Viele Menschen fühlten sich ohnmächtig bei dem Versuch, durch ihr individuelles Handeln etwas gegen den Klimawandel zu tun, sagt die Kommunikationswissenschaftlerin Imke Hoppe von der Universität Hamburg. Daher brauche es mehr Debatten über politische Regelungen für alle.
„Appelle an klimafreundliches Verhalten greifen zu kurz“
Frau Hoppe, in Ihrer Forschung beschäftigen Sie sich mit der Kommunikation über den Klimawandel. Das Problem der globalen Erwärmung ist seit langem bekannt, gesellschaftlich und politisch ändert sich aber insgesamt nur wenig. Was läuft da in der Kommunikation schief?
Historisch gesehen bestand die Klimakommunikation lange daraus, Menschen erst mal davon zu überzeugen, dass es überhaupt ein Problem gibt. In den USA ist das immer noch die größte Herausforderung. In Europa dagegen haben mittlerweile rund 90 Prozent der Menschen akzeptiert, dass der Klimawandel real ist. Aber dieses Problembewusstsein allein verändert oft noch nicht das Verhalten. Auch wenn es weiterhin wichtig und richtig ist, auf die Gefahren durch die globale Erwärmung hinzuweisen, müsste es jetzt mehr darum gehen, über konkrete Maßnahmen dagegen zu sprechen, also lösungsorientiert zu kommunizieren.
Was könnte das zum Beispiel sein?
Als ein Beispiel von vielen: Wir reden viel zu wenig über den öffentlichen Nahverkehr. Sehen Sie sich an, wie viele Menschen heutzutage schon mit Bus und Bahn fahren und das Auto stehen lassen – und das trotz ständiger Verspätungen und häufig miserablem Service. Was könnten wir da verkehrspolitisch erst erreichen, wenn es uns endlich gelingen würde, die Infrastruktur auszubauen und das Bahnfahren attraktiver zu machen? Das Thema interessiert unzählige Berufstätige, die jeden Tag zur Arbeit pendeln. Aber es passt eben nicht zur klassischen Nachrichtenlogik: Es ist nicht neu, wirkt nicht dramatisch genug und geht selten mit Prominenz einher. Daher lesen wir darüber wenig, zumindest in den überregionalen Medien.
Was hieße „lösungsorientiert“ in diesem Fall? Tipps, wie der Umstieg vom Auto besser gelingt?
Grundsätzlich reicht der Fokus auf das Verhalten des Einzelnen nicht mehr aus. Dafür ist das Problem zu drängend. Zu diesem Zeitpunkt braucht es auch eine gesellschaftliche Debatte über die Regeln, die wir uns selbst geben wollen. Wenn unser Verkehr und unser Konsum nachhaltig werden sollen, müssen sie sich so grundlegend ändern, dass es ohne politischen Druck, ohne entsprechende Gesetze nicht schnell genug funktionieren wird. Wenn man das erklärt, wittern viele gleich eine „Öko-Diktatur“. Dabei wissen die Leute eigentlich, was zu tun wäre – den Autoverkehr einschränken etwa oder das Pendeln über weite Strecken nicht mehr subventionieren. Aber wenn man das vorschlägt, ist der Aufschrei riesig.
Das heißt, wer über den Klimawandel spricht, sollte nicht bei alltäglichen Entscheidungen ansetzen, sondern gleich bei der großen Politik?
Beides ist nötig. Klimapolitische Maßnahmen brauchen natürlich die Unterstützung der Bevölkerung. Es ist aber so, dass viele umweltbewusste Leute mittlerweile denken: Mit unseren kleinen, alltäglichen Handlungen können wir doch eh nichts ändern. Wer in der Klimakommunikation arbeitet, sagt oft, eine solche Einstellung müssten wir durch gute Argumente überwinden. Dabei haben die Leute leider recht! Mikro-Aktionen bringen insgesamt gesehen tatsächlich nur wenig. Und diese Erkenntnis kann für alle sehr frustrierend sein. Deshalb muss man zusätzlich noch darüber sprechen, auf welche größeren Maßnahmen man sich als Gesellschaft einigen kann, sei es der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur oder die Förderung regional produzierter Lebensmittel. Eine solche Debatte wirkt dann wiederum motivierend auf den Einzelnen.
