Die Hochschulrektorenkonferenz hat Empfehlungen zur Hochschulkommunikation als „strategische Aufgabe“ veröffentlicht. Ein Gespräch mit Peter-André Alt und Julia Wandt über das Rollenverständnis kommunizierender Wissenschaftler*innen, mehr Anerkennung für ihre Leistungen und den Umgang mit Spannungen zwischen Kommunikations- und Hochschulleitungen.
„Ohne ein Vertrauensverhältnis geht es nicht“
Herr Alt, Frau Wandt, was gab den Anlass, im Mai Empfehlungen für die Hochschulkommunikation als strategische Aufgabe zu veröffentlichen?
Peter-André Alt: Es geht in dem Papier nicht um Wissenschaftskommunikation im Allgemeinen, sondern um Hochschulkommunikation. Es denkt die Kommunikationsaufgabe – sowohl intern als auch extern –, die Struktur, das Aufgabenportfolio und die Mission einer Institution zusammen. Das Thema wurde, wie die Hochschulrektorenkonferenz fand, bisher noch nicht ausreichend beleuchtet. Deshalb wollten wir uns mit Empfehlungen an die erweiterte Fachöffentlichkeit wenden, die den Anforderungen einer modernen Hochschulkommunikation entsprechen.
Julia Wandt: Aus diesem Grund enthält das Papier alle inhaltlichen Dimensionen der Hochschulkommunikation: interne, politische, Krisen- und Wissenschaftskommunikation.
Inwiefern unterscheiden sich diese Bereiche der Kommunikation?
Alt: In der Praxis sind die Grenzen zwischen den einzelnen Handlungsfeldern von Hochschulkommunikation fließend. Die Wissenschaftskommunikation kann zur institutionellen Kommunikation werden, wenn eine Hochschule über wissenschaftliche Erfolge oder Ziele berichtet. Hochschulkommunikation kann zu Krisenkommunikation werden, wenn Äußerungen ihrer Repräsentant*innen, insbesondere der Leitung, in sozialen und klassischen Medien zu Widerspruch führen. Dann ist es sehr schnell notwendig, dass Kommunikationsfolgen repariert und die kritisierten Aussagen noch einmal erläutert werden müssen. Das sind Bereiche mit klarem Außenbezug. Hochschulkommunikation umfasst aber auch – und das war uns sehr wichtig, festzuhalten – ein Element der internen Kommunikation.
Wandt: Die interne und die externe Kommunikation unterscheiden sich zwar häufig in Bezug auf Botschaften, Tenor und Umfang, aber gerade an Hochschulen gilt die alte Regel, dass intern extern ist – und häufig auch umgekehrt.
Frau Wandt, wie können Hochschulen die Empfehlungen in die Praxis umsetzen?
Wandt: Die Empfehlungen setzen auf unterschiedlichen Ebenen an. Vieles lässt sich innerhalb der Einrichtungen aus dem operativen Geschäft der Kommunikationsabteilungen heraus umsetzen, wie zum Beispiel der Umgang mit unterschiedlichen Kommunikationskanälen und das Einhalten von Qualitätszielen. Das Thema Ressourcen erfordert Diskussionen innerhalb der Hochschulen. Wir haben eine klare Empfehlung gegeben, die Hochschulkommunikation finanziell wie personell ausreichend auszustatten – und zwar so, dass neben dem „Tagesgeschäft“ auch die Krisenkommunikation sowie Innovationen geleistet werden können. Dann gibt es die Punkte Reputation und Anerkennung, die teilweise über die Institutionen selbst hinausgehen. Dafür braucht man auch politische Unterstützung, wenn es beispielsweise zukünftig – so eine weitere Empfehlung des Papiers – um eine stärkere Anerkennung von Leistungen in der Wissenschaftskommunikation in Berufungsverfahren geht. Das Papier ist wie ein Baukasten, aus dem sich Hochschulen die einzelnen Empfehlungen zu den Themen nehmen können, mit denen sie sich gerade befassen.
Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Punkte im Papier?
Alt: Die zentrale Aussage der Empfehlungen ist, dass die Hochschulkommunikation ein Querschnittsthema mit Relevanz für alle Statusgruppen und Beteiligten bildet – in rezipierenden wie produzierenden Rollen. Dabei hat sie großes Gewicht für die gesamte Darstellung der Leistungskraft einer Hochschule. Deswegen ist die Kommunikation, neben den traditionellen Kernthemen Forschung und Lehre und den neueren Anliegen wie Gleichstellung oder Internationalisierung, essenziell. Dieser Bedeutung wird man nur gerecht, wenn das Thema entsprechend hochrangig platziert ist.
