Der Doktorand Manuel Neumann nutzt Instagram, um über Politikwissenschaften zu informieren. Warum er dieses Medium für seine Wissenschaftskommunikation gewählt hat und auf welche Hürden er dabei gestoßen ist, berichtet er im Interview.
„Jeden einzelnen Begriff, den man als gegeben ansieht, sollte man nochmal hinterfragen”
Herr Neumann, Sie betreiben den Instagram-Kanal @PoWi_Manu zum Thema Politikwissenschaften. Was erwartet Ihr Publikum auf diesem Account?
Zum einen möchte ich natürlich politikwissenschaftliche Themen abdecken, das heißt, ich gehe auf Konzepte oder Publikationen aus der Wissenschaft ein. Zum anderen versuche ich aber auch, einen Einblick in den akademischen Alltag zu bieten. Daher zeige ich zum Beispiel, wie es bei meiner Forschung und Dissertation vorangeht oder was für Aktivitäten zu meinem Alltag gehören, wie das Besuchen von Kolloquien oder Konferenzen.
Wieso haben Sie sich dazu entschieden, ein Wissenschaftskommunikations-Projekt auf diesem Themengebiet zu starten?
Ich habe mich von anderen Kommunikator*innen inspirieren lassen, deren Projekte ich toll und sehr informativ fand.
Meiner Erfahrung nach haben viele Leute speziell von Politikwissenschaften oft überhaupt kein Bild. Das wollte ich durch meine Kommunikation ändern, damit meine Rezipienten ein tieferes Verständnis für Politik und die Forschung dahinter bekommen.
Wen möchten Sie mit Ihrer Kommunikation erreichen?
Eigentlich möchte ich Menschen erreichen, die nicht unbedingt einen akademischen Hintergrund haben. Daher versuche ich, meine Inhalte auch immer sehr verständlich aufzubereiten und auf akademische Sprache so gut wie möglich zu verzichten – oder, wenn das nicht klappt, die entsprechenden Begriffe zu erklären. Außerdem möchte ich auch junge Menschen erreichen. Ich erhoffe mir, das Bild von Politikwissenschaften bei Leuten zu prägen, damit vielleicht der ein oder andere Interesse daran bekommt, selbst Politikwissenschaften zu studieren. Es hat sich mittlerweile herauskristallisiert, dass meine Leser*innen zwischen 18 und 30 Jahre alt ist und doch häufig auch studieren.
Welche Themen greifen Sie auf und wie werden Menschen auf Ihren Kanal aufmerksam?
Ich greife immer aktuelle Themen auf, wie zum Beispiel Wahlen oder bestimmte Diskussionen, zu denen ich aus meiner Perspektive etwas sagen kann. Dann habe ich schon erlebt, dass andere Leute mich weiterempfohlen und in ihrer Story erwähnt haben, um auf einen bestimmten Post aufmerksam zu machen. Hier passiert viel über Mund-zu-Mund Propaganda. Manche entdecken mich natürlich auch durch Zufall, wenn ich einen Hashtag benutze, der gerade in den Medien trendet.
Wieso haben Sie sich gerade für Instagram als Kommunikationsmedium entschieden?
Meiner Erfahrung nach sind es zwei Dinge, die Instagram als Medium besonders machen: Obwohl der Fokus auf Bildern liegt, kann man Texte verwenden – entweder fügt man die Schrift in die Bilder ein oder schreibt noch etwas darunter – und so auch komplizierte Sachverhalte ausgiebig erklären. Außerdem passiert auf Instagram viel durch Zufall. Natürlich gibt es gewisse Algorithmen, die angezeigte Posts nach Präferenz des Nutzers ordnen, aber gleichzeitig entsteht dort eine bunte Mischung. Dass Menschen zufällig auf Informationen stoßen, kann für die Kommunikation viel effektiver sein, als darauf zu vertrauen, dass diese Informationen aktiv gesucht werden. So ist beispielsweise die Ausgabe der Tagesschau, die in der Halbzeit von Fußballspielen gezeigt wird, die mit den meisten Zuschauer*innen. Genauso hoffe ich, dass meine Posts zwischen den Urlaubs- und Partyfotos gefunden und gelesen werden.
