Politische Entscheidungen zu treffen, um gesellschaftliche Herausforderungen zu bewältigen, ist komplex. Gerade das macht unabhängige wissenschaftliche Politikberatung so wichtig. Doch wie lernen Expertinnen und Experten, nicht nur Fakten zu liefern, sondern wirklich zu beraten?
Die Managing Global Governance (MGG) Academy des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) bringt jedes Jahr für vier Monate Nachwuchsführungskräfte aus Schwellenländern und Europa zusammen. Ziel des Dialog- und Fortbildungsprogramms ist es, die Transformations-, Innovations- und Kooperationskompetenzen der Teilnehmenden zu stärken. Dazu gehört auch die (Weiter-)Entwicklung von wissensbasierten Politikberatungskompetenzen.
Im Ausbildungskonzept der MGG Academy wird dabei auf vier Dimensionen besonders Wert gelegt: strategische Kompetenz, Kommunikationskompetenz, Reflexionskompetenz und Beziehungs- und Netzwerkkompetenz.
Strategische Kompetenz
„Voraussetzung hierfür ist ein gutes Verständnis politischer Prozesse und der unterschiedlichen Funktionen und Rollen von Politikberatung.“
Rebekka Hannes und Tatjana Reiber
Strategische Kompetenz umfasst die Fähigkeit, sich darüber im Klaren zu sein, zu welchem Thema, für welchen Akteur und evtl. für welche Entscheidung das eigene Wissen zur Verfügung gestellt werden soll. Voraussetzung hierfür ist ein gutes Verständnis politischer Prozesse und der unterschiedlichen Funktionen und Rollen von Politikberatung. Kenntnisse hierzu erwerben die Teilnehmenden zum einen in akademischen Modulen, in denen sie sich nicht nur fundiertes Wissen zu globalen Herausforderungen wie Digitalisierung, Klimagerechtigkeit und vielen anderen Themen aneignen, sondern auch Politikempfehlungen entwickeln. Zudem erhalten die Teilnehmenden Einblicke in die Modelle und Ansätze der Politikberatung von erfahrenen Akteurinnen und Akteuren aus Wissenschaft und Politikberatunf des DIE und tauschen sich mit politischen Institutionen aus.
Kommunikationskompetenz
Kommunikationskompetenz meint die Fähigkeit, zielgerichtet kommunizieren zu können, also die richtige Zielgruppe mit der richtigen Botschaft auf dem richtigen Kanal zum richtigen Zeitpunkt zu erreichen. Um diese Kompetenzen zu stärken, werden in der MGG Academy verschiedene Kommunikationstrainings angeboten, wie beispielsweise Präsentationstechniken, Elevator Pitch, Social-Media-Training und Digital Storytelling. Die Teilnehmenden erlernen dabei, ihre Kernbotschaft kurz, präzise und anschaulich zu präsentieren. Sie formulieren eigene Social-Media-Posts, in denen sie Ereignisse kommentieren und ihre eigene Expertise einfließen lassen. So üben die Teilnehmenden für verschiedene Zielgruppen verständlich zu formulieren. In einem Training in Digital Storytelling lernen sie außerdem, ohne Hilfe und Budget mit dem eigenen Smartphone professionelle Videos aufzunehmen und zu schneiden. So lernen sie nicht nur, ihre Kernbotschaften auch visuell zu verpacken, sondern auch, ihre Kommunikation mit einer emotionalen Ansprache zu kombinieren. Entscheidend ist, dass diese Kommunikationstrainings eng mit den anderen Elementen der MGG Academy verknüpft sind und somit keine Trockenübungen darstellen. Über den gesamten Verlauf der Academy präsentieren die Teilnehmenden immer wieder vor unterschiedlichen Zielgruppen. Sie moderieren eigene Sitzungen, es gibt Formate, in denen sie ihre Idee in einer Minute pitchen müssen und am Ende der Academy erstellen alle eine eigene Digital-Story.
