Grafik: GUYF

Weltretter gesucht – Im Bionik-Jugendcamp zur grünen Jobidee

Das Bildungsprojekt „Green Up Your Future“ lädt junge Leute zu interaktiven Workcamps mit Schwerpunk Bionik ein. Dabei lernen sie, selbst Lösungen zu aktuellen Fragen von Klimawandel bis Konsumgesellschaft zu entwickeln und ihre eigenen Berufspläne auf grüne Potenziale hin zu überdenken. Eine Projektvorstellung im Gastbeitrag.

„Rucksack runter, Tasche von der Schulter, Schweiß abwischen und durchatmen. Ich bin da. Die Fahrt von München über Berlin nach Joachimsthal war anstrengend und lang. Bin jetzt sehr gespannt auf das ‚Green Up Your Future‘-Workcamp. Ich merke aber schon gleich: Der Weg hat sich gelohnt. Ich bin auf dem Gelände einer ehemaligen DDR-Fischfabrik gelandet, irgendwie trashig und doch sehr stylisch. Das wäre sicher eine perfekte Kulisse für ein Underground-Movie, direkt am Grimnitzsee mit viel Natur ringsherum, wo sich der Blick am Schilf vorbei in das Brandenburgische Land öffnet. Die Coaches sind nett, haben mir erst mal einen Kaffee gegeben. Nach und nach trudeln die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein. Was passiert jetzt?“

Die mysteriöse Forschungsstation Bionika

Leo, der angehende Wirtschaftsingenieur, hat sich schnell mit der Story vom Forschungsteam der „Bionika“ und ihren Heldinnen und Helden aus der Zukunft angefreundet. Foto: GUYF

Der soeben eingetroffene Teilnehmer heißt Leo. Er studiert Wirtschaftsingenieurswesen. In seinem Studium beschäftigt er sich gerade mit den Folgen des Klimawandels auf die Wirtschaft und die Lebensbedingungen weltweit. Keine rosigen Aussichten. Auf Instagram war er auf „Green Up Your Future“ gestoßen – auf die mysteriöse Forschungsstation „Bionika“ und eine geheimnisvolle Earth-Challenge mit viel Bionik. Seine Neugier war geweckt für das Projekt „Yes, youcan! Green up your Future“ von Biokon e. V. Die Forschungsgemeinschaft Bionik-Kompetenznetz führt im Projektzeitraum 2020 bis 2022 insgesamt 27 Workcamps mit jeweils 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Alter von 18 bis 22 Jahren durch. Das alles ist für diese komplett kostenfrei, inklusive Anreise mit der Bahn, Unterbringung in hostelartigen Unterkünften vor Ort sowie Verpflegung.

„Ziel der Weltretter-Workcamps ist es, dass die jungen Leute praktisch erfahren, wie sie ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen und über das Greening von Berufen zu einer nachhaltigeren Entwicklung ihrer Lebens- und Arbeitswelt beitragen können“, erklärt Biokon-Geschäftsführer Rainer Erb. „Die Botschaft lautet: Du kannst sehr viel mehr als du glaubst. Entdecke, was in dir steckt.”

Mit Storytelling zur Selbsterkenntnis

Den Weg dorthin ebnet ein Berufsbildungsprojekt, das Biokon gemeinsam mit kreativen Partnern entwickelt hat. Der erlebnispädagogisch geführte rote Faden knüpft dabei an die Erfahrungen und Sorgen junger Menschen um den Zustand des Planeten und die damit verbunden Lebensperspektiven an. Was wäre, wenn … es nicht fünf vor, sondern bereits kurz nach Zwölf wäre? Alle planetaren Grenzen wären überschritten, das Klima würde sich massiv verändern, die Ökosysteme zu kollabieren beginnen. Welche Wege führen aus einem solchen dystopischen Szenario? Erste Antworten gibt im Camp eine Earth-Challenge mit einer Entdeckungsreise zur fiktiven Forschungsstation „Bionika“ und einem verschollenen Forschungsteam. Hier suchen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in einem filmreifen Abenteuer-Setting nach Schlüsseln, die Auswege in eine nachhaltige, lebenswerte Zukunft öffnen. Beunruhigende Nachrichten aus der Zukunft halten während des Camps die Spannung der Rahmenstory immer wieder hoch.

