Von Heavy Metal in der DDR bis Nationalismus in Flandern: In seinem Podcast spricht Historiker Philipp Janssen alle zwei Wochen über ein Thema aus der Geschichtswissenschaft. Ein Gespräch über das Konzept und wie ihn die Mitfahrgelegenheit darauf gebracht hat.
„Anno PunktPunktPunkt“ – Geschichtsforschung zum Hören
Herr Janssen, was ist die Idee hinter Ihrem Podcast „Anno PunktPunktPunkt“?
Der Podcast ist ein buntes Schaufenster der Geschichtswissenschaft – für alle, die Geschichte interessiert. Tatsächlich stammt die Idee zum Podcast aus einer Zeit, in der ich viel via Mitfahrgelegenheit unterwegs war. Da ging es natürlich oft darum, was man denn so macht oder studiert. Wenn ich also erzählte, dass ich Geschichte studiere, war das Feedback meist in etwa: Die Schule hat es mir verleidet, aber mittlerweile habe ich das Interesse wiedergefunden. Dazu höre ich selbst seit über zehn Jahren Podcast und habe mich lange gefragt, was ich „senden“ könnte. Nach und nach ist dann meine Idee entstanden, hier als Brückenbauer zu fungieren und Einblicke in die Wissenschaft zu geben.
Was ist das Konzept für die einzelnen Folgen?
Es geht in jeder Episode um ein spezifisches Forschungsprojekt und dabei zugleich um die entsprechenden Methoden, den Zugang, die Quellen sowie um die Forschung generell: Wo findet man die Akten? Wie kompliziert ist es, Archive zu durchsuchen? Wo bekommt man für eine Quellenedition seine Unterlagen her? Ich möchte einfach eine Idee davon vermitteln, wie das Fach forscht und worauf es seine Publikationen stützt, also etwa die Bücher, die am Ende über den Buchhandel ihr Publikum finden. Dafür hole ich mir für jede Folge immer einen Gast als Expertin oder Experten dazu.
Was sollen die Hörenden aus dem Podcast mitnehmen?
Die Hörenden sollen einerseits eine Idee davon bekommen, wer überhaupt zu einem Thema forscht. Es gibt also in jeder Episode zuerst einen biografischen Teil, in dem sich der Gast vorstellt und davon erzählt, wie sie oder er zum Projekt gekommen ist, worum es dabei genau geht und wie es in der Forschung zu verorten ist. Dann steigen wir in die Details des Themas ein. Wichtig ist mir, dass das Ganze am Ende eine runde Sache für die Hörenden ist. Am Ende jeder Episode gibt es noch Hinweise auf die entsprechende Forschungsliteratur, die empfohlen und dabei auch noch einmal eingeordnet wird. Die 60 bis 120 Minuten Podcast sollen einfach eine gute – aber natürlich trotzdem nur oberflächliche – Vorstellung von dem besprochenen Forschungsprojekt, den Inhalten, Fragen und wissenschaftlichen Vorgehensweisen vermitteln.
Folge 001 – Spezialfolge (Gast: Philipp Janssen)
Welches Publikum wollen sie damit ansprechen?
Ich sehe sehr breit anlegt das klassische „Dokupublikum“ als meine Zielgruppe. Also alle Menschen, die sich für Geschichte interessieren und gerne Geschichtsdokumentationen gucken. Andererseits möchte ich aber auch Menschen aus der Forschung ansprechen, denn auch die fallen ja letztlich in die Gruppe der Geschichtsinteressierten.
Welche Themen oder Epochen decken Sie mit Ihrem Podcast ab?
Also, ich habe meine Qualifikationsarbeiten im Bereich der DDR-Geschichte gemacht, aber auch viel im Bereich Nationalsozialismus und Faschismus geforscht. Mein Interesse gilt also vor allem der Zeit von 1918 bis in die Gegenwart. Dementsprechend habe ich natürlich auch gerade in diesem Bereich die meisten Kontakte bzw. besitze selbst das meiste Wissen. Insofern ging es in den ersten Episoden immer wieder auch um Arbeiten aus dieser Zeit, aber mittelfristig ist es in jedem Fall mein Ziel, den Podcast zu einem universalen Feld zu entwickeln. In diesem Jahr habe ich damit begonnen, in andere Bereiche zu gehen und andere Themen zu behandeln. Auch möchte ich die Diversität erhöhen, sowohl, was die Forschenden betrifft als auch hinsichtlich der Themen.
Wie finden Sie Ihre Gesprächspartnerinnen und –partner?
