„Wirkungen verbessern“ und „wirtschaftlich machen“ – diese Ziele der angewandten Forschung klingen auf den ersten Blick unspektakulär. Wie kann man darüber spannend berichten? In ihrem Gastbeitrag teilt Claudia Aldinger ihre Erfahrungen und Entscheidungen als Mitglied des Kommunikationsteams der Hochschule Anhalt.
Warum die Kommunikation von angewandter Forschung herausfordernd ist
Angewandte Forschung kommunizieren
Seit 2023 habe ich als Teil des Teams Marketing und Kommunikation mit den Forschungsthemen der Hochschule Anhalt zu tun, um diese in Form von Pressemitteilungen, Blogartikeln und Social-Media-Posts zu verbreiten. An den drei Standorten der Hochschule Anhalt geht es fast immer um die angewandte Forschung. Eine der größeren Ausnahmen ist die Algenbiotechnologie. Aber selbst hier werden die Grundlagen von Mikroalgen mit dem Ziel erforscht, sie schnellstmöglich zu nutzen. Der Kern der angewandten Forschung ist es, neu entdeckte Wirkungen zu verbessern, Verfahren zu skalieren und wirtschaftlich zu machen oder Akzeptanz zu schaffen. Zweifellos sind das wichtige Prozesse, um Forschungsergebnisse in die breite Anwendung zu bringen. Der Deutschlandfunk hat diese Strecke des Innovationsprozesses sogar in dem Podcast „Tolle Idee! – Was wurde daraus?“ hörbar gemacht. Und dennoch klingt „Wirkung verbessert“ längst nicht so aufregend wie „Neue Alge entdeckt“ oder neues „Algen-Superfood“ entwickelt. Daher stellt sich für mich immer wieder die Frage: Wie kommuniziere ich die Forschungsergebnisse verständlich, spannend und nah an den Zielgruppen?
Vom Durchbruch berichten
„Durchbruch bei der Züchtung von Moos“ – so lautete mein erster Impuls zum Projekt „MOOSstart“ Anfang dieses Jahres. In der Pressemitteilung sollte es darum gehen, wie Bioverfahrenstechnikerinnen einen Bioreaktor entwickeln, um Moos in großen Mengen zu züchten. Nach ersten Recherchen stellte ich jedoch fest: „Durchbrüche“ gab es schon an anderer Stelle. An der Universität Freiburg war es erstmals gelungen, Moos im Labor zu züchten. Forschende der Universität Greifswald waren die Pioniere beim Ausbringen von Moos auf wiedervernässten Moorflächen. Die Expertise der Anhalter Bioverfahrenstechnikerinnen war nun ausschlaggebend, um beides in die großflächige Praxis zu bringen. Beim Torfmoos-Bioreaktor erneut von einem „Durchbruch“ zu sprechen, erschien mir unpassend. Wie oft kann man für ein Thema glaubwürdig dasselbe Narrativ nutzen? Diese Frage spielt inzwischen auch bei der Kommunikation des Klimawandels eine Rolle: Ausschließlich von Krisen und Katastrophen zu erzählen, scheint uns im Handeln nicht weiterzubringen – selbst wenn die Begriffe angebracht sind.
„Deep Dives“ und Storytelling auf dem Klimablog
In der Pressemitteilung zum Projekt „MOOSstart“ habe ich mich schließlich für einen Einstieg entschieden, der zunächst die Bedeutung von Mooren für den Klimaschutz erklärt und dann auf die klimaneutrale Nutzung mit Hilfe von Zuchtmoos hinführt: „Ohne Moos nichts los“. Je weiter ich mich gedanklich vom „Durchbruch“ entfernte, desto mehr Geschichten und Schauplätze kamen mir in den Sinn: von uralten Mooren, von ökologischen und ökonomischen Interessenkonflikten oder den Eigenheiten von Moospflanzen. Davon in der Pressemitteilung zu erzählen, hätte das Format überfordert, war aber sinnvoll. Wir kommunizieren zunehmend für eine Öffentlichkeit, die sich immer mehr ausdifferenziert: für Redaktionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten, Corporate Blogs und themenverwandte Social-Media-Kanäle und natürlich für jeden Einzelnen, der sich informieren möchte. Unterschiedliche Zielgruppen, die sich jenseits der „News“ für spezielle Aspekte eines Themas interessieren oder den Zugang über Geschichten und Personen suchen. Das ist ein Grund dafür, warum es seit diesem Jahr den „Klimablog“ gibt. Hier kommunizieren wir Forschung weniger nachrichten-, sondern themenorientiert. Die inhaltliche Zuspitzung fokussiert die Blogbeiträge auf Lösungen für drängende Probleme unserer Zeit und zeigt die Relevanz der Forschungsprojekte. Zugleich öffnet sich der Blick für aufschlussreiche Details, die sich über Infografiken oder Interviews erklären lassen. Ergänzend zur MOOSstart-Pressemitteilung fragen wir auf dem Klimablog beispielsweise, ob die Produktion von Zuchtmoos auch klimaneutral ist, wie es landwirtschaftlich genutzt werden kann und wo es Parallelen zur Algenproduktion gibt: „Deep Dives“, die auch auf den Social-Media-Kanälen der Hochschule willkommen sind. Und warum zukünftig nicht noch auf mehr Storytelling setzen? Mit der Idee, aus der Algenforschung Heldenreisen zu erzählen, habe ich bereits zu meiner Zeit beim KAT-Forschungsnetzwerk gute Erfahrungen gemacht.