„Die Earth Challenge wird ihrem Namen gerecht: Sie ist eine echte Herausforderung. Das muss man selbst erlebt haben. Spoilern kommt nicht in Frage. Nur soviel: Die zum Teil sehr anspruchsvollen Rätsel sind für unsere Gruppe eine echte Herausforderung. Alles unter Zeitdruck. Wir schaffen das, weil bei uns ganz viele, ganz unterschiedliche Erfahrungen zusammenkommen, schnell findet jeder seine Rolle, alle ziehen an einem Strang. Nach einer Stunde sind wir zusammengewachsen: ein Team, bereit für große Aufgaben. Aber erst mal den Abend am See ausklingen lassen, ein Bier oder ‘ne Schorle trinken und uns Wurst, Grillkäse und Salate schmecken lassen. Frösche, Grillen und Eulen machen ein Konzert dazu. Heile Welt, große Natur! Das soll auch so bleiben.“

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Vorbilder aus der Natur nutzen

Im Workcamp erleben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den folgenden drei Tagen spielerisch, wie sie Vorbilder aus der Natur nutzen können, um zu überraschenden technischen Lösungen für eine nachhaltige, energie- und ressourcenschonende Lebens- und Umweltgestaltung zu kommen – und dabei zugleich den für sie passenden „grünen“ Beruf zu entdecken.

Aber welcher Job passt zu welcher Persönlichkeit und zu welchem Talent? Die Workcamp-Module orientieren sich bei den Antworten am Interessensmodell von John L. Holland. Der amerikanische Psychologe hatte darin aus arbeits- und organisationspsychologischer Sicht die menschlichen Interessen und Neigungen in sechs Schwerpunkte geclustert: RIASEC – Realistic, Investigative, Artistic, Social, Enterprising und Conventional. „Indem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Workcamp Aufgabenstellungen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven angehen, lernen sie, sich nicht nur innerhalb der eigenen, bekannten Interessen zu bewegen, sondern gezielt auch die persönlichen Komfortzonen zu verlassen, um sich so neue Denk- und Handlungsoptionen zu erschließen“, erklärt Rainer Erb.

„Wir lernen im Workcamp die Bionik näher kennen und öffnen unseren Blick für die technischen Vorbilder aus der Natur. Der effiziente Einsatz von Energie und Ressourcen ist in der Evolution über Millionen von Jahre gelernt. Was hindert uns eigentlich, dieses Erfahrungswissen für unseren eigenen Umgang mit Technik zu nutzen? Und schon sind wir mitten drin in einer richtig spannenden Entdeckungstour mit ganz viel Praxis. Zum Beispiel als wir einen FinRay, einen adaptiven Leichtbau-Greifer bauen, der wie eine Fischflosse funktioniert. Eigentlich ganz einfach und einfach genial. Später waten wir mit dem Kescher durch den See und nehmen danach unseren pflanzlichen und tierischen Fang unters Mikroskop. Ich habe vorher nicht gewusst, dass man mit Schwimmfarnen ganz ungiftig gegen Ölverschmutzungen im Wasser vorgehen kann. Jetzt weiß ich mehr – zum Beispiel auch, was dazu gehört, um aus einer guten Idee ein Start-up mit Nachhaltigkeit zu machen. Das finden auch unsere Freundinnen und Freunde da draußen ziemlich cool. Die Bilder und Videos aus dem Workcamp, die wir in unseren eigenen Sozialen Netzwerken und in der immer größer werdenden  Green-up-your-Future-Community teilen, gehen steil – Smileys, Clapping Hands, Thumbs up sind mit jedem Post gewiss.“

Eine offene Kommunikation innerhalb der Gruppe ist dazu genauso essenziell wie der Wissens- und Erfahrungstransfer in Echtzeit im Netz. Dazu wird im Projekt die gesamte Klaviatur der Kommunikation gespielt – analog wie digital: mit Flyern und Postern für die Akquise der Teilnehmenden in Schulen, Berufsschulen und ggf. Karrieremessen. Für Medienvertreter sind Medien-Events vor Ort geplant (die allerdings unter Corona-Vorzeichen frühestens 2021 durchgeführt werden können). Vor allem aber über die eigene, sehr tiefgehende Website, über Blogs und Social-Media-Plattformen (allen voran jugendrelevante Kanäle wie Instagram, YouTube und partiell Facebook) finden der Informations- und Wissenstransfer sowie das Communitybuilding statt. In den Vordergrund rückt dabei immer die Peer-to-Peer-Kommunikation, die für Authentizität, Glaubwürdigkeit und Zielgruppenrelevanz steht.