Zum einen durch die ganz klassische Recherche. Ich schaue mir die Lehrstühle an, gucke, wer dort forscht und zu welchen spezifischen Themen. Dabei ist auch wichtig, was mich interessiert: Der Podcast ist ja auch deshalb entstanden, weil ich mich nach meinem Studium weiterhin mit Geschichtsthemen beschäftigen wollte. Zum anderen lasse ich mir – neben den Literaturempfehlungen im Podcast selbst – auch für weitere Sendungen von meinen Gesprächspartnern Gastempfehlungen geben. Ich bitte sie also im Voraus sich zu überlegen, wen sie mir für eine weitere Folge empfehlen würden. Das muss nicht mal unbedingt aus ihrem Feld sein. Viele Kolloquien sind sehr bunt gemischt, auch wenn sie vielleicht einen thematischen oder zeitlichen Schwerpunkt haben. Ich frage also danach, ob sie sich an jemanden erinnern können, die oder der spannend ist.
Wie ist es denn generell um externe Kommunikation in der Geschichtswissenschaft bestellt?
Aus meiner eigenen Erfahrung würde ich sagen, dass sehr viele Forschende in der Geschichtswissenschaft da sehr offen sind. Trotzdem gibt es zwar eine sehr rege Fachkommunikation, aber leider eher wenig Wissenschaftskommunikation nach außen. Einige tolle Beispiele gibt es aber, wie die beiden neuen Masterstudiengänge Digital Humanities und Public History, die in Deutschland gerade immer mehr angeboten werden. Die sind beide sehr aktiv im Internet unterwegs, zum Beispiel auf Twitter unter dem Hashtag #Twitterstorians. Ein weiteres schönes Beispiel ist auch der Verein Open History, der seit 2015 das Histocamp organisiert. Tatsächlich sagen mir meine Podcastgäste oft, dass sie selbst gerne Podcasts hören. Insofern scheint es ja eigentlich naheliegend, als Forschender einfach mal das Smartphone in die Hand zu nehmen und so selbst zum Sender zu werden.
Was hält die Forschenden am Ende dann davon ab?
Auf der Suche nach Gästen für meinen Podcast bekomme ich bei meinen Anfragen eigentlich immer ein Ja, selbst wenn die Menschen vorher noch nie mit dem Medium Kontakt hatten. Um aber auch selbst zu kommunizieren, fehlt oft die Zeit – neben der Forschung und den weiteren damit verbundenen Verpflichtungen wie Lehren, Publizieren, Organisation und Teilnahme an Workshops oder Konferenzen etc. Am Ende sind es vor allem die jüngeren Forschenden, die ich anspreche, also aus dem Mittelbau, Doktoranden und Habilitanden, und da treffe ich, zumindest was die Bereitschaft angeht, eigentlich immer auf offene Türen.
Ein weiterer Punkt ist, dass sich die Geschichtswissenschaft, so wie die Geisteswissenschaften insgesamt, oft als sehr intellektuell betrachtet. Dazu kommt eine gewisse Art von Konservatismus – teilweise heißt es ja, wenn eine Dissertation als Paperback erscheint, dann kann das ja nichts Gutes sein … Das hält Forschende dann davon ab, sich populärwissenschaftlich zu äußern. Aber die Sache ist doch: Wenn man Forschung irgendwie zugänglich machen will, muss das auch in einem entsprechenden Rahmen geschehen. Da finde ich etwa das Hamburger Institut für Sozialforschung super, die Habilitationen als Paperbacks für 25 Euro herausgeben. Damit erreicht man natürlich schon allein deshalb mehr Menschen außerhalb der Forschung, weil man so direkte Forschungsergebnisse erschwinglich macht und nicht mit 70 Euro und mehr für ein Fachbuch bereits finanzielle Hürden baut.
Folge 025 – Heavy-Metal-Szene in der DDR (Gast: Nikolai Okunew)
Was würden Sie sich von der Geschichtswissenschaft hinsichtlich der öffentlichen Kommunikation also wünschen?
Eine externe Kommunikation über Forschungsergebnisse, die sich gut aufbereitet an ein etwas breiteres Publikum richtet. Das gibt es so leider nicht sehr oft. Und dass, obwohl auf der einen Seite die Geschichtswissenschaft eigentlich sehr gefragt und die Nachfrage noch lange nicht gesättigt ist und es auf der anderen Seite heutzutage mit dem Smartphone viele Möglichkeiten gibt, den öffentlichen Diskurs zu suchen und zum Sender zu werden. Was mich wirklich freuen würde, wäre, wenn auch öfter mal eine Historikerin oder ein Historiker an einem Science Slam teilnehmen würde. Das ist leider noch nicht sehr verbreitet. Ich selbst nehme mich da mal aus, weil ich nicht mehr forsche. Aber ich fände es sehr schön, wenn auf diese Weise auch die Diversität der Wissenschaft besser dargestellt würde und es sich nicht – wie so oft in der Wissenschaftskommunikation – nur auf MINT-Fächer beschränkt.