungen, auch international, beispielsweise aus Österreich und der Schweiz, aber auch aus Tschechien, Spanien und aus den USA. Allerdings hatten wir auch mehr Budget und konnten ein höheres Preisgeld ausloben. Trotzdem hoffen wir natürlich, dass auch in diesem Jahr wieder viele teilnehmen möchten, rechnen aber unter diesen Rahmenbedingungen mit etwas weniger Einreichungen. Außerdem ist das Thema ja ganz andersartig. „Arbeitswelten der Zukunft“ ist schon sehr speziell. Im letzten Jahr haben wir auch viele Naturdarstellungen bekommen, zum Beispiel Aquarelle, die das Meer zeigen. Das neue Thema ist viel abstrakter. Mit der Ausschreibung sind wir nun an Kunsthochschulen und Dachverbände von Kunstvereinen und Galeristenvereinigungen herangetreten und haben auch auf der internationalen Plattform „Call for“ inseriert.
3 Meter Höhe, 200 Kilo, … es gibt einige technische Vorgaben für die Wettbewerbsbeiträge. Der Platz ist begrenzt. Wie und wo können Skulpturen, Projektionen oder Klanginstallationen in die Ausstellung integriert werden?
Wir sind von der Platzierung in der Ausstellung her offen und haben dem Kunstwerk noch keinen konkreten Platz an Bord zugedacht. Deshalb läuft der Wettbewerb auch nur bis Dezember, damit wir dann gemeinsam mit der Ausstellungsagentur überlegen können, wo es dramaturgisch und räumlich am besten passt. Natürlich sind bestimmte Sachen schon festgelegt, die Themenbereiche der Ausstellung schon geplant. Für die Verortung einzelner Exponate besteht aber noch Spielraum und da schauen wir dann, wo das Kunstwerk seinen Raum findet. Trotzdem gibt es einige Vorgaben zu Maximalhöhe, Gewicht etc., die alle in den Wettbewerbsunterlagen zu finden sind.
Die Kunstwerke können auch in Kooperation, beispielsweise mit einer Forschungseinrichtung, erstellt werden. Hierfür vermittelt Wissenschaft im Dialog Kontakte. Was muss ein Künstler dafür tun?
Die Künstlerinnen und Künstler sollten bereits eine Idee haben und wissen, was sie brauchen, zum Beispiel einen Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin aus einem bestimmten Bereich oder spezielle Daten. Da gab es auch im letzten Jahr einige Anfragen, zum Beispiel konkrete wissenschaftliche Fragen, die wir dann weitergeleitet haben. Und es gab auch direkte Kooperationen mit Forschenden. Wenn die Künstlerinnen und Künstler noch keine konkrete Vorstellung haben, ist es für uns aber natürlich schwierig, passende Kontakte in die Wissenschaft zu vermitteln.
Die neue Ausstellung auf der MS Wissenschaft zum Wissenschaftsjahr 2018 Arbeitswelten der Zukunft zeigt rund 20 wissenschaftliche Exponate und ein Kunstwerk. In einem Wettbewerb sind Kunstschaffende aufgerufen, bis zum 7. Dezember ein Konzept für dieses eine Werk einzureichen.