Mats ist eine eher bedachte Möwe, die ihre drei klimaskeptischen Artgenossen nicht einfach nur gewähren lassen will. Mit diesem Hauptcharakter hat die Umweltwissenschaftlerin Denise Müller-Dum ein Buch zum Thema Klimawandel geschrieben, mit dem sie Kinder und Erwachsene mit auf eine (Aufklärungs-)Reise nimmt. Wie sie dazu kam, erzählt sie im Interview.
Eine Möwe auf großer Klimamission
Frau Müller-Dum, Treibhauseffekt und Gewässer sind Themen, mit denen Sie sich in Ihrer Forschung beschäftigen. Wie kamen Sie dazu, diese Inhalte auch in ein Kinderbuch einfließen zu lassen?
Zum einen habe ich schon immer gerne geschrieben und auch während des Studiums als freie Journalistin gearbeitet. Parallel zu meiner Forschung habe ich auch immer versucht, mit der sogenannten breiten Öffentlichkeit im Austausch zu bleiben. Dabei bin ich auf das Projekt „Es war einmal … wissenschaftliche Kurzgeschichten“ gestoßen. Hier habe ich, so wie die anderen Mitwirkenden, eine Geschichte über meine Forschung beigesteuert. Ich war danach so inspiriert und mir sind dauernd neue Geschichten eingefallen. Eine davon war die von Mats Möwe, eine Idee, aus der ein Buch für Kinder entstanden ist.
Inwiefern war das Schreiben einer Geschichte oder eines Buches für Kinder anders als Ihre bisherigen Schreiberfahrungen?
Ich habe tatsächlich vorher schon viel geschrieben, aber nichts davon war eine Fantasiegeschichte. Es handelte sich immer um journalistische Artikel, Berichte, Reportagen, Interviews oder natürlich wissenschaftliche Publikationen. Beim Projekt „Es war einmal“ habe ich zum ersten Mal kreativ geschrieben. Hier habe ich mich auf eine ganz andere Art und Weise ausgedrückt und das war eine neue Erfahrung, die meinen Horizont erweitert hat. Im Gegensatz zu meinen vorherigen Texten, bei denen ich eher Fakten und Wissen vermittelt habe, konnte ich dieses Mal ein Gefühl transportieren. Nämlich das Gefühl, das man als Forscherin haben kann, wenn man dabei ist, etwas herauszufinden. Damit wollte ich zeigen, dass Wissenschaftler im Alltag nicht nur an harten Fakten arbeiten, sondern dass sie auch spannende Erfahrungen machen und begeistert davon sind. In Tatsachenberichten kommt diese menschliche Seite von Forschung manchmal etwas zu kurz. Gerade in einer Zeit, in der viel an Wissenschaft gezweifelt wird, finde ich es wichtig, auch mal Einblicke in die Prozesse zu gewähren und zu zeigen, wie Wissenschaft funktioniert und wer hinter den präsentierten Erkenntnissen steckt.
Sie haben mit Mats der Möwe einen Charakter für ihre Geschichte gefunden, der die Leserinnen und Leser auf eine Reise mitnimmt. Wieso haben Sie diesen Ansatz gewählt?
Wie geht Mats dabei vor?
Er nimmt die skeptischen Möwen mit auf eine Reise. So wird der Trendskeptiker Tammo, der überhaupt nicht an die Erderwärmung glaubt, in die Arktis mitgenommen und sieht, wie das Eis schmilzt. Man hätte einfach nur sagen können, dass es bereits Messungen gibt, die eine Erwärmung zeigen. Im Buch sollte die Reise helfen, sie durch Beispiele anschaulich zu machen. Die Ursachenskeptikerin Ursula erlebt auf Hawaii, dass das CO2 in der Atmosphäre steigt. Sie versteht, dass dies zu einer stärkeren Erwärmung führt. Und schließlich erfährt der Folgenskeptiker Fred in Bangladesch, dass der Klimawandel dort jetzt schon schlimme Auswirkungen für die Menschen hat. Das sind jetzt natürlich nur drei Reisestationen und ich widerlege damit nicht alle klimaskeptischen Argumente. Es geht mir eher darum zu zeigen, dass der Klimawandel nicht etwas völlig Abstraktes ist, sondern dass wir überall auf der Welt Belege dafür finden, dass er stattfindet und dass er menschengemacht ist.