Skepsis beim Wissenschaftsjournalismus
Storytelling hin oder her: Forschungsergebnisse haben es im Wissenschaftsjournalismus schwerer, wenn sie in Kooperation mit der Wirtschaft entstehen. „Nicht unabhängig“ – dieser grundsätzliche Vorbehalt begegnete mir in einer meiner ersten Weiterbildungen vor inzwischen mehr als zehn Jahren. Geleitet von einer gestandenen Wissenschaftsjournalistin. Ihr Standpunkt: Das Verwertungsinteresse könne das Forschungsergebnis bei aller gebotenen akademischen Freiheit beeinflussen. Ich habe in diesem Seminar viel darüber gelernt, wie man die Qualität von Forschung kritisch hinterfragt und schließlich immer wieder festgestellt: für Forschende von Hochschulen für angewandte Wissenschaften ist die Unabhängigkeit ihrer Arbeit und die damit verbundene Glaubwürdigkeit ein hohes Gut. Dass Unternehmensbeteiligungen ein generelles Manko sein sollen, konnte ich nie ganz nachvollziehen. Genauso wenig wie das Argument, die namentliche Nennung von Unternehmen sei bereits Schleichwerbung und abzulehnen – wie ich es über die Jahre hin und wieder mit Kolleg*innen diskutiert habe. Kooperationen und Finanzierungen zu nennen, gehört zum Gebot der Transparenz, wie es im „Deutschen Kommunikationskodex“, den „Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR“ und auch unseren internen Richtlinien verankert ist.
Abgrenzung lernen in sozialen Netzwerken
Glaubwürdigkeit ist für Forschende auch eines der wichtigsten Kriterien, wenn sie in sozialen Netzwerken aktiv sind. Seit die Communitys auf X schrumpfen, nutzen immer mehr Wissenschaftler*innen der Hochschule Anhalt LinkedIn, um sich auf ihren privaten Accounts fachlich über Forschungsthemen wie digitale Technologien für Landwirtschaft, Naturschutz und Stadtentwicklung, innovative Photovoltaik, Biodiversität oder Nachhaltigkeit im Design auszutauschen. Einige unterstütze ich redaktionell und beim Community Management. Dabei lassen sich über gemeinsame Hashtags vergleichsweise schnell Reaktionen für die Profile generieren. Glaubwürdig bleiben sie durch Abgrenzung: von fachfremden Vernetzungsanfragen, die eher den Absendern dazu dienen schnell Follower*innen zu generieren. Aber auch von fachlichen Reaktionen, die fragwürdig sind. Wissenschaftler*innen können hier sehr genau unterscheiden: Wer hat ein ernsthaftes Interesse am (gemeinsamen) Erkenntnisgewinn und wer will sein Image durch akademische Kontakte aufbessern? Deuten Profile, Beiträge und Kommentare auf Letzteres hin, heißt es: ablehnen, nicht oder zurückhaltend reagieren. Im schlimmsten Fall stehen die Interessen eines Verbandes oder das Geschäftsmodell eines Unternehmens im Widerspruch zur eigenen Forschung. Dann schaden der Kontakt und von ihm ausgehende Reaktionen eher als sie nützen. Glaubwürdigkeit kann sich auch redaktionell manifestieren, indem Forschungsergebnisse nicht nur genannt, sondern erklärt, eingeordnet oder methodisch untermauert werden. Das macht die Suche nach einem spannenden Hook nicht immer leichter, aber die Posts im Sinne der Wissenschaftler*innen glaubwürdiger. Ganz nebenbei entfernt man sich dabei weg von wenig aussagekräftigen Vanity Metrics wie reinen Followerzahlen und Likes hin zu einem nachhaltigen Netzwerk. Und das ist das Erste, wozu ich jeder Wissenschaftlerin und jedem Wissenschaftler rate, die mit mir zusammenarbeiten.
Die redaktionelle Verantwortung für diesen Gastbeitrag lag bei Sabrina Schröder. Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.