Reflexionskompetenz
„Systemisches Denken und die Fertigkeit, gut zuzuhören, um ein Problem umfassend zu verstehen, sind hierfür elementar.“
Rebekka Hannes und Tatjana Reiber
Als Reflexionskompetenz versteht die MGG Academy, in komplexen und nicht-linearen Kontexten agieren zu können und dabei lern- und anpassungsfähig zu sein. Systemisches Denken und die Fertigkeit, gut zuzuhören, um ein Problem umfassend zu verstehen, sind hierfür elementar. Diese Kompetenzen erwerben die Teilnehmenden der Academy unter anderem im Rahmen einer Projektarbeit, bei der sie die Innovationsmethode „Design Thinking“ anwenden. In diesem Kontext sind vor allem zwei Dinge sehr interessant: Erstens: Wer Lösungen für Herausforderungen anhand von Design Thinking entwickelt, lernt zunächst einmal, ein Problem sehr umfassend zu verstehen. In der explorativen „Empathie“-Phase geht es darum, eine Herausforderung aus sehr unterschiedlichen Perspektiven und durch multiple Zugänge zu verstehen. Der Fokus auf Zuhören, Fragen und (noch) Nicht-Wissen ist für viele ungewohnt und bietet ein erhebliches Lernpotenzial, auch auf der Ebene von Einstellungen. Zweitens ist Design Thinking ein stark iterativer Prozess, der von Phasen des Entwickelns, Lernens und Anpassens geprägt ist. Praxisrelevante Probleme werden definiert, aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet und re-definiert. Die Teilnehmenden entwickeln Prototypen von Lösungen und stellen sie potentiellen Nutzerinnen und Nutzern vor. Deren Feedback wird daraufhin in den Lösungsvorschlag eingearbeitet und wiederum zur Diskussion gestellt. Die Teilnehmenden entwickeln damit ihre Lern- und Anpassungsfähigkeit und integrieren eine ausgeprägte Praxis- und Nutzungsorientierung in ihr Handeln.
Netzwerkkompetenz
„Im besten Fall gleicht Politikberatung vielmehr einer transdisziplinären und transnationalen Co-Produktion von Wissen, die auch in und durch Netzwerke geschieht.“
Rebekka Hannes und Tatjana Reiber
Beziehungs- und Netzwerkkompetenz ist für die Politikberatung wichtig, da es sich hierbei nicht um eine eindimensionale Übermittlung von Wissen von einer zur anderen Person handelt. Im besten Fall gleicht Politikberatung vielmehr einer transdisziplinären und transnationalen Co-Produktion von Wissen, die auch in und durch Netzwerke geschieht. Die MGG Academy trägt alleine schon durch ihre Zusammensetzung zur Stärkung dieser Kompetenzen bei. Die Teilnehmenden kommen aus sieben Ländern und haben ganz unterschiedliche fachliche Hintergründe – von der Ingenieurin über den Pädagogen bis zur Juristin. Zudem kommen sie aus verschiedenen Sektoren, nämlich aus Regierungsinstitutionen, Think Tanks und Forschungseinrichtungen, der Zivilgesellschaft und dem Privatsektor. Durch den kontinuierlichen Austausch lernen die Teilnehmenden, über den Tellerrand ihrer eigenen Institutionen und Zuständigkeiten zu schauen, andere Perspektiven einzunehmen und eigene Überzeugungen zu hinterfragen. Vertrauensaufbau ist dabei elementar: Sie werden immer wieder gefordert, einander zuzuhören, Verständnis für andere Positionen aufzubringen und nicht vorschnell zu urteilen. Nicht nur im jeweiligen Kurs, sondern auch unter den Alumni des MGG-Netzwerks bilden sich so vertrauensvolle Netzwerke über Sektoren und Länder hinweg.
Was nützen diese Erkenntnisse und Erfahrungen für etablierte Prozesse der Politikberatung?
Viele der oben genannten Kompetenzen sind nicht nur für die Politikberatung von Bedeutung, sondern stellen auch Erfolgsfaktoren für transdiziplinäres und transnationales Forschen dar. Querschnittskompetenzen sollten daher auch in der Ausbildung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine größere Bedeutung erlangen. Sich darin zu schulen, die eigenen disziplinären Perspektiven und Erkenntnisse unterschiedlichen Zielgruppen zu kommunizieren, lern- und anpassungsfähig zu sein oder vertrauensvolle Netzwerke zu bilden, kann die eigene Arbeit und Forschung bereichern. Und auch ältere, etablierte Forschende könnten davon profitieren, ihre Fertigkeiten im zielgerichteten, präzisen Kommunizieren weiter zu schulen.
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Aktivitäten auf Social Media sind sicherlich nicht gleichzusetzen mit wissensbasierter Politikberatung. Sie können aber ein Baustein und Lernfeld für wissensbasierte Politikberatung sein. Denn viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die etwa sehr aktiv auf Twitter sind, und dabei nicht nur ihre eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse leicht verständlich kommunizieren, sondern sich auch in öffentliche Debatten einschalten, haben eine nicht zu unterschätzende Reichweite. Denn auch Journalistinnen und Journalisten verfolgen Debatten auf Twitter und recherchieren dort potentielle Gesprächspartnerinnen und -partner für ihre Artikel, Radio- und TV-Sendungen.
Design-Thinking-Prozesse könnten dabei helfen, an vermeintlich bekannte Probleme aus einer anderen Perspektive heranzugehen und die eigene Herangehensweise und vermeintliche Lösungsansätze zu hinterfragen. Vielleicht wäre es ein Experiment wert, diese Ansätze stärker in der Ausbildung junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu verankern.
Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.