Foto: Angelika Stehle

Im Profil: Myriam Schlag

Myriam Schlag ist promovierte Psychologin und kommuniziert als Freiberuflerin rund um das Thema Lernen. Das betrifft alle Menschen, ist aber nicht immer positiv besetzt. Im Jobprofil berichtet sie, wie sie das ändern möchte und was das für das lebenslange Lernen bedeutet.

Karriereleiter, Karrieresprungbrett oder Karrierekarussell – Wie war Ihr Weg in den Wissenschaftsjournalismus/-kommunikation?

Irgendwo habe ich mal gehört, dass Karrieren keine Leitern, sondern Klettergerüste sind. Das habe ich beherzigt. Direkt nach der Schule habe ich mit dem Psychologiestudium begonnen und habe jahrelang gedacht, ich möchte im Personalbereich arbeiten. Aber nach ersten praktischen Erfahrungen, habe ich schnell festgestellt, dass das nicht das Richtige für mich ist. Daher habe ich mich für eine Stelle an der Universität entschieden und habe dort zum Thema „Lernen“ geforscht, promoviert und auch viel unterrichtet.  Besonders wertvoll war dabei, dass ich keine Psychologiestudenten und – studentinnen unterrichtet habe, die sich sowieso für das Fach interessieren, sondern Lehramtsstudierende. In diesem Rahmen habe ich also das erste Mal Wissenschaft kommuniziert. Nach meiner Promotion bin ich über ein Forschungsthema zur Wissenschaftskommunikation gekommen, habe dann das „Forum Wissenschaftskommunikation“ besucht und war begeistert. Deshalb habe ich auch die Idee mit dem Karriere-Klettergerüst wieder aufgegriffen und neben meinem Job an der Uni in einem Fernstudium Fachjournalismus studiert. Das war eine aufregende und erfrischende Erfahrung, nachdem ich mich sehr lange mit Psychologie beschäftigt hatte. In dieser Zeit habe ich viel über das Schreiben und auch Öffentlichkeitsarbeit gelernt. Aber schon während meines Journalismusstudiums entdeckte ich einen weiteren Online-Kurs in Grafik-Design. Ein weiterer Blick über den Tellerrand, den ich unbedingt wagen wollte, da Kommunikation nicht nur aus Worten, sondern auch aus Design besteht. Wissenschaftskommunikation war dann die Überschrift, unter der ich alles miteinander verbinden wollte. Seit 2019 bin ich freiberuflich als Psychologin und Fachjournalistin tätig. Meine Vision ist, wissenschaftliche Erkenntnisse der Lernpsychologie an die Stellen zu transportieren, an denen sie gebraucht werden – egal, ob in Schulen, Unternehmen oder an die Lerner und Lernerinnen direkt.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?

Die größte alltägliche Herausforderung ist natürlich die Übersetzungsleistung von der Wissenschaftssprache in die Sprache der Zielgruppe. Aber auch andere ansprechende Kommunikationswege, z. B. visuelle Darstellungen, gehören für mich dazu. Natürlich ist es nicht immer einfach, die richtige Formulierung zu finden, aber das ist auch gleichzeitig die Herausforderung.

Was mich dabei antreibt ist meine eigene Neugier und mein großes Interesse am Thema „Lernen“. Ich lese natürlich selbst sehr viel zum Thema und denke seit Jahren: Das ist spannend, das könnte auch für andere interessant und wichtig sein. Ich wünsche mir, andere mit meiner Begeisterung für das Thema anzustecken und auch die Angst vor dem Thema „Forschung“ zu nehmen. Forschung muss weder kompliziert und trocken noch anstrengend sein.

Letztlich habe ich aber auch den Wunsch, das Thema „Lernen“ aus einer negativen Ecke zu holen. Viele Menschen haben beim Lernen schlechte Erfahrungen gemacht, weil sie nie gelernt haben zu lernen. Das kann wiederum das Selbstbild beeinflussen und auch über Bildungswege und Biografien entscheiden. Wenn Schüler und Schülerinnen in einem Fach wiederholt schlecht abschneiden, weil sie die falschen Lernstrategien nutzen, glauben sie am Ende ihrer Schulzeit vielleicht, dass ein bestimmtes Fach ihnen eben „nicht liegt“. Auch zukünftig werden sie dann vermutlich das Fach und vielleicht auch alle Themen, die damit zusammenhängen, vermeiden. Mit anderen Lernstrategien wäre ihr Bildungsweg möglicherweise ganz anders verlaufen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation?

