Ein Sprung ins kalte Wasser – so erlebte Ralf Krauter den Einstieg in den Wissenschaftsjournalismus. Heute sieht der studierte Physiker seine Arbeit als Wissenschaftsredakteur beim Deutschlandfunk als großes Privileg. Warum? Das erzählt er im Jobprofil.
Im Profil: Ralf Krauter
Karriereleiter, Karrieresprungbrett oder Karrierekarussell. Wie war Ihr Weg in den Wissenschaftsjournalismus?
Ich habe Physik studiert, mich aber dann gegen eine Promotion entschieden. Es hat mich immer mehr gereizt, das große Ganze im Blick zu haben, als mich in ein bestimmtes Fachgebiet zu vertiefen. Deshalb fand ich den Journalismus spannend. Also habe ich alternative Karriereoptionen ausgelotet und Praktika gemacht, bei Zeitungen, beim Uni-Radio und in der Pressestelle eines Fraunhofer-Instituts in Freiburg. Dort hatte ich das Glück, mit einer Journalistin zusammenzuarbeiten. Sie hat mein Interesse oder vielleicht auch Talent gesehen und mich ermutigt, weiterzumachen.
Es fühlte sich zunächst wie ein Sprung ins kalte Wasser an. Man hat gerade sein Physikstudium abgeschlossen und könnte Karriere machen und Geld verdienen. Stattdessen habe ich ein Praktikum bei einer Lokalzeitung gemacht, in meinem Fall bei der Badischen Zeitung. Als ich dann zu den ersten Terminen geschickt wurde, zum Kleintierzüchterverein oder zum Tennisclub, habe ich gemerkt, dass mir alles, was ich bis dahin gelernt hatte, nicht wirklich weiterhilft. Als Naturwissenschaftler*in profitiert man von dem analytischen Denken, aber ansonsten ist Journalismus ein neues Handwerk, das man lernen muss. Wie bekomme ich schnell wichtige Informationen aus Menschen heraus? Wie schaffe ich es, Inhalte zu verdichten, auf den Punkt zu bringen und einen Artikel pünktlich abzuliefern?
Hinzu kam der finanzielle Druck. Ich hatte durch meine halbe Stelle am Fraunhofer-Institut ein Einkommen, das hat das abgefedert. Aber wenn es nach diesen ein, zwei Jahren nicht weitergegangen wäre, hätte ich mich wahrscheinlich entschieden, in die Physik zurückzugehen. Denn mir war damals schon klar: Als freier Journalist ist es nicht einfach zu überleben.
Aber ich hatte Glück und konnte nach einer einjährigen Orientierungsphase ein Wissenschaftsvolontariat beim Deutschlandfunk starten. Die Ausbildung als Redakteur, Reporter und Radiomoderator hat mir viele Türen geöffnet. Im Anschluss bekam ich eine befristete Redakteursstelle und habe später acht Jahre lang als freier Wissenschaftsjournalist für den Deutschlandfunk, verschiedene ARD-Hörfunkprogramme und überregionale Zeitungen gearbeitet. 2013 wurde ich festangestellter Redakteur beim täglichen Wissensmagazin „Forschung aktuell“ im Deutschlandfunk, wo ich bis heute tätig bin – seit einigen Jahren in verantwortlicher Position. Seit 2023 bin ich außerdem Host des Podcasts KI verstehen. Karriereleiter trifft es also ganz gut. An manchen Stellen waren es Zufälle, aber im Großen und Ganzen waren es gezielte Schritte nach vorne.
Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Job und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?
Ich arbeite für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das heißt, wir versuchen eine möglichst breite Zielgruppe an Menschen für Themen aus der Wissenschaft zu begeistern. Die zentrale Aufgabe, die man als Redakteur im Tagesgeschäft hat, ist das Filtern von Informationen. Es geht darum, aus einer Flut von wissenschaftlichen Publikationen und Nachrichten jene fünf bis zehn herauszufiltern, über die die Hörer*innen des Deutschlandfunks Bescheid wissen sollten, weil sie besonders relevant sind. Im Lauf der Zeit ist das viel anspruchsvoller geworden. Als ich vor 25 Jahren angefangen habe, war die Informationslage noch viel überschaubarer. Inzwischen gibt es unheimlich viele neue Informationskanäle wie Social Media und viele Forschungsinstitute haben ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit extrem professionalisiert. Sie schicken viel mehr neue Inhalte raus in der Hoffnung, dass Journalist*innen wie ich darauf anspringen.
