Mit eindrucksvollen Bildern aus dem All klärt das Projekt „Register des Universums“ über den Klimawandel auf. Tobias Beuchert erklärt im Interview, warum Kirchen ein guter Ort für Wissenschaftskommunikation sind und warum Emotionen dabei unverzichtbar sind.
„Wir möchten den Menschen einen Moment des Staunens ermöglichen“
Herr Beuchert, Sie haben zusammen mit Ihrem Team das Projekt „Register des Universums“ ins Leben gerufen. In einer Show aus Orgelkonzert, Lichtinstallationen und Impulsvorträgen vermitteln Sie Wissen über Astrophysik. Wie ist die Idee entstanden?
Unser fünfköpfiges Team hat sich durch die „Astronomers for Planet Earth“ zusammengefunden. In der Bewegung thematisieren wir die Klimakrise aus der Perspektive der Astronomie heraus. Wir kommunizieren zum Klima und ordnen das komplexe Thema für diejenigen ein, die Orientierung brauchen und wir unterstützen astronomische Forschungseinrichtungen darin, deren CO2 Fußabdruck zu reduzieren. Es gibt keinen Planet B. Deshalb ist es uns wichtig, über die Einzigartigkeit der Erde zu sprechen und selbst zu handeln.
Den Anstoß für unser Projekt „Register des Universums“ gab eine bekannte Organistin. Sie ist Kantorin der St. Matthäuskirche Erlangen, war offen für Experimente und wollte den Kirchenraum auch für Menschen öffnen, die dem Glauben nicht so zugewandt sind. Außerdem wollte sie immer schon mal Star Wars auf der Orgel spielen (lacht). Da hatte ich die Idee, astronomische Forschung und Orgelmusik zusammenzubringen und dabei auch über die globalen Krisen auf der Erde zu sprechen; sozusagen als Gelegenheit für emotionsbasierte Wissenschaftskommunikation.
Was erwartet die Leute bei einer Veranstaltung?
In der Astronomie haben wir die spannende Perspektive des Universums, bei der die Erde nur ein kleiner Planet von vielen ist. Diese Perspektive teilen wir mit Besucher*innen, indem wir mit ihnen eine audiovisuelle Reise durch das Universum unternehmen. Diese Reise beginnt bei den großen Ereignissen des Universums: dem Urknall, der Entstehung der Galaxien etc. Dazu zeigen wir mit Musik und Licht synchronisierte Videos und Astronom*innen halten Impulsvorträge zu den Entstehungsgeschichten. Die Reise endet mit Eindrücken von der Erde, einem ganz besonderen Planeten. Hier wechseln wir von der Perspektive des Universums auf die Erde zu unserer menschlichen Perspektive. Wir zeigen alltägliche Szenen, zum Beispiel Naturaufnahmen von Wasserfällen, aber auch Bilder von globalen Krisen, die uns heute alle beschäftigen. Diese Bilder verteilen wir auf Nebenprojektionen im Raum, sodass die Aufmerksamkeit von der Bühne in den Raum „driftet“. So schaffen wir auch räumlich einen Perspektivwechsel.
Die Leute müssen sich jetzt umschauen, nehmen die Personen, die neben ihnen sitzen, wahr und werden selbst zur Projektionsfläche. Plötzlich wird aus diesem abstrakten Universum etwas Greifbares. Wichtig ist uns, die Menschen nicht durch die Reize schnell getakteter Projektionstechnik zu überfordern, sondern zu entschleunigen und ihnen einen Moment des Staunens zu ermöglichen, in dem sie selbst im Mittelpunkt stehen.
Wie wird der „Moment des Staunens“ erzeugt?
Die Kombination aus Licht, Musik und Wissenschaft wird in der Live-Show zum Erlebnis. Die gewaltige Orgel bringt den Raum zum Beben, mit Musik aus den Filmen Interstellar und Star Wars, aber auch mit Kompositionen von Bach und Boëllmann; gleichzeitig flutet die Lichtinstallation den Raum.
Das Kirchenschiff verleiht der Veranstaltung eine besondere Stimmung. Die Größe des Raumes imponiert, aber auch die Grundinspiration, die in diesem sakralen Raum mitschwingt – für mich ist das der Mut, etwas Großes zu vollbringen. Das alles zusammen sorgt bei mir immer wieder für eine Gänsehaut.
