Foto: Jugend Präsentiert

„Die digitale Umstellung im letzten Jahr hat auch den Fokus der Forschung für uns verschoben“

Wie kann Präsentationskompetenz untersucht werden, wenn ein etabliertes Projekt wie der Jugend Präsentiert Wettbewerb auf einmal nur noch digital stattfindet? Antworten dazu gibt Fabian Ruth, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Präsentationskompetenz am Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen das Projekt wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

Herr Ruth, Sie begleiten mit ihrer Forschung das Projekt Jugend präsentiert. Inwiefern konnte auch in 2020, einem Jahr, in dem der Wettbewerb digital umgesetzt wurde, weiterhin die Präsentationskompetenz untersucht werden?

Die digitale Umstellung im letzten Jahr hat auch den Fokus der Forschung für uns verschoben. Auf einmal wurde in Schule, Universität und in der Arbeitswelt fast nur noch online in Videokonferenzen präsentiert. Die zentralen Forschungsfragen wurden für uns: Was charakterisiert eine Online-Präsentation und wie kann diese gut gelingen?

Eine rhetorische Analyse dieses Präsentationsformates bildet für uns die Grundlage für alle weiteren Forschungsschritte, wie die Messung der Präsentationskompetenz in diesem neuen Setting. In der Auseinandersetzung mit diesem Kommunikationsformat sind wir auch ersten empirischen Fragen nachgegangen, wie der Frage nach der Relevanz des neuen Präsentationsformats aus Sicht der Lernenden und Lehrenden.

Fabian Ruth ist promovierter wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Präsentationskompetenz am Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen. Dort entwickelt und konzeptioniert er gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen die Präsentationstrainings und Lehrerfortbildungen von Jugend präsentiert. Sein wissenschaftlicher Forschungsschwerpunkt bildet die empirische Rhetorik- und Bildungsforschung mit dem Fokus auf die Präsentationskompetenz. Dazu gehört u. a. die Evaluation von Präsentationstrainings sowie die Bewertung von Präsentationen. Foto: Universität Tübingen

Inwiefern konnten Sie valide Daten aus den Befragungen im Rahmen des Wettbewerbs oder bei den Fortbildungen der Lehrkräfte erfassen und sind diese mit ihren bisherigen Erhebungen vergleichbar?

Wir haben die Online-Präsentation zunächst explorativ untersucht. So haben wir beispielsweise nach der Einstellung zu diesem neuen Kommunikationsformat gefragt. Dafür befragten wir die Finalteilnehmer*innen unseres bundesweiten Schülerwettbewerbs Jugend präsentiert im Jahr 2020. Von den an der Umfrage teilgenommenen Schüler*innen (N = 63) stimmten 88% der Aussage zu: „Ich finde das Format der Online-Präsentation – das heißt Redner*in im Videofenster, digitale Präsentationsfolien und Live-Zuhörer*innen in einer Videokonferenz – wichtig für mein zukünftiges Leben.“

Hohe Relevanz für eine Online-Präsentation gab es ebenso bei unseren Lehrkräften, die wir im Anschluss an unsere ersten Online-Seminare befragten. So stimmten sie der Aussage „Die Online-Präsentation wird künftig ein wichtiges Thema für Schüler*innen nach der Schule in der Arbeitswelt sein“ und der Aussage „Ich halte es für sehr wichtig, mit Schüler*innen die Online-Präsentation zu trainieren“ (N = 26) weitgehend zu.

„ Wir streben an, die Relevanzzuschreibung über die Corona-Pandemie hinaus zu verfolgen, um eine größere Aussagekraft durch weitere Befragungen einer größeren Stichprobe zu erhalten.“ Fabian Ruth

Das sind bislang nur erste deskriptive Eindrücke einer selektiven Stichprobe an Lehrkräften. Wir streben an, die Relevanzzuschreibung über die Corona-Pandemie hinaus zu verfolgen, um eine größere Aussagekraft durch weitere Befragungen einer größeren Stichprobe zu erhalten. Das könnte Hinweise geben, ob die Online-Präsentation ein kurzfristiger Hype wäre oder ein Format, das durch den Digitalisierungswandel ein etabliertes und akzeptiertes Kommunikationsformat wird. Unsere allerersten Ergebnisse unserer Zielgruppe deuten auf letzteres hin.

Beim Projekt werden Lehrkräfte als Vermittler*innen von MINT-Bildungsprojekten geschult. Welches waren die Herausforderungen bei der Umstellung auf digital?

Wir standen bei der Digitalisierung unserer Lehrertrainings, in denen wir Theorie und Methodik zur Förderung von Präsentationskompetenz vermitteln, vor zwei großen Herausforderungen. Erstens: Wie schaffen wir es, unser 3-Tages-Präsenz-Training so im Online-Format umzusetzen, dass die Qualität bestehen bleibt? Und zweitens: Wie schaffen wir es, dass der Netzwerkgedanke von Jugend präsentiert und das Gemeinschaftsgefühl unter den Lehrkräften auch online weiter fortgesetzt werden kann?

Impressionen des virtuell umgesetzen Jugend Präsentiert Wettbewerbs 2020. Foto: Jugend Präsentiert

Wir haben relativ schnell bemerkt, was notwendig ist, um die Ziele der Trainings via Online-Seminare zu erreichen: Kürzere Bausteine, zielgerichtete Aktivitäten initiieren, gute Anleitung der digitalen Tools.

