Ein Comic verbindet Action und Abenteuer mit Wissen über laserbasierte Diagnoseverfahren. „Lasergirl – Jagd auf den Killerkeim” heißt die neue Geschichte vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien. Was hinter der Superheldin Lasergirl und ihren Abenteuern steckt, berichtet das Team hinter dem Comic im Interview.
„Wir wollten dieses wissenschaftliche Verfahren in eine Geschichte übersetzen“
Herr Popp, Frau Meier-Ewert, Herr Siegesmund, Sie gehören zum Team hinter dem Comic „Lasergirl – Jagd auf den Killerkeim“. Was hat es damit auf sich?
Jürgen Popp: Wir haben am Leibniz-Institut für Photonische Technologien zusammen mit unseren klinischen Partnern ein lichtbasiertes Verfahren entwickelt, um Sepsis – umgangssprachlich „Blutvergiftung” – schnell zu diagnostizieren sowie eine Methode, mit der wir Infektionserreger und ihre Antibiotika-Resistenzen deutlich schneller erkennen können, als dies mit mikrobiologischen Methoden derzeit möglich ist. Diese Technologien sind der Aufhänger für den Comic. Für die Diagnostik bestrahlen wir weiße Blutkörperchen oder Bakterien mit einem Laser bestrahlt. Dieses Licht zurückgeworfen. Das Spektrum des zurückgeworfenen Lichts bildet einen sogenannten „molekularen Fingerabdruck“, der mit Methoden der Künstlichen Intelligenz ausgewertet wird. Das alles nutzen wir, um eine Infektion, den zugrunde liegenden Erreger und mögliche Antibiotika-Resistenzen schnell nachzuweisen.
Lavinia Meier-Ewert: Wir wollten dieses wissenschaftliche Verfahren in eine Geschichte übersetzen und waren schnell bei der Idee, dass es ein Superheld*innen-Comic werden soll. Hier kommt der ganz klassische Superheld*innen-Plot zum Tragen: Jemand benutzt eine besondere Fähigkeit oder eine Super-Technologie, um die Menschheit vor einer Bedrohung zu bewahren. In unserem Fall ist die Superkraft Licht, die durch Lasergirl personifiziert wird. Im Comic setzt sie die von Herrn Popp beschriebene Technologie ein, um einen schwerkranken Patienten zu retten. Umgesetzt wurde der Comic gemeinsam mit der Illustratorin Sandruschka.
Daniel Siegesmund: In diesem Zusammenhang wollten wir auch zeigen, was im Körper stattfindet. Damit das gelingt, nutzen wir den Science-Fiction-Teil in der Geschichte, in dem die Superheldin schrumpft und in einem nanometerkleinen Raumschiff in den Körper gelangt und dort Abenteuer erlebt. Gemeinsam mit den Forschenden haben wir eine Bildsprache entwickelt, um physiologische Prozesse zu übersetzen.
So ist zum Beispiel die Immunpolizei entstanden, die das Immunsystem symbolisiert. Diese Übersetzung in unsere Bildsprache war zunächst eine große Herausforderung. Letztendlich ist daraus ein spannendes Abenteuer mit Action und Drama geworden – eben mit alledem, was einen Superheld*innencomic ausmacht. Dabei war es unser Bestreben, eine Zielgruppe zu erreichen, die man mit den üblichen Lehrvideos nicht erreicht. Das können zum Beispiel Leute sein, die sowieso schon von Superheld*innen-Comics begeistert sind und einfach mal sehen wollen, was Lasergirl für Abenteuer erlebt. Dass Leser*innen dabei noch etwas über unsere Laser-Technologie lernen, ist der positive Nebeneffekt.
Wen kann man sich hier genau als Zielgruppe vorstellen?
Meier-Ewert: Wir haben uns gedacht, dass der Comic für Kinder ab zehn Jahren verständlich ist, aber auch Erwachsene begeistern kann. Er ist so aufgebaut, dass er auf unterschiedlich komplexen Ebenen funktioniert: Zunächst einmal gibt es die klassische Geschichte – die gute Heldin gegen das böse Monster –, die natürlich auch jüngere Kinder schon verstehen können. Zusätzlich können sich Leser*innen Gedanken über die Technologie und Wissenschaft machen, die hinter allem steckt. Für diese interessierten Leser*innen erklären wirin einem Wissensteil am Ende, welche echten Technologien und medizinischen Hintergründe hinter Lasergirls Super-Fähigkeiten stecken.
Wie kann man von diesem Comic erfahren?
Meier-Ewert: Wir haben „Lasergirl” am 7. Juli 2021 gemeinsam mit der Bundesforschungsministerin Anja Karliczek auf einer Pressekonferenz im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Berlin vorgestellt. Für die Idee zu diesem Comic wurden wir 2019 vom BMBF mit dem Ralf-Dahrendorf-Preis ausgezeichnet, mit dem kreative Konzepte aus der Wissenschaftskommunikation prämiert werden. Dieser Preis hat die Realisation des Comics erst ermöglicht. Der Comic kann auf unserer Webseite als Heft bestellt werden und wir haben nach der Pressekonferenz auch schon Anfragen von Lehrer*innen erhalten. Wir möchten uns auch zukünftig gezielt an Schulen richten.
Siegesmund: Wir machen auf unterschiedlichen Kanälen auf den Comic aufmerksam. Wir werden auf der Frankfurter Buchmesse beim Gemeinschaftsstand des Freistaats Thüringen vertreten sein. Hier sind wir mit Partner*innen im Gespräch, die gemeinsam mit uns auf dieser Messe die Werbetrommel rühren wollen. So werden zukünftig weitere Menschen auf unsere Webseite aufmerksam, können den Comic bestellen, online lesen oder als E-Book runterladen. Auf Google Play oder Apple Books ist der Comic als E-Book kostenlos erhältlich. Zukünftig sollen weitere Portale beliefert werden.