Es gibt beispielsweise Untersuchungen zum „konstruktiven Journalismus“, der derzeit in vielen Medienhäusern diskutiert wird. Das bedeutet: weg von negativen Nachrichten und hin zu lösungsorientierten Texten, etwa bei Themen wie Armut, Migration oder eben Klimawandel. Studien zeigen, dass es Menschen zuversichtlicher und positiver stimmt, wenn Themen konstruktiv behandelt werden. Zu unmittelbaren Veränderungen im individuellen Handeln führt das zwar meist nicht – aber Menschen sind dann eher bereit, politische Regulierungen in Kauf zu nehmen.
Sie sagen, Medien haben generell keine großen Wirkungen auf das Verhalten. Ist das für Kommunikatorinnen und Kommunikatoren nicht ernüchternd?
Es gibt Effekte. Sie sind nur für einzelne Medienberichte sehr überschaubar und schwierig nachzuweisen. In der Masse dürfte der Medienkonsum schon eine Rolle spielen, wobei er natürlich immer mit einer Vielzahl anderer Einflüsse konkurriert und in Wechselwirkung steht. Es gibt aber auch Ausnahmen. Ermutigend ist zum Beispiel, was wir über die Wirkung von Dokumentarfilmen wissen.
Sind Dokumentarfilme etwas Besonderes in dieser Hinsicht?
Meine Kollegin Ines Lörcher hat Menschen zu ihrer Medienbiografie befragt und herausgefunden: Personen, die im Alltag sehr klimabewusst handeln, wurden zwar von ihren Eltern und Freunden geprägt, aber auch ganz stark von Dokumentarfilmen. Natürlich setzt es schon eine gewisse Bereitschaft voraus, sich überhaupt mit einem Stoff zu beschäftigen, bevor man sich 90 Minuten lang vor eine Klima-Doku setzt. Aber wenn man sich darauf einlässt, kann das einen starken Effekt haben. Vermutlich, weil das Ganze so realistisch ist, weil man in eine lange Narration eintaucht und Zeit hat, gründlich über ein Thema nachzudenken. Man sieht Menschen, die mit ihrem Handeln die Welt verändern, und oft emotional berührende Bilder. Das wirkt.
Ich untersuche derzeit in einem fächerübergreifenden Netzwerk von Forschenden, wie in verschiedenen Ländern der Welt in den sozialen Medien über Ernährung diskutiert wird. Also: Wie begründen Menschen ihre Ernährungsentscheidungen? Spielt Nachhaltigkeit dabei eine Rolle? Denn was Menschen essen, hat einen unglaublichen Einfluss auf den Verbrauch natürlicher Ressourcen. Es ist aber gleichzeitig ein wichtiger Teil ihrer Identität, den viele nur schwer verändern wollen.
Was haben Sie herausgefunden?
In Deutschland gab es zum Beispiel in den vergangenen Jahren einige Kampagnen von Supermärkten, die sich ein grüneres oder nachhaltigeres Image geben wollten, indem sie in den sozialen Netzwerken für ihre Bio- und Fairtrade-Produkte warben. Das führte allerdings häufig zu enormer Kritik. Menschen fühlten sich davon persönlich angegriffen, waren wütend. Das waren nicht unbedingt Klimawandel-Leugner, sondern eher Leute, die schrieben: Ich esse nun mal gerne Fleisch, kann mir aber kein Biofleisch leisten, bin ich jetzt etwa schuld, wenn ich mir eure nachhaltigen und teuren Produkte nicht kaufen kann? Diese Gruppe, die sich ökonomisch und sozial abgehängt fühlt, wird in der Forschung bislang noch zu wenig beachtet.
Haben Sie dafür schon Lösungsansätze?
Es verdeutlicht vor allem, wie komplex die Zusammenhänge sind. Wenn sich jemand wirklich keine nachhaltigen Produkte leisten kann, hilft Kommunikation auch nicht weiter. Dann braucht es eine faktische Verbesserung der Lebensverhältnisse, und das ist Aufgabe der Politik. Womit wir wieder bei der Erkenntnis wären: Appelle an klimafreundliches Verhalten sind immer noch wichtig, aber allein greifen sie zu kurz, weil der Einzelne schnell an die Grenzen seiner Möglichkeiten stößt. Dann ist die Politik gefragt.