Welche Rolle spielen Emotionen bei dem Event?
Emotionen helfen einmal, das astronomische Wissen und die Zusammenhänge, die das Publikum bei uns förmlich erlebt hat, im Kopf zu behalten. Die Perspektive auf unseren verwundeten Planeten schwingt in unserer Show mit. Wir wollen hier aber bewusst nicht auf den Fakten zum Klimawandel herumreiten, denn die meisten Menschen kennen diese bereits und doch reagieren viele mit Ablehnung. Warum, könnte eher eine soziale Frage sein. Einige Leute fühlen sich wohl von der Politik abgehängt oder überwältigt von den vielen Krisen. Wie können wir diejenigen also in ihrem Alltag erreichen?
Emotionen spielen hier eine Schlüsselrolle, weil sie es mir erst ermöglichen, auf andere einzugehen, sowohl als Kommunikator*in als auch als Teil der Gesellschaft. Ich kann die Gefühle der anderen Seite erst verstehen oder nachempfinden, wenn ich sie ernst nehme und mich emotional einlasse. Mit unserem Projekt wollen wir Begegnungen zwischen den unterschiedlichsten Menschen in einem geschützten Rahmen schaffen. Vielleicht entsteht dank der Astronomie als Dauerbrenner auch ein neues Vertrauen in die Wissenschaft und neuer Mut, Herausforderungen gemeinsam anzugehen.
Welche Leute kommen zu den Veranstaltungen?
Das Publikum war zwar insgesamt relativ bunt gemischt, die Mehrheit war akademisch geprägt und schon etwas älter. Als Teil des Kirchenkonzertprogramms kostete das Ticket 16 Euro. Für Leute, die auf der Straße an unseren Plakaten vorbeigegangen sind und nicht genau wussten, was sie erwartet, war der Preis vermutlich zu hoch.
Und wir dürfen auch die nicht vergessen, die es sich schlicht nicht leisten können. Ein Soli-Ticket oder gar freier Eintritt für Personen mit geringem Einkommen fände ich cool. Und wir wollen durch gezielte Werbung auch die erreichen, die nicht zu Fachvorträgen gehen würden, aber Lust hätten, sich von uns mitreißen zu lassen.
Gab es negative Reaktionen auf Ihr Projekt?
Ja, vereinzelt. Am Ende zweier Veranstaltungen haben wir den Leuten Feedbackbögen gegeben. Die Resonanz war eigentlich überwältigend und positiv. Viele waren berührt und berichteten von einem einzigartigen Erlebnis. Manche fühlten sich aber durch Schlagworte wie „Zukunft“, „Transformation“, „Klima“ getriggert. Ich denke, wir müssen daraus für die Zukunft lernen.
Das Stichwort „Klima“ stand zugegeben auch nicht auf dem Plakat, mit dem wir die Show beworben haben. Das Publikum hat also eher mit einer Musikshow gerechnet: Tolle Bilder aus dem All, ergreifende Musik, ein Live-Konzert mit Film. Der eine Ansatz wäre ein besseres Erwartungsmanagement im Vorfeld, der andere: Show, don‘t tell. Wir werden in Zukunft die wissenschaftliche Tiefe etwas reduzieren.
Einigen ist auch der Glaube zu kurz gekommen. Das Feedback ist nachvollziehbar. Wir sind schließlich in Kirchen zu Gast und thematisieren nicht, was die Theologie zum Universum sagt. Allerdings fand ich es schade, dass sich vor Ort dazu keine Gespräche ergaben. Ich hätte ihnen unsere Gedanken dazu gerne erklärt.
Welche Pläne haben Sie mit dem Projekt für die Zukunft?
Wir würden gerne auch andere Künste einbeziehen, zum Beispiel andere Instrumente verwenden, Poesie auf die Bühne bringen, oder eine Audioinstallation von Design-Studierenden. In Zukunft möchten wir auch nicht nur selbst auf der Bühne stehen, sondern anderen Wissenschaftler*innen und Studierenden die Chance geben, wertvolle Bühnenerfahrung zu sammeln – als Beitrag zur Förderung der Wissenschaftskommunikations-Community.