Stichwort Rollenverständnis. Laut Empfehlungen sollen Wissenschaftler*innen „deutlich machen, ob sie sich mit einer persönlichen Einschätzung etwa als (Fach-)Wissenschaftler*in, als Vertreter*in der Institution, als Privatperson oder als Mitglied einer anderen Interessenvertretung zu Wort melden“. Wie gelingt das, ohne dass die Grenzen der eigenen Rolle verschwimmen?
Sie fordern, dass Wissenschaftler*innen verstärkt ihre Expertise „zeit- und zielgruppengerecht“ in gesellschaftliche Debatten einbringen. Wie sollen sie dabei unterstützt werden?
Alt: Wir haben uns im Papier ganz bewusst zur Frage positioniert, was wir heute von Wissenschaftler*innen erwarten. Für uns gehört Kommunikation klar dazu. Es ist nicht notwendig, dass alle Wissenschaftler*innen kommunizieren können oder sogar müssen. Wie bei anderen Aufgaben gibt es auch hier eine unterschiedliche Gewichtung der Kompetenzen. Für diejenigen, die kommunizieren möchten, muss es frühzeitig Qualifizierungsmöglichkeiten geben. Viele Graduiertenschulen engagieren sich hier bereits. Man sollte das aber vertiefen und insbesondere Postdocs stärker für die Kommunikation befähigen. Die Unterstützung bezieht sich auch auf den Bereich der Presse- und Medienarbeit. Wissenschaftler*innen sollten sich darauf verlassen können, dass die Kommunikationsstellen der Hochschulen ihnen mit ihrer Kompetenz, Expertise und mit Ratschlägen zur Seite stehen. Das gilt auch, wenn kritische Reaktionen auf öffentliche Äußerungen kommen. Wir dürfen die Wissenschaftler*innen nicht allein lassen, wenn sie kommunizieren.
Wie können Hochschulen dazu beitragen, dass die Kommunikationsleistungen von Wissenschaftler*innen eine größere Wertschätzung erfahren?
Wandt: Wissenschaftler*innen sollten spüren, dass an der Institution, an der sie forschen und lehren, die Themen Wissenschafts- und Hochschulkommunikation positiv besetzt sind. Allein die Tatsache, dass der Universität Freiburg Wissenschaftskommunikation so wichtig ist, dass sie sie auf Ebene der Universitätsleitung verankert hat, hat vielen kommunizierenden Wissenschaftler*innen das Signal gegeben, dass ihre Arbeit in diesem Bereich geschätzt wird. Daneben braucht es auch die Zurverfügungstellung von Ressourcen, vor allem Zeit, da die Kommunikation häufig eine zusätzliche Aufgabe ist.
Wir können Wissenschaftler*innen aber auch finanziell unterstützen. In den Budgets von Hochschulen können zum Beispiel interne Programme aufgelegt werden, um bestimmte Wissenschaftskommunikationsprojekte zu fördern. Die Beantragungsverfahren müssen nicht aufwendig sein, denn wer kommuniziert, engagiert sich ohnehin bereits stark für die Institution.
Wie können karrierefördernde Anreize für Kommunikationsleistungen aussehen?
Alt: Wie Hochschulen Kommunikationsanreize schaffen, muss ihnen selbst überlassen sein. Ich kann aus meiner Erfahrung als ehemaliger Universitätspräsident sagen, dass man das Engagement von Wissenschaftler*innen fördern kann, wenn man ihre Leistungen bei Berufungen berücksichtigt – sofern eine Hochschule Zielvereinbarungen abschließt. Das tun nicht alle. Es gibt ja einen gewissen Dissens darüber, ob das sinnvoll ist oder nicht. Wir haben an der Freien Universität Berlin Zielvereinbarungen für ein besonderes Engagement getroffen, das Lehre, didaktische Weiterqualifizierung, Einwerbung von Drittmitteln oder auch eine Komponente der Öffentlichkeitsarbeit einschließt.
Wandt: Es gibt auch zahlreiche externe Fördermöglichkeiten. Immer mehr Projekte für Hochschul- und Wissenschaftskommunikation sind ausgeschrieben oder solche Komponenten werden bei der Forschungsförderung verlangt. Auch hier kann die Institution ihre Mitglieder auffordern, die Gelder zu beantragen. Die Kommunikationsabteilungen können bei der Antragstellung unterstützen und über Fördermöglichkeiten aufklären, so dass diese Gelder auch wirklich abgerufen werden.
Wie können Hochschulen zur Qualitätssicherung in der Kommunikation beitragen?