Was für Rückmeldungen bekommt Lasergirl von Leser*innen?
Siegesmund: Die meisten Rückmeldungen kamen bisher aus dem privaten Umfeld und aus unserem Institut, da der Comic ja gerade erst veröffentlicht wurde. Wir haben die ersten Probedrucke direkt zu Hause unseren eigenen Kindern zu lesen gegeben und gefragt: Wie gefällt es euch? Versteht ihr das? Ist die Geschichte spannend? Diese Erfahrungen sind auch in den Entstehungsprozess mit eingeflossen. Inzwischen haben wir auch die ersten Schulen beliefert und sind gespannt, welche Reaktionen von deren Seite kommt.
Meier-Ewert: Viele Eltern haben auch berichtet, ihre Kinder seien ganz begeistert gewesen und hätten den Comic schon mehrmals gelesen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass auch jüngere Kinder sich schon als Lasergirl verkleiden und den Comic nachspielen (lacht).
Haben Sie auch schon Reaktionen aus der fachlichen Community erhalten?
Siegesmund: Punktuell. Besonders gefreut hat uns natürlich die positive Einschätzung seitens des BMBF. Aber auch von der Leibniz-Gemeinschaft gab es schon Feedback und auch hier wird der Comic sehr positiv aufgenommen. Wir hatten noch keine negative Kritik.
Wie hat sich die Zusammenarbeit zwischen dem Forschungsteam hinter der Lasertechnologie und dem Team hinter dem Comic gestaltet?
Popp: Die enge Zusammenarbeit mit der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit spielt am Leibniz-Institut für Photonische Technologien ohnehin bereits eine sehr wichtige Rolle. Was für uns Forschende neu war, war die Übersetzung der Wissenschaft in eine Bildsprache.
Wir als Forschende mussten uns erklären lassen, wie manche Dinge aus dieser Bildsprache gemeint sind. Von daher war es eine neue Form der Zusammenarbeit.
Meier-Ewert: Wir mussten die Herausforderung meistern: Die Geschichte musste als solche bestehen, also spannend und schlüssig sein. Sie musste aber auch vor den Forschenden bestehen; die darin vermittelte Wissenschaft musste Hand und Fuß haben.
Wir haben das Thema so lange eingedampft, bis die Geschichte des Comics entstanden ist. Diese haben wir auch immer wieder mit den Wissenschaftler*innen abgestimmt. Die Forschenden haben uns auch unterstützt, indem sie uns anschauliche Vergleiche und Bilder lieferten.
Siegesmund: Letztendlich war es auch insofern ein spannender Prozess, weil wir uns intensiv in die Zielgruppe hineinversetzt haben. Es besteht immer die Gefahr, dass man aus den Augen verliert, welches Vorwissen die Zielgruppe selbst mitbringt. Deswegen haben wir versucht, provokante Fragen zu stellen, damit die Forschenden alles noch einmal einfacher erklären.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, das reale Forschungsteam hinter der Lasertechnologie im Comic auftreten zu lassen?
Siegesmund: Es lag für uns nahe, auch die Forschenden im Comic zu verewigen. Das kennt man ja aus Filmen und Comics, in denen Forschende eine vergleichbare Rolle einnehmen. Beispielsweise gibt es bei James Bond den Charakter Q, der den Helden immer mit den neuesten Technologien ausstattet. Iron Man ist Held und Forscher mit einem eigenen Labor, in dem er an neue Technologien arbeitet. Spannend ist in unserem Fall, dass die Technologien bei Lasergirl keine Science-Fiction sind, sondern eben Science. Das unterscheidet Lasergirl von anderen Superheld*innen.
Popp: Das ist schon witzig, sich selbst in einem Superheld*innen-Comic zu sehen.
Erwarten uns noch weitere Abenteuer von Lasergirl?
Siegesmund: Wir haben noch viele weitere Ideen. Diese Methode der Kommunikation lässt sich auf viele weitere Bereiche anwenden, für die wir Technologien erforschen: Gesundheit und Medizin, Umweltwissenschaften oder Sicherheit. Zu all diesen Themenkomplexen könnte man sich ein konkretes Beispiel aussuchen und einen Comic entwickeln. Im Bereich Umwelt könnte Lasergirl zum Beispiel Umweltgiften auf der Spur sein.
Popp: Wir könnten Lasergirl vielleicht sogar bis zum Mars schicken, denn 2022 ist eine Mission der European Space Agency zum Mars geplant. Dort soll unsere Laser-Technologie genutzt werden, um die Chemie der Marsoberfläche zu erforschen und nach ausgestorbenem Leben zu suchen.
Siegesmund: Wenn diese erste Ausgabe einen gewissen Erfolg mit sich bringt, kann man daran anknüpfen. Was wir aus der Pandemie gelernt haben: Die Wissenschaft muss eine sehr wichtige und kritische Rolle bei der Bewertung solcher Krisen spielen. Dementsprechend ist sie eine wichtige Beraterin für die Politik. Es wäre toll, wenn die Wissenschaft wieder mehr von der Gesellschaft gehört wird. Aber man muss die Wissenschaft ja auch verständlich rüberbringen. Wenn man das schafft, existiert die Wissenschaft vielleicht wieder nicht nur neben der Gesellschaft, sondern auch als inhärenter Bestandteil.