Um unsere neu entwickelten Online-Trainings-Formate zu überprüfen, haben wir Feedback mit digitalen Kurzevaluationen nach den Trainings eingeholt. Das ermöglicht uns, die unmittelbaren Reaktionen der Teilnehmenden zu analysieren und unser Angebot entsprechend weiterzuentwickeln und an die Bedürfnisse der Teilnehmenden anzupassen.

Wie hat die Umstellung geklappt?

Wir waren sehr erfreut, dass zum Teil die Nachfrage größer war als wir Plätze für unsere Online-Seminare vergeben konnten. Im Vergleich zu den Evaluationen in den Vorjahren gibt es erste Hinweise, dass die Trainings ähnlich gut gelungen sind. Es gibt ähnlich hohe Zustimmungswerte hinsichtlich der wahrgenommenen Qualität und Zufriedenheit des Trainings.

Zugleich zeigte sich innerhalb der Online-Seminare, dass insbesondere die Online-Praxis-Seminare sehr gut angekommen sind. Es gab hohe Zustimmungen zu der Aussage: „Aus der Fortbildung kann ich etwas für meine Arbeit an der Schule mitnehmen“ und „Die Teilnahme an der Fortbildung hat sich für mich gelohnt“. In diesen Online-Seminaren wurden in Kleingruppen praktische und didaktische Kenntnisse der Präsentationskompetenz vermittelt.

Eine Rückmeldung einer Lehrkraft ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Sie schrieb in der Evaluation: „Ich habe die Angst vor Online -Präsentationen verloren“. Für mich ist das ein klares Statement dafür, dass die Einstellung zur Online Präsentationskompetenz verändert und diese als machbar empfunden werden kann. So wie es aus unserer Sicht auch Schüler*innen erfahren sollten.

„Ich habe die Angst vor Online -Präsentationen verloren“ Statement einer Lehrkraft

Was konnten Sie aus den Erfahrungen lernen und was nehmen Sie daraus für 2021 mit?

Die Rückmeldungen der Teilnehmenden unserer Online-Seminare haben uns bestärkt, das digitale Angebot weiter auszubauen. Deswegen haben wir nun im Frühjahr 2021 ein vollständig digitales Fortbildungsprogramm entwickelt, das modular aufgebaut ist. Die Teilnehmenden wählen aus einem Pool von etwa 40 Einzelveranstaltungen entsprechende Online-Seminare aus. Fortbildungsprogramm zielt darauf ab, die Lehrkräfte so weiterzubilden, dass sie die Präsentationskompetenz ihrer Schüler*innen fördern und weiterentwickeln können. Dabei steht nicht nur das Setting der Präsentation im Klassenraum im Fokus, sondern ebenso das Setting der Online-Präsentation.

Ist es denkbar, dass der Wettbewerb zukünftig auch weiterhin in der digitalen Variante umgesetzt wird?

Unsere Idee ist, mehr digitale Formate in den Wettbewerb zu integrieren. Unser Ziel ist es aber auch, dass die Siegesfeiern der Länderfinale oder des Bundesfinales so bald wie möglich wieder real stattfinden können. Der Applaus, die Atmosphäre und die Gelegenheit vor einem großen Publikum zu präsentieren, ist für Schüler*innen eine tolles Erlebnis und eine inspirierende Lernchance.

Digitale Formate wie Frage&Antwort-Formate mit Wissenschaftskommunikator*innen wie Ralph Caspers oder MINT-Workshops als Teil eines Rahmenprogramms haben ihren Mehrwert auch über die Zeit nach der Pandemie hinaus.

„Insbesondere die Online-Präsentation ist ein Kommunikationsformat der Zukunft, die wir weiter fördern wollen. “ Fabian Ruth

Insbesondere die Online-Präsentation ist ein Kommunikationsformat der Zukunft, die wir weiter fördern wollen. Übrigens kann man seit Beginn des Wettbewerbs vor 10 Jahren bereits mit Online-Präsentationen an dem Wettbewerb teilnehmen. Dafür reichen die Schüler*innen in der ersten Runde des Wettbewerbs eine gefilmte Präsentation ein. Vielleicht können Online-Präsentationen in der ein oder anderen Form auch in den weiteren Runden des Wettbewerbs ihren Platz finden.

Was können Sie bei der digitalen Variante des Wettbewerbes messen und dann auch evaluieren?

Nach der Entwicklung und ersten Erprobung der Online-Trainings, wäre ein nächster Schritt Effektivitätsstudien durchzuführen. Damit wollen wir herausfinden, wie wirksam diese hinsichtlich des Aufbaus von Präsentationskompetenz sind. Solche Effektivitätsstudien mit Kontrollgruppen würden an die Effektivitätsstudien anschließen, die in der Vergangenheit für Präsenztrainings von uns, meiner Kollegin Carmen Lipphardt und mir, durchgeführt wurden.

Außerdem wäre es spannend die Lehrertrainings hinsichtlich ihrer Effektivität näher zu untersuchen. Dadurch können Erkenntnisse gewonnen werden, die über die Zufriedenheit mit dem Angebot hinausgehen und die den Lerngewinn der Lehrkräfte erfassen.

 

Jugend präsentiert ist ein Kooperationsprojekt von Wissenschaft im Dialog – einer der drei Partnereinrichtungen, die an Wissenschaftskommunikation.de beteiligt sind – und der Klaus Tschira Stiftung. Die Begleitforschung für das Projekt wird von der Universität Tübingen durchgeführt, an der Fabian Ruth tätig ist.