Ein Krieg gegen das Virus? In Großbritannien wurden während der Corona-Pandemie häufig Kriegsmetaphern verwendet. Ein Gespräch mit Franziska Kohlt über die Wirkung von Metaphern in der Gesundheitskommunikation und wie sich historisch das Verhältnis von Wissenschaftskommunikation zu Wissenschaft gewandelt hat.
„Metaphern sind sehr wichtig, weil sie helfen können Vertrauen aufzubauen“
Frau Kohlt, Sie erforschen die Wirkung von Narrativen und Metaphern in der Gesundheitskommunikation. Warum kann es problematisch sein, im Zuge der Corona-Pandemie von einem „Krieg gegen das Virus“ zu sprechen?
Kriegsmetaphern sind in der Gesundheits- und Risikokommunikation komplett unangebracht. Besonders im englischsprachigen Raum, allen voran in Großbritannien, haben wir solche Redewendung aber oft gehört. Der Krieg sollte als Metapher dienen, wo alle zusammenhalten und auf den großen Tag des Sieges warten. Das war motivierend und hat kurz gut gewirkt. Aber wir wissen aus der Forschung1, dass die Wirkung nicht lange anhält. Sobald die Erschöpfung einsetzt, sagen die Menschen: „Warum ist der Krieg noch nicht vorbei, warum müssen wir immer noch Masken tragen?“. Man kann dann beobachten, dass Müdigkeit und Trotz einsetzen und viele Leute nicht mehr mitmachen. Das ist ein großes Risiko.
Welche Wirkung hatten diese Kriegsmetaphern für den Gesundheitsbereich in Großbritannien?
Großbritannien hat im Vergleich zu anderen Ländern sehr spät auf die Pandemie reagiert. Es gab damals sehr laute Proteste vom Gesundheitswesen, weil es keine Schutzkleidung gab und die Todesrate von medizinischen Facharbeiter*innen sehr hoch war. Erst nach zwei Monaten hat sich der Gesundheitsminister mit der Phrase: „They were our heroes and we will remember them“ zu Wort gemeldet, die er sich aus dem „Remembrance Day“ Kontext geborgt hat. Normalerweise wird diese Phrase bei der jährlichen Gedenkveranstaltung für gefallene Soldaten des Ersten Weltkrieges genutzt. Zusätzlich flog ein großes Flugzeug über das Land mit rot-weiß-blauen Streifen und es wurde eine große nationale Feier veranstaltet. Beim medizinischen Personal kam das sehr schlecht an. Eine sehr prominente Ärztin hat darauf reagiert und gesagt: „Das ist natürlich sehr emotional, aber lieber als Medaillen und Militärüberflüge wären uns Schutzkleidung“. Als dann im Zuge einer Kampagne Poster und Graffitis verbreitet wurden, die titelten, dass man das Opfer der Ärzte gesehen habe, haben Ärzte sehr klar gesagt: „Wir sind keine Opfergabe oder Märtyrer, wir sind Ärzte. Wir arbeiten, um Leben zu retten, nicht um unser Leben zu verlieren“.
Wieso unterschied sich die Rhetorik in Großbritannien zu der in Deutschland?
Die Briten identifizieren sich sehr stark mit der Kriegsmetaphorik, weil sie die eigene Rolle im Ersten Weltkrieg, oder wie sie diese verstehen, zusammenschweißt. Das ist eine sehr nationalistisch aufgeladene Rhetorik, die aber viel emotionalen Anklang findet im Gegensatz zu Deutschland, wo kriegerische Rhetorik eher negativ bewertet wird. Die Corona-Pandemie als „war effort“ zu bezeichnen, fand in Großbritannien hingegen sehr positiven Anklang, die Leute haben die Corona-Maßnahmen schnell befolgt. Britische Medien zeigten sich überrascht, dass die Deutschen nicht so viele Kriegsmetaphern benutzten. Im Deutschen wurden eher Wassermetaphern benutzt, es wurde beispielsweise oft von der Eindämmung des Corona-Virus gesprochen.
Wie könnten Narrative und Metaphern in Krisen besser angewendet werden?