Was sind denn die Nachteile dieses Mediums?
Ein Nachteil ist natürlich die Beschränkung der Zielgruppe: Man muss schließlich erst mal Instagram haben, um meine vollständigen Inhalte uneingeschränkt sehen zu können. Außerdem ist man, wie bei allen sozialen Netzwerken, dem Medium auch etwas ausgeliefert. Man muss seiner Logik und Trends folgen. Beispielsweise hat Instagram in letzter Zeit als Reaktion auf TikTok den Fokus sehr auf Reels gelegt, das sind kurze Videos, in die man Text einfügen oder mit Filtern bearbeiten kann. Ich hatte ursprünglich gar nicht vor das zu machen und das passt eigentlich auch nicht zu dem, was ich mache. Da muss man dann eben abwägen, ob man darauf verzichten möchte, solche Reels zu produzieren, obwohl man dadurch weniger Menschen erreicht, oder ob man den Trend mitgeht, weil Instagram gerade möchte, dass man das tut.
Bislang verwenden Sie Stories1 und Feedbeiträge – welche Inhalte kommen wo vor?
Die Stories nutze ich, um Einblick in meinen Alltag zu bringen und durch ein Thema hindurch zu führen. Dort gibt es auch verschiedene Features: Man kann Umfragen erstellen, um an ein Thema heranzuführen oder auch die Meinungen der Leser*innen einzuholen. Die Beiträge nutze ich zur Aufarbeitung ganz spezieller Punkte oder als Zusammenfassung der Inhalte aus der Story.
Wie oft publizieren Sie pro Woche und welche Strategie verfolgen Sie dabei?
Im Idealfall will ich einen inhaltlichen Post pro Woche generieren. Im Moment bin ich so unter Arbeit begraben, dass ich das gar nicht schaffe. Ich versuche trotzdem, täglich in Instagram-Stories von meinem Forschungsalltag zu berichten. So kann ich beispielsweise zeigen, was in meiner Woche so ansteht und warum ich gerade so viel Arbeit habe. Wenn ich so viel zu tun habe, kann ich auch mal auf die Überarbeitungskultur aufmerksam machen, die auch im akademischen Feld vorherrscht. Forschung verlangt einem einiges ab und da wird es auch mal stressig; das gehört nun mal zu dem Berufsbild dazu und daher möchte ich es auch mit abbilden.
Was ziehen Sie aus Ihrer Kommunikation für Ihre Forschung?
Natürlich bietet sich die Kommunikation an, weil ich auch zu politischer Kommunikation forsche. In meiner Dissertation geht es um politische Alltagsgespräche und das ist ein sehr nahbares Thema. Ich kann auf Instagram dann zum Beispiel abfragen, wie meine Follower*innen dazu stehen, beispielsweise mit Fremden über ein politisches Thema zu sprechen und wie gern oder ungern sie das tun. Diese Rückmeldungen kann ich natürlich nicht für meine Forschung verwenden, dennoch ist es spannend, Rückmeldungen zu diesen Fragen zu bekommen.
Bekommen Sie Feedback aus der fachlichen Community zu Ihrer Kommunikation?
Tatsächlich folgen mir einige Kolleg*innen von verschiedenen Universitäten. Manche kannte ich nur über Instagram und bin dann später auf ihre Vorträge und Konferenzen aufmerksam geworden. Die meisten stehen meiner Kommunikation sehr positiv gegenüber. Sie freuen sich, wenn ich eine wissenschaftliche Publikation teile, die sie auch gut fanden. Ich habe auch sehr viel Unterstützung bekommen, als ich über das Thema Überarbeitung im Job gesprochen habe, weil die Community das natürlich genauso kennt. Mein Vorgesetzter hätte es natürlich lieber, wenn ich mich statt Instagram intensiver meiner Dissertation widmen würde (lacht). Aber solange meine Instagram-Aktivitäten auf meine Freizeit beschränken und nicht mit meiner Arbeit in Konflikt kommen, freut er sich für mich, dass ich diese Reichweite habe.
