Wie gelingt es, mit MINT-Bildungsprojekten Schülerinnen und Schüler zu erreichen? Im Interview berichten die Vertreterinnen von „Make Your School“ und „Jugend präsentiert“ über ihr Vorgehen und ihre Erfahrungen.
Lehrkräfte als Vermittler bei MINT-Bildungsprojekten
Frau Krauß, bei „Make Your School“ geht es darum, dass Jugendliche Probleme an ihrer Schule benennen und das Umfeld dort aktiv mitgestalten. Können Sie uns das Ziel und den Ablauf der „Hackdays“, die im Zentrum des Projektes stehen, skizzieren?
Krauß: Das Ziel unserer Hackdays ist, Jugendliche für Themen wie Programmieren, Coding und allgemein die Informatik zu begeistern. Bei diesen zwei- bis dreitägigen Veranstaltungen versuchen wir die Schülerinnen und Schüler zu motivieren, ihren eigenen Schulalltag und ihr Umfeld mitzugestalten. Organisiert und umgesetzt werden die Hackdays von den Lehrkräften selbst. Zu Beginn jeder Veranstaltung stellen wir die Frage: Was stört euch an eurer Schule und wo seht ihr Verbesserungsmöglichkeiten? Da fällt definitiv jeder Schülerin und jedem Schüler etwas ein. Anschließend haben sie die Möglichkeit, einen technischen Prototyp zu bauen. Anfangs sind die Ideen oft noch sehr groß und müssen Schritt für Schritt angepasst werden. Bei diesem Prozess werden die Jugendlichen von Mentorinnen und Mentoren unterstützt. Das sind hauptsächlich Studierende, beispielsweise aus Informatik oder Maschinenbau, aber auch aus anderen Fachbereichen. Sie bringen Expertise mit ein, die die Lehrkräfte oft nicht haben.
Wie geht es dann weiter?
Krauß: Am Ende werden die Projekte von den Schülerinnen und Schülern selbst vorgestellt. Sie erklären, wie sie auf ihre Idee gekommen sind und diese umgesetzt haben. Sie benennen auch, welche Schwierigkeiten sie hatten und wie sie weitermachen wollen. Für diese finale Vorstellung laden die Lehrkräfte ein externes Publikum ein. Das können die Presse und andere Institutionen wie Hochschulen, Makerspaces oder Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft sein. Wir hatten auch schon einmal einen Bürgermeister mit dabei.
Frau Gräßer, Sie wissen, dass eine gute Präsentation gar nicht so einfach ist, denn sie betreuen das Projekt „Jugend präsentiert“. Wie gelingt die Förderung der Präsentationskompetenz bei Schülerinnen und Schülern?
Gräßer: Das läuft in den meisten Fällen direkt über die Lehrkräfte. Wir sprechen sie mit den von uns entwickelten Unterrichtsmaterialien und Fortbildungen an. Diese Materialien können relativ umfangreich sein, wie unser sogenanntes Multiplikatorenhandbuch. In diesem 500 Seiten starken Ordner finden Lehrkräfte, in fünf Modulen aufgeteilt, wichtige Informationen zum Thema Präsentieren. Diese werden durch didaktische Hinweise und Information zur Wissenschaft der Rhetorik ergänzt. Gleichzeitig sind die Materialien sehr praxisorientiert und enthalten viele Übungen, die direkt in den Unterricht integriert werden können. So müssen die Lehrerinnen und Lehrer erstens wenig Vorbereitungszeit aufwenden und zweitens nicht ihre reguläre Unterrichtszeit dafür opfern. Passend zum Material haben wir auch zweieinhalb Tage lange Lehrkräftetrainings, die bundesweit stattfinden. Sie sind in mehreren Stufen aufgebaut und für Interessierte geben wir auch zusätzliche Vertiefungstrainings.
Können die Lehrkräfte, die beispielsweise bei Make Your School Schülerinnen und Schüler bei ihrer Präsentation unterstützen wollen, auch von diesen Materialien profitieren?
Gräßer: Wir versenden bis zu zwei Ansichtsexemplare an Lehrkräfte in Form eines Kompaktheftes. Dieses entspricht der Essenz des benannten großen Ordners, der tatsächlich exklusiv den Lehrkräften in unseren Trainings vorbehalten ist.
Aber auch dieses Kompaktheft ist bereits ein relativ umfangreiches Produkt, in dem Übungen und Kopiervorlagen enthalten sind. Lehrkräfte können das Material gut in ihrem Unterricht ausprobieren und sich auch erst im zweiten Schritt entscheiden, ob sie tiefer einsteigen möchten oder nicht. Darüber hinaus können interessierte Lehrkräfte Ansichtsexemplare von Materialien für Schülerinnen und Schüler anfordern, die begleitend im Unterricht verteilt werden können.
Frau Krauß, haben Sie auch ein Regelwerk, das Sie den Lehrkräften mit an die Hand geben?
Krauß: Ja, auch wir haben ein Handbuch für die Lehrkräfte, aus dem hervorgeht, wie man eine solche Hackday-Veranstaltung theoretisch umsetzt. Jeder kann es auf unserer Webseite finden, herunterladen und nutzen. Wir haben hier Tipps und Tricks und Dinge, die unbedingt beachtet werden sollten, aufgeschrieben.
Sie sagen „theoretisch“?