Aktuelle Debatten haben gezeigt, dass nicht allen klar ist, wie Wissenschaft funktioniert und abläuft. Auch wenn man selbst nicht in der Forschung  arbeitet, sollten Themen wie „Forschungsprozesse“ und „Entstehung von neuem Wissen“ Teil der Schulbildung sein. Denn das Wissen über Forschung ist auch für die gesellschaftliche Teilhabe ein wichtiger Baustein. Immer wieder beeinflussen auch Themen aus der Forschung unsere Entscheidungen im täglichen Leben, zum Beispiel die Frage, ob der Klimaschutz mir wichtig ist und ich daher bei Einkaufen auf umweltfreundliche Verpackungen achte.

Darüber hinaus würde ich mir wünschen, dass Wissenschaftskommunikation auch Bestandteil eines wissenschaftlichen Studiums wird. Über die Jahre bemerkt man als Student oder Studentin  oft gar nicht, wie man immer mehr Fachsprache nutzt. Das ist natürlich auch Sinn und Zweck eines Studiums, aber man sollte auch in der Lage sein, sein Wissen an andere Zielgruppen zu kommunizieren.

Für den Bereich der Bildung wünsche ich mir eine bessere Verbindung von Theorie und Praxis. Lehrerkfäfte und auch andere Gruppen, die unterrichten, sollten regelmäßig über Themen aus der Forschung informiert werden, die für sie im Arbeitsalltag relevant sind. Oft haben diese Gruppen (verständlicherweise) gar keine Zeit, sich lang und breit in Themen einzulesen und zu informieren. Da braucht man bessere und schnellere Kommunikationswege. Zusätzlich muss der Nutzen der Forschungsergebnisse für den „Endverbraucher“ klar sein: Was habe ich davon, wenn ich mein Handeln im Unterricht an Forschungsergebnissen ausrichte anstatt an meinen eigenen Erfahrungen?

Wieso finden Sie es insbesondere im Bereich der Lernpsychologie wichtig, aktuelle Forschung an Ihre Zielgruppen zu vermitteln?

Lebenslanges Lernen wird immer wichtiger und die Chancen, etwas selbstständig zu erlernen, werden dank des Internets immer besser. Es gibt großartige Möglichkeiten für alle, die vorankommen möchten und wissen, wie man lernt. Doch gibt es eben auch viele, die nicht wissen, wie man lernt, weil sie es einfach nicht gelernt haben. Dabei wäre es dann wichtig, den Fokus weg von den Inhalten und auf den Lernprozess zu richten. Also vom WAS zum WIE. Doch dafür ist aufgrund überfüllter Kurs-, Lehr- und Bildungspläne oft gar keine Zeit. Lernerinnen und Lerner werden durch zahlreiche Themen und Stoffgebiete gejagt, nichts bleibt wirklich hängen und am Ende sind sowohl sie als auch alle, die ihnen etwas beibringen möchten, frustriert.

Darüber hinaus gibt es wichtige und spannende wissenschaftliche Ergebnisse zum Lernen, die sehr lange brauchen, bis sie in der Praxis ankommen. Das möchte ich gerne etwas beschleunigen. Oftmals muss ich aber nicht nur aktuelle Forschungsergebnisse, sondern auch Grundlagen der Lernpsychologie präsentieren und erklären. In meinen Veranstaltungen erlebe ich dann, dass die Teilnehmenden das Wissen dankend annehmen, da es vor Ort dringend gebraucht wird.


Foto: Angelika Stehle

Myriam Schlag ist promovierte Psychologin, studierte Fachjournalistin und arbeitet als Freiberuflerin zum Thema Lernen. Dabei kommuniziert sie in ihrem Blog und bei Veranstaltungen regelmäßig wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Lernpsychologie an verschiedene Zielgruppen.