Um die Spreu vom Weizen zu trennen, muss man ein breites Fachwissen in der Hinterhand haben, gut vernetzt sein und einen Pool an Expert*innen kennen, über die man sich schnell rückversichern kann: Ist diese Geschichte, die mir als Durchbruch verkauft wird, wirklich so neu und spannend? Forschungsergebnisse schnell einzuschätzen und zu bewerten, welche Relevanz und gesellschaftlichen Implikationen sie haben, ist anspruchsvoll. Aber das macht die Arbeit auch nach vielen Jahren noch spannend.
Das Tolle an dem Job ist: Man geht jeden Abend einen Tick schlauer nach Hause, als man morgens aufgestanden ist. In meiner Rolle als Radiomoderator kann ich Interviews mit führenden Forscher*innen machen, in Labors fahren und den Leuten vor Ort über die Schulter gucken – mitunter sogar Nobelpreisträgern. Ich empfinde es als Privileg, diesen Job jeden Tag machen zu dürfen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Wissenschaftsjournalismus?
Man könnte meinen, dass wir ein goldenes Zeitalter des Wissenschaftsjournalismus haben müssten. Eigentlich hat die Corona-Krise sehr vielen Menschen, auch in der Politik, vor Augen geführt, wie relevant kompetente Berichterstattung über Wissensthemen ist. Eigentlich hätte der Wissenschaftsjournalismus aus dieser Phase mit einem enormen Rückenwind hervorgehen müssen. Leider ist das nicht der Fall. In vielen Medienhäusern, auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, wird massiv gespart, auch in den Wissensredaktionen.
Zudem gibt es derzeit gesellschaftliche Strömungen, befeuert insbesondere von populistischen Parteien, den Wert faktenbasierter Debatten und Entscheidungen generell in Frage stellen. Wer die Grundlagen der Aufklärung in Frage stellt, wonach objektives Wissen uns hilft, die Welt besser zu verstehen, der stellt auch die Grundlagen des Wissenschaftsjournalismus in Frage. Das macht mir große Sorgen.
Denn wenn Journalisten ihre Kontrollfunktion als fünfte Gewalt nicht mehr wahrnehmen können, weil es an Geld, Unterstützung und Wertschätzung für ihre Arbeit mangelt, haben wir als demokratische Gesellschaft ein Problem. Wenn jeder alles behaupten kann und keiner mehr die Fakten gerade rückt, dann erodiert die Vertrauensbasis, auf der wir öffentliche Diskurse führen. Schon jetzt kommt es vor, dass Zeitungen und Online-Medien nahezu ungefiltert Pressemitteilungen mit fragwürdigen Inhalten zu wissenschaftlichen Themen veröffentlichen. Da fehlt mitunter offensichtlich schon die redaktionelle Kompetenz, jene Einordnung und Hintergründe zu liefern, die man von seriösem Journalismus erwartet. Ich wünsche mir also ein öffentliches Bewusstsein dafür, dass guter Wissenschaftsjournalismus wichtig ist und Ressourcen braucht.
Welche Tipps können Sie Wissenschaftler*innen geben, die in den Wissenschaftsjournalismus wechseln möchten?
Mein wichtigster Tipp wäre: So früh wie möglich praktische Erfahrungen sammeln. Wissenschaft und Journalismus sind zwei sehr unterschiedliche Welten. Wissenschaftler*innen müssen sich über Monate in Themen einarbeiten, sie denken in längeren Zeithorizonten und kommunizieren primär mit anderen Wissenschaftler*innen. Journalist*innen hingegen müssen Inhalte verdichten, den wesentlichen Kern einer Geschichte herausschälen und um das Interesse ihrer Hörer*innen und Leser*innen buhlen. Die Deadline für ihren nächsten Artikel oder Beitrag ist oft nur Stunden oder bestenfalls Tage entfernt.
Mein Appell wäre deshalb, sich so früh wie möglich mit diesen Zwängen vertraut zu machen. Es ist ein Handwerk, das man lernen kann, und je früher man damit anfängt, desto leichter fällt der Einstieg. Also: Nicht zu lange in der wissenschaftlichen Komfortzone bleiben, sondern rausgehen und die öffentliche Wissenschaftskommunikation für breite Zielgruppen üben.

Ralf Krauter ist Redakteur und Moderator beim Deutschlandfunk-Wissensmagazin „Forschung aktuell“ und berichtet seit 25 Jahren über das Neueste aus Naturwissenschaft, Technik und Medizin. Für seine Radiobeiträge, Features und Reportagen wurde er mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Georg-von-Holtzbrinck-Preis für Wissenschaftsjournalismus. Seit Juli 2023 ist Ralf Krauter auch Co-Host und Reporter des Dlf-Podcasts „KI verstehen“, der 2024 für den Sonderpreis des Grimme-Online-Award nominiert war. Nebenberuflich arbeitet er als Eventmoderator, Medientrainer und Kommunikationscoach.