Krauß: Wenn neue Schulen sich bewerben, ist ein Training der Lehrkräfte bei uns eine Teilnahmebedingung. Es dauert eineinhalb Tage und wird jeweils zu Beginn des Schuljahres kostenfrei angeboten. So lernen die neu hinzugekommenen Lehrkräfte, die die Organisation der Hackday-Veranstaltungen übernehmen, auf was sie achten müssen. Sie schlüpfen bei diesen Fortbildungen in die Rolle der Schülerinnen und Schüler und überlegen selbst, was ihr persönlicher Hack für ihre Schule wäre.
Frau Gräßer, wer darf bei Jugend präsentiert mitmachen und wie laufen die Trainings ab?
Gräßer: Bei uns ist es bereits dadurch limitiert, dass wir uns auf MINT-Fächer spezialisieren. Unser Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler mit auf den Weg zu geben, wie sie komplexe Sachverhalte schlüssig und motivierend für die angesprochene Zielgruppe darstellen können. Dieses Wissen wollen wir über die Lehrkräfte vermitteln und bieten diesen dafür jährlich acht Einstiegstrainings und vier Aufbautrainings, für bis zu 30 Personen an. Wir nennen diese Fortbildungen auch bewusst „Multiplikatorentrainings“, weil wir uns erhoffen, dass die Lehrkräfte das Gelernte auch an ihre Kolleginnen und Kollegen weitergeben. Das berücksichtigen wir bereits bei der Konzeption, indem sich eine Arbeitseinheit damit befasst, wie man das Wissen am besten ans Kollegium weitergeben kann.
Was haben die Lehrkräfte davon, bei einem Ihrer Projekte mitzumachen?
Gräßer: Wir sind immer sehr gut besucht, da Präsentieren mehr oder weniger direkt doch Teil des Lehrauftrages und auch des Unterrichtsalltags ist. Die Schülerinnen und Schüler sollten es spätestens für den Schulabschluss können. Für Lehrkräfte gibt es allerdings wenig Hilfestellungen, und das macht unser Projekt einzigartig. Präsentationsfähigkeiten werden zwar gefordert, aber nicht gefördert, und wir besetzen mit unserem Angebot diese Lücke. Unserer Erfahrung nach investieren Lehrkräfte ihre Zeit gerne, weil sie viel davon haben. Und sie bekommen wie gesagt Unterrichtsmaterial, das sie direkt einsetzen können.
Krauß: Das gilt genauso für unser Projekt. Das Thema Informatik ist relevant und die Schulen stehen oft vor der Frage, wie sie die Begeisterung für dieses Fach im Unterricht wecken können. Da kommen wir ins Spiel. Wir wissen natürlich, dass nicht alle, die an Hackdays teilgenommen haben, nachher Informatik studieren werden. Wir wissen aber auch, dass es Jugendliche gibt, die Vorurteile haben und sich diese Inhalte oft gar nicht zutrauen. Wir geben ihnen die Chance, es einfach mal auszuprobieren. Am Schluss sagen erstaunlich viele: Das war ja gar nicht so schwer. Die Lehrkräfte, die bei uns mitmachen, haben aber natürlich ein intrinsisches Interesse, mitzumachen und den Schülerinnen und Schülern so etwas zu ermöglichen. Gerne werden die Hackdays auch im Rahmen der Projektwochen an Schulen umgesetzt.
Wie erfahren die Lehrkräfte von Ihren Angeboten?
Gräßer. Am Anfang haben wir Mailings an Schulen geschickt. Die haben aber offensichtlich ein riesiges Angebot an Projekten und so versandete es leider oft im Sekretariat. Deswegen sind wir verstärkt auf Schulmessen gegangen, wo wir das Projekt mit einem Stand oder einem Teaserworkshop präsentiert haben. So konnten wir direkt Kontakt zu Lehrkräften aufbauen, das war sehr erfolgreich. Inzwischen haben wir so einen Bekanntheitsgrad, dass viele von sich aus auf uns zukommen und wir gar nicht mehr so viel Werbung machen müssen.
Krauß: Auch wir haben mit Mailings begonnen und ähnliche Erfahrungen gemacht. Die Präsentation bei Messen funktionierte besser, doch inzwischen sind auch wir in der luxuriösen Situation, dass wir gar nicht mehr genug Plätze für all die Schulen haben, die sich melden und teilnehmen wollen.
Ist der persönliche Kontakt zu den Lehrkräften also der Schlüssel, um ein Projekt für Schülerinnen und Schüler erfolgreich umzusetzen?
Gräßer: Ja, denn Lehrerinnen und Lehrer sind sehr gut vernetzt und tauschen sich intern über Projekte aus, mit denen sie Erfahrung haben oder die sie für gut und angemessen für den Schulalltag halten.
Krauß: Sich direkt an die Jugendlichen zu wenden, wäre nicht sinnvoll, da sie von der Unterstützung ihrer Lehrerinnen und Lehrer abhängig sind. Beispielsweise bei unserem finalen Maker Festival am Ende eines Schuljahres, bei dem die Jugendlichen ihre Hacks einer breiten Öffentlichkeit vorstellen können – jedes Team kann sich hier direkt bewerben, aber letztlich gehen der Kontakt, die Planung und die Organisation über die Lehrerinnen und Lehrer. Allein schon, weil wir gar keine Kontaktdaten von den Schülerinnen und Schülern haben und die Lehrkräfte oft auch Vermittler zwischen uns und den Eltern sind.
Gräßer: So ist das auch bei unserem Wettbewerb, der sich eigentlich direkt an die Schülerinnen und Schüler richtet. Auch hier sind es erst einmal die Lehrkräfte, die die Kinder dazu motivieren, ihre Präsentationen einzureichen. Erst wenn sie im Wettbewerb sind, haben wir einen direkten Kontakt zu ihnen oder ihren Eltern.
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