Wir können nicht ohne Metaphern und Narrative kommunizieren, denn unsere Sprache ist metaphorisch und Worte haben einen Effekt auf uns. Und das ist ein wichtiger Punkt, den man anerkennen muss. Metaphern sind sehr wichtig, weil sie helfen können, Vertrauen aufzubauen. Sobald Vertrauen in einer Kommunikation zerbrochen ist, ist das kaum noch zu retten. Wenn beispielsweise gesagt wird, dass man sich auf einen Dauerlauf vorbereiten muss und nicht auf einen Kurzstreckensprint, ist es die bessere Strategie. Risikokommunikation ist ja nichts Neues. Es gibt Expert*innen, die zum Beispiel in den Pandemic Preparedness Protocols Empfehlungen zu Sprache und Kommunikation in Krisen geben und auch, welche Kommunikationsfallen vermieden werden sollten. Die erste Falle sei, Leute beruhigen zu wollen. Hierbei werden beschönigende, motivierende Worte verwendet, wie „Es ist gleich vorbei, es tut gar nicht weh“. Das macht man auch ganz instinktiv in der persönlichen Kommunikation. Auch viele Politiker*innen beschwichtigen gerne, weil sie beliebt sein möchten. Eigentlich wollen Leute aber genaue Anweisungen 2 haben, wie: „Ein Vulkan bricht aus, sie müssen jetzt das Haus verlassen, an diesem Ort Zuflucht suchen, bis die Lage geklärt ist, danach ist folgendes zu tun – und so weiter – sonst brennt alles nieder“. Und genauso muss in einer Pandemie auch kommuniziert werden. Vor allem ist es wichtig die Dynamik der Situation klarzumachen.
Sie haben historisch das Verhältnis von Wissenschaftskommunikation zu Wissenschaft untersucht. Sie verwenden den Begriff „self defeating“, der beschreibt, dass Wissenschaftskommunikation früher Wissenschaft eher verteidigt hat. Was war und ist daran problematisch?
Meine Forschung beschäftigt sich damit, wie das öffentliche Bild von Wissenschaftler*innen konstruiert wird. Es ist spannend zu untersuchen, wie die Art, wie wir Forschende in der Öffentlichkeit darstellen, produktiv aber auch problematisch sein kann. Problematische Darstellungen habe ich zum Beispiel unter dem Begriff der Hagiografie erforscht, also religiösen Narrativen, die für die Erzählung über Wissenschaftler*innen genutzt wurden. Das begann schon mit Galileo. Früher wurde versucht, kontroverse Themen zu vertuschen und spannende Anekdoten zu erfinden, damit der Forschende in einem guten Licht dargestellt wird. Das wurde durchgehend in der Geschichte stilisiert und führte dazu, dass Forschende – meistens weiße3, ältere Männer4 – teils bis heute in Populärmedien als unantastbare Helden dargestellt werden. Diese Vergötterung von Wissenschaftler*innen ist ein großes Problem, denn dieses Bild wird oft von Lobbys instrumentalisiert, die Wissenschaft untergraben wollen, nach dem Motto, „Wir denken kritisch und hinterfragen, ihr vergöttert nur“. Solchen Leuten sollte man keine Munition liefern. Wir dürfen nicht in Plattitüden verfallen, wenn wir Wissenschaft verteidigen wollen. Es funktioniert nicht zu sagen: „Das ist Wissenschaft, also ist es richtig!“. Es ist wichtig, dass sich etwa der Wissenschaftsjournalismus kritisch mit Wissenschaft auseinandersetzt und eben diese Kontexte genau anspricht. Wissenschaft ist ja kein Monolith, sondern dynamisch, selbstreflektiv, verfeinert und verbessert sich ständig.
Sie schreiben, dass sich Wissenschaftskommunikation von einer „Top-down“ zu einer eher partizipativen Kommunikation gewandelt hat. Welche Vorteile sehen Sie darin?
Diese Top-down Kommunikation mit einem Experten, der sagt, „So ist es, so müsst ihr mitmachen“, funktioniert schlecht oder gar nicht. Wir sind in einem hoch medialisierten, dynamischen Zeitalter, wo Wissenschaft und Expertise infrage gestellt werden, oft mit dem Grund, dass die Öffentlichkeit von Ihren Prozessen ausgeschlossen ist. Partizipative Projekte sind eine gute Möglichkeit, Menschen in die Wissenschaft, und deren Kommunikation einzubinden und zu fragen, was sie sorgt. Hier gibt es viele Ansatzpunkte: Wollen sie sich für die Gemeinde einzusetzen, für Kinder, sorgen sie sich um ihre Jobs? Anstatt Wissenschaft als Abstraktum zu behandeln, kann man sie hier an solche Sorgen anknuepfen. Nehmen wir das Beispiel Biodiversitätskrise. Es dürfte die Menschen interessieren, dass ihre Stadt schön aussieht. Daran anknüpfend kann es funktionieren, Menschen zu erklären, dass eine andere Bepflanzung nicht nur schön aussehen kann, sondern gleichzeitig auch Insekten hilft. Dadurch erschließt man komplexe, global wichtige Themen wie Nahrungsproduktion, aber auch die Klimakrise. Und so wird klar: Wissenschaft ist unser aller Anliegen. Sie betrifft jeden Teil unserer Gesellschaft – und deswegen sollte jede*r an Wissenschaft beteiligt werden.