Sie betreiben den Account nun seit über einem Jahr. Was ist Ihr Fazit zu Instagram als Medium für Ihre Wissenschaftskommunikation?
Mein Fazit ist, dass wir auf Instagram mit einer Community interagieren können, die wir ansonsten überhaupt nicht erreichen. Selbst wenn wir in Lehrveranstaltungen zu Studierenden sprechen, erreichen wir damit ja nur einen kleinen Teil und darüber hinaus gibt es noch eine riesige Welt, die niemals bei uns in den Kursen landen würde. Instagram ist ein sehr breiter Kanal, mit dem man potenziell unglaublich viele Menschen erreichen und mit dem auch ein Bild der Wissenschaft geboten werden kann, welches über das hinausgeht, das in den Nachrichten wiedergegeben wird. Instagram macht es einem aber auch nicht ganz leicht: Es ist so konzipiert, dass man alles vom Mobiltelefon aus posten sollte. Auch wenn es alternative Wege gibt, macht es das Posten manchmal sehr kompliziert. Außerdem ist das Medium eher für Influencer*innen, also für Kooperationen und das Bewerben von Produkten, ausgelegt als für die Präsentation von wissenschaftlichen Publikationen. Womit ich immer sehr gut gefahren bin: Ich habe mir selbst keine zu großen Ziele gesteckt. Denn wenn man sich beispielsweise vornimmt, jeden Tag einen Beitrag zu machen, brennt man sehr schnell aus. Es ist sehr viel Aufwand und wenn man sich einmal so ein Ziel gesteckt hat und es nicht einhalten kann, bricht man das Projekt am Ende noch komplett ab, anstatt einfach gemäßigt weiter zu machen. So hatte mein Kanal vielleicht innerhalb eines Jahres nicht das größte Wachstum in der Community, aber es finden mich immer noch neue Leute und so klappt das für mich alles trotzdem alles wunderbar.
Was würden Sie jemandem raten, der*die gerade ein Projekt wie Ihres beginnen möchte?
Ich würde mir vorher gut überlegen, was ich denn zeigen will. Ich möchte beispielsweise nichts von meinem Privatleben zeigen. Das hat natürlich auch seine Nachteile, weil ich momentan im Home Office bin und es so auch keine Fotos von mir bei der Arbeit am Rechner gibt. Aber mit meinem Format, welches stark auf Text basiert, komme ich damit sehr gut zurecht. Außerdem habe ich mir meine drei Standbeine zurechtgelegt: Ich möchte Begriffserklärungen, Publikationen und Einblicke in die Forschung bieten und überlege dann immer, was ich innerhalb dieser Kategorien als Nächstes poste.
So eine Strategie hilft sehr gut, ein wenig Konsistenz zu schaffen. Zu guter Letzt würde ich jeder*m raten, die Komplexität so klein wie möglich zu halten. Wir als Forschende gehen immer von einem Wissensstand aus, der weit über dem liegt, was man bei einer Community voraussetzen kann, in der viele Mitglieder keinen akademischen Hintergrund oder einfach auf diesem speziellen Feld keine Expertise haben. Das bedeutet: Jeden einzelnen Begriff, den man als gegeben ansieht, sollte man nochmal hinterfragen. Dadurch hat man aber auch immer genug Material, weil man die verschiedensten Begriffe und Methoden erklären kann. Damit ist man dann schon sehr gut beschäftigt.
Manuel Neumann berichtet über seinen Instagram-Kanal @PoWi_Manu im Videointerview.