Wandt: Es gibt nicht ohne Grund Leitlinien für gute Wissenschaftskommunikation. Zu ihnen kann man sich als Institution auch bewusst bekennen. Die Einrichtung setzt damit ein Zeichen, dass sie eine wissenschaftskommunikationsfreundliche Kultur pflegt. Man muss das auch nicht bürokratisieren, sondern kann in einem kurzen Statement betonen, dass die Institution Wissenschaftler*innen, die kommunizieren, und Kommunikator*innen unterstützt und sich dafür bestimmte Werte gibt.
Was macht für Sie gute Wissenschaftskommunikation aus?
Wandt: Meiner Meinung nach sind die Qualitätskriterien von guter Wissenschaftskommunikation identisch mit denen von guter wissenschaftlicher Praxis: Transparenz, Offenheit, Wahrhaftigkeit, Offenlegen von eventuellen Befangenheiten. Wissenschaftskommunikation ist kein Selbstzweck. Es geht darum, Wissenschaft zu vermitteln und über Lehre zu kommunizieren und in den Dialog zu kommen. Dabei sollte Wert auf qualitativ gute Kommunikation gelegt werden und nicht auf Quantität.
Wandt: Man muss auch noch stärker davon wegkommen, nur Ergebnisse zu kommunizieren, und die Prozesse besser darstellen. Häufig gibt es in den Wissenschaften ohnehin nicht „das finale Ergebnis“. Das sollten wir auch in der Kommunikation berücksichtigen.
Die Empfehlungen thematisieren auch „Spannungen zwischen Interessen“ an Hochschulen. Was ist damit gemeint und wie löst man die Spannungen auf?
Alt: Es gibt nicht immer eine Übereinstimmung zwischen den institutionellen Zielen, die ein Präsidium verfolgt, und den Zielen individueller Wissenschaftler*innen. Es kann vorkommen, dass sie sich öffentlich zu konfliktbehafteten Themen äußern und Positionen vertreten, die Kontroversen auslösen. Soll die Ukraine militärisch unterstützt werden? Sind Masken- oder Impfpflicht sinnvoll? Auch Fragen von Diversität, Migration und Integration oder Debatten über BDS und den Palästinakonflikt sind Beispiele dafür. Die Hochschulleitung schätzt diese oft meinungsstarken Kommunikationsakte womöglich nicht. Für solche Konfliktsituationen muss man bestimmte Regeln haben. Waren die Aussagen angemessen für den*die Vertreter*in der Institution? Natürlich wird dafür niemand von der Leitung einbestellt und ein Disziplinarverfahren eröffnet. Aber bevor es zu einer richtigen Kontroverse kommt, muss man über potenzielle Folgen von Meinungsäußerungen sprechen, ohne Zensur üben zu wollen.
Frau Wandt, Sie wären eine der Personen, die in einem solchen Fall mit der Konfliktsituation umgehen müssten. Wie gelingt das?
Sie thematisieren auch das Verhältnis und Rollenverständnis zwischen Hochschulleitung und Kommunikationsverantwortlichen. Wie sieht das idealerweise aus?
Alt: Das betrifft vor allem die Frage, wie weit die Kommunikationsebene in die strategische Planung einbezogen sein soll. Dass an vielen Hochschulen die Kommunikation auf Leitungsebene verankert wird, spiegelt die Notwendigkeit wider, sich frühzeitig abzustimmen. Die Kommunikationsexpert*innen können auf diese Weise ihre Perspektive und Expertise einbringen, wie bestimmte Vorhaben und Zielumsetzungen kommunikativ begleitet werden können.
Wandt: Das Wechselseitige ist wichtig. Ich halte den Blick von Kommunikator*innen auf den Strategieprozess für äußerst gewinnbringend, weil dadurch eine andere Perspektive einfließt. Es ist wichtig, die Kommunikationsmeinung zu äußern – gerade auch bei für Institutionen kritischen Entwicklungen, da sie immer im Sinne des Schutzes der Institution ist. In meinem Geschäftsbereich in Freiburg sind die Wissenschaftskommunikation und die Strategie vereint, um die wechselseitigen Synergien bestmöglich nutzen zu können. Es gibt immer noch Hochschulen, an denen die Bedenken geäußert werden, dass etwas automatisch nach außen getragen wird, sobald die Kommunikationsabteilung mit am Tisch sitzt. Das ist natürlich Quatsch und es setzt zum Glück immer mehr ein Umdenken ein. Ohne ein Vertrauensverhältnis geht es nicht.
Das Department für Wissenschaftskommunikation (WMK) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de. Die Leiterin des WMK, Annette Leßmöllmann, war beteiligt an der „AG Hochschulkommunikation“ der Hochschulrektorenkonferenz, die die Empfehlungen erarbeitet hat.