Herausforderung Corona

Eine besondere Herausforderung stellen für die Organisatoren wie für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie dar. „Der ursprünglich geplante Projektbeginn Ende März traf mit dem Anfang des Lockdowns zusammen“, berichtet Rainer Erb. Um nach ersten Lockerungen dann im Juni endlich starten zu können, habe man ein entsprechendes Hygienekonzept aufgelegt: mit einstweilen halbierten Teilnehmerzahlen (acht statt 16), Abstandhalten, Maskentragen, regelmäßigem Desinfizieren gemeinsam genutzter Werkzeuge, dem Verzicht auf gemeinschaftliches Kochen und vieles mehr. Dies erforderte neben hohem organisatorischem Aufwand auch eine entsprechend angepasste Kommunikationslinie, die den verantwortungsvollen Umgang mit möglichen Pandemierisiken thematisiert, aber dabei nicht abschreckend auf die jugendlichen Zielgruppen wirkt. Dazu wurde die Akquise der Teilnehmenden im Netz unter anderem durch außerplanmäßige Social-Media-Werbeschaltungen und zusätzliche Printwerbemittel für sekundäre Zielgruppen (Lehrerkräfte, Eltern, Jobberaterinnen und -berater, etc.) verstärkt.

„Vier Tage vergehen wie im Flug. Gegen Ende ziehen wir Bilanz und werden nochmal kreativ, indem wir die sozialen Konsequenzen einer durchtechnisierten Gesellschaft reflektieren. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, als wir uns technische Erweiterungen für den menschlichen Körper ausdenken. Braucht es den „Superhuman“ zur Weltrettung? Wohl kaum. Das schaffen wir auch selbst. Viel zu schnell packe ich dann schon wieder meinen Rucksack und mache mich mit der ganzen Truppe auf dem Heimweg. Die Tasche wiegt jetzt zwar nicht mehr, aber ich nehme irgendwie doch mehr mit. Ich habe eine Idee davon bekommen, wie sehr Weltretter gebraucht werden und wie viele Möglichkeiten es für jeden von uns dazu gibt. Vielleicht kann ich ja Teil des Teams werden …“


Projektsteckbrief

Träger: Yes you can! Green up Your Future ist ein Projekt von Biokon – Forschungsgemeinschaft Bionik-Kompetenznetz e.V.

Budget/Finanzierung: Das Projekt wird im Rahmen des ESF-Bundesprogramms „Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung befördern. Über grüne Schlüsselkompetenzen zu klima- und ressourcen-schonendem Handeln im Beruf – BBNE” durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit sowie den Europäischen Sozialfonds gefördert. Das Gesamtbudget beträgt knapp 1,5 Millionen Euro.

Ziele: Die Weltretter-Workcamps sollen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern Impulse geben, wie sie über ihr eigenes Mindsetting und das Greening in ihren angestrebten Berufen ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen und so zu einer nachhaltigeren Entwicklung ihrer Lebens- und Arbeitswelt beitragen können. Ganz nach dem Projektmotto: Yes, You Can! Green Up Your Future.

Zielgruppen: Primäre Zielgruppe sind junge Leute in der Phase ihrer beruflichen Orientierung. Dies kann direkt nach dem Schulabschluss sein, aber auch noch während der Ausbildung oder des Studiums. Als sekundäre Zielgruppen sind Eltern, Lehrkräfte von Sekundar- und Berufsschulen, Ausbilderinnen und Ausbilder, Ausbildungsspezialisten aus Handwerks-, Industrie- & Handelskammern, aus Job-Centern und Aus- und Weiterbildungseinrichtungen sowie von Hochschulen und Universitäten angesprochen.

Zahlen zur Zielerreichung: Von 2020 bis 2022 werden 27 viertägige Workcamps in Joachimsthal am Grimnitzsee in der Nähe von Berlin durchgeführt – für die Teilnehmenden kostenfrei inklusive der Anreise mit der Bahn. Die einzelnen Workcamps sind jeweils für 16 Jugendliche konzipiert – während der Corona-Pandemie werden sie mit einem entsprechenden Hygienekonzept und einer reduzierten Teilnehmendenzahl von acht durchgeführt.

Weitere Informationen: www.green-up-your-future.de

Gastbeiträge spielen nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.