Sind sie Legitimation für Forschungsgelder? Oder Mittel zur Einflussnahme durch die Bürger? Oder ganz anders: Eine Möglichkeit, um neue Forschungsfragen zu generieren? Aus der Fishbowl-Diskussion – beim Forum Wissenschaftskommunikation 2017 (#fwk17) moderiert von Annette Leßmöllmann – folgen hier die Argumente zu Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken.
#fwk17 – Wieviel Partizipation steckt in partizipativen Formaten?
Im Fischglas: Dr. Katrin Vohland vom Museum für Naturkunde Berlin, Oliver Kuklinski von Plankom, Prof. Nils Bandelow von der TU Braunschweig und wechselnde Gäste aus dem Publikum
“Partizipation und Citizen Science haben zwei Stärken: Zum einen machen sie Forschungsdaten zugänglich, zum anderen dienen sie dem Empowerment der Bürger.” Katrin Vohland
“In Partizipationsprozessen wird oft ganz viel gelernt, aber weniger von den Bürgern, sondern mehr von den Wissenschaftlern und auch den Projektträgern.” Oliver Kuklinski
“Auch wenn Wissenschaftler Lehre machen, ist das schon eine Form von Beteiligung an der Forschung.” Nils Bandelow
“Kriterien für Citizen Science können sein: Vermittlung von Wissen an neue Zielgruppen, das Schaffen einer großen Datenlage für eine Forschungsfrage, Bildung durch Teilhabe an Forschung und Einfluss der Forschungsergebnisse auf gesellschaftliche Prozesse.” aus dem Publikum
“Partizipation ist immer Beteiligung an etwas. Es gibt immer einen Impulsgeber, der mehr oder weniger Beteiligung zulässt. So können im Wissenschaftsbereich auch andere tätig werden, NGOs oder Bürger, die einen neuen Impuls in den Prozess reingeben.” Nils Bandelow
“Mithilfe partizipativer Methoden wird Macht ausgeübt. Und auch Wissenschaftler können sich dieser machtvollen Instrumente bedienen.” Oliver Kuklinski
“Fachexpertise kann man sich hier nicht holen, neue Impulse aber schon.” Oliver Kuklinski
“Wir sprechen von Bürgerbeteiligung, aber die Wissenschaft an sich ist nicht beteiligungsfreudig. Die Ergebnisse der Forschung sind nicht zugänglich, weil Daten hinter Paywalls versteckt sind und von außen schlecht auffindbar.” Luiza Bengtsson, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin
“Impulsgeber für partizipative Prozesse in der Wissenschaft sind selten Bürger oder die Wissenschaft. Oft sind es politische Akteure, die damit einen Entscheidungsprozess begleiten wollen oder Geldgeber, die in Ausschreibungen für Forschungsgelder Partizipation mit in den Leistungskatalog aufnehmen.” Nils Bandelow
“Es ist für Nachwuchswissenschaftler eher unattraktiv, Partizipationsprojekt in die Forschung einzubeziehen, weil es viel Aufwand ist und in Publikationen und Journals nicht stark zum Tragen kommt.” Nils Bandelow
“Kleine, gut organisierte Gruppen sind sehr viel stärker und einflussreicher als zum Beispiel die große Gruppe der Malariakranken, die keine so starke Lobby haben. Die Gefahr besteht also, dass diese kleinen Gruppen mit ihren Problemen sich viel besser Gehör verschaffen.” Katrin Vohland
“Citizen Science ist nicht unbedingt Partizipation, vor allem dann nicht, wenn Bürger zum bloßen Sammeln von Daten herangezogen werden. Der Prozess muss eine Veränderung bei den Beteiligten bewirken, um wirklich partizipativ zu sein.” Oliver Kuklinski
“Ist die Wissenschaft bereit, ihren Elitestatus und ihren Expertenstatus infrage zu stellen? Wie weit senken wir unseren Status, damit wir nicht nur die kriegen, die sich ohnehin schon für Forschung interessieren? Oder wollen wir die anderen überhaupt erreichen?” – Anmerkung aus dem Publikum
“Bevor man Partizipation institutionalisieren kann, muss man auch an das Wissenschaftssystem und seine Qualitätskriterien ran. Es braucht Kriterien, damit es hier ein Verhältnis zu den klassischen Gütekriterien von Wissenschaft geben kann.” Nils Bandelow
“Wie kann man solche Initiativen aus der Forschung bewerten? Das ist nicht so einfach, wie die Anzahl von Papers zu zählen. Hier kann man eigentlich nur Impactanalysen machen und Forschung zum Prozess bemühen. Das kostet weitere Ressourcen.” Katrin Vohland
“Ich kann auch nicht immer davon ausgehen, dass ich direkt die Zielgruppe erreiche, die ich haben will. Und deren Motivation kostet Ressourcen.” Oliver Kuklinski
“Man muss erst überlegen, wo es überhaupt sinnvoll ist, partizipative Prozesse in Forschung einzubinden. In der Grundlagenforschung kann das unter Umständen gar keinen Sinn machen. Wenn dann die Forschungsgelder an Partizipation gebunden sind, ist das nicht hilfreich.” Oliver Kuklinski
“Partizipation, wie beispielsweise bei Citizen Science, bedeutet, dass ich einen Teil der Deutungsmacht zu einem Thema abgebe mit dem Ziel, eine Gruppe zu befähigen, sich einzubringen und Stärken zu entwickeln.” Katrin Vohland
“Jede Kommunikation ist eine Form von Partizipation. Ich gehe einen Schritt auf die Leute zu und bewirke damit schon etwas. Welche Methode ich da anwende – Veranstaltung, Artikel, Blog, Postwurfsendung – hängt von der Situation ab.” Oliver Kuklinski
“Partizipation und Bürgerengagement können schon im Jugendbereich beginnen. Hier sind sie besonders interessant, weil es eine Form der Bildung ist. Als Universität haben wir die Chance, diese Zielgruppe so schon früh zu erreichen.” Belén Daza, Ruhr Universität Bochum
“Es gab immer widerspenstige Bürger, die amateurhaft geforscht haben, aktiv waren und darauf musste die Wissenschaft reagieren. Ein Beispiel ist die Umweltforschung, für die viele Impulse aus der Bevölkerung kamen.” Christian Sichau, Science Center Bonn
“Wenn die Bürger etwas zu sagen haben, dann werden sie autonom und machen sich selbst mächtig. Das passiert von ganz alleine. So kommen wissenschaftliche Impulse zustande, die dann auch von Wissenschaftlern gehört werden und manchmal aufgenommen werden.” Oliver Kuklinski
“Es ist auch ein Zeichen der Wertschätzung und für kulturellen Wandel, wenn die Forschung sich grundsätzlich offen für partizipative Projekte zeigt.” Katrin Vohland