Welche Altersgruppe wollen Sie mit dem Buch erreichen – und warum haben Sie es nicht für Erwachsene geschrieben?
Das Buch ist hauptsächlich für Grundschulkinder gedacht, also etwa ab sieben Jahren. Die können Mats Möwe zwar auch eigenständig lesen, mein Wunsch wäre es aber, dass es im Schulunterricht integriert wird, oder dass Kinder es zusammen mit Erwachsenen lesen. Bei diesem Thema halte ich einen Austausch für sinnvoll. Ich fand Kinder als Zielgruppe sehr reizvoll, weil ich durch sie ganz ungeniert fantasieren und sprechende Möwen erfinden konnte. Bei Erwachsenen hätte ich hier eine ganz andere Erzählweise gewählt. Andererseits sind Kinder keine einfache Zielgruppe. Sie sind viel offener in ihrer Kritik und sagen eher, wenn etwas unverständlich ist. Das ist sehr lehrreich, aber auch eine große Herausforderung!
Welche Reaktionen bekommen Sie von Kindern oder auch Fachkolleginnen und -kollegen?
Meine eigenen Kinder sind leider noch zu jung, um mir Rückmeldung zu geben – sie lieben aber die Bilder! Im Bekanntenkreis wissen einige junge Kinder schon erstaunlich gut über den Klimawandel Bescheid. Für andere ist es vielleicht doch etwas schwer oder beinhaltet zu viel neue Information. Hier kommt es sicher sehr auf den Hintergrund der Kinder und Eltern an. Leider habe ich es, aufgrund der Corona-Pandemie, noch nicht mit einer Grundschulklasse besprechen können. Aus der Kollegenschaft habe ich insgesamt sehr wohlwollende und unterstützende Rückmeldungen bekommen. Vielen gefällt die grundsätzliche Idee des Buches. Manche nahmen sich sogar die Zeit, es Korrektur zu lesen.
Haben Sie bereits weitere Projekte für die Zukunft geplant?
Es wird tatsächlich ein zweites Mats Möwe-Buch geben, diesmal zum Thema Plastik in den Meeren. Bei diesem Thema bin ich selber keine Expertin, weswegen auch mehr Recherche nötig war. Auch hier suche ich mir Kolleginnen und Kollegen, die sich fachlich auskennen und Korrektur lesen.
Warum ist Ihnen die Kommunikation mit der Öffentlichkeit wichtig?
Ich finde, man sollte zumindest bereit sein, seine von Steuergeldern finanzierte Arbeit auch über die Fachgemeinschaften hinaus zu kommunizieren. Wenn man, so wie ich, auch noch Spaß daran hat, dann sehe ich es als Muss, sich in der Wissenschaftskommunikation zu engagieren. Angefangen hat es bei mir mit populärwissenschaftlichen Vorträgen, Artikeln für die Webseite des Instituts oder auch für meinen eigenen Blog. Ein anderer Blickwinkel und der Dialog mit der Öffentlichkeit helfen mir auch bei meiner Forschung. Sie zwingen mich zu erklären, warum wir uns manchen Dingen so intensiv widmen. Dadurch überlegt man automatisch, warum man die eigene Forschung betreibt und warum sie gesellschaftlich relevant sein könnte. Das hilft mir wiederum nicht nur beim Schreiben der Einleitung für meine wissenschaftlichen Publikationen, sondern kann auch für zukünftige Forschung richtungsgebend sein.