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Wissenschaftskommunikation als dauerhaft abgesicherte Lehre

Das Wachstum von Kommunikationsabteilungen sieht der Übersetzungswissenschaftler Oliver Czulo kritisch – denn dadurch bleibt Forschenden immer weniger Zeit für ihre Kernaufgaben. Im Gastbeitrag schlägt er eine alternative Konzeptualisierung von Wissenschaftskommunikation vor.

Wissenschaft soll mehr nach außen kommuniziert werden. Dies ist ein scheinbar unanfechtbarer Allgemeinplatz, und Forderungen etwa danach, die Vergabe von Forschungsförderungen an die zu erwartende Güte der Wissenschaftskommunikation zu binden – ironischerweise auch von einer Bundesministerin, die selbst eher mit Kommunikationspannen auffiel –, kommen uns nur folgerichtig vor.

Zur aktuellen Lage der Wissenschaftskommunikation äußerte sich Wolfgang Nellen, ehemals Professor für Genetik an der Uni Kassel, kritisch zur Wissenschaftskommunikation und beklagte unter anderem die unzureichende finanzielle Ausstattung, die zudem immer wieder zeitlich befristet sei. Daneben formulierte er deutliche Kritik an der Leistungsfähigkeit derzeitiger Wissenschaftskommunikationsabteilungen, die aber eher schwammig blieb.

Die Reaktionen auf Twitter ließen nicht lange auf sich warten, war dies doch ein Frontalangriff auf die Wissenschaftskommunikation. Erstaunlich war jedoch die Reaktion auf einen Tweet von mir, in dem ich forderte, mehr Dauerstellen in der Wissenschaft anzusiedeln, unter denen wir – auch – Kommunikationstalente ausbilden könnten: Sie führte zum vorliegenden Gastbeitrag, in dem ich Wissenschaftskommunikation aus dem Blickwinkel der Personalpolitik betrachten möchte und dafür argumentiere, zentrale Bereiche der Wissenschaftskommunikation als Teil der Lehre des wissenschaftlichen Personals zu begreifen.

Vielzahl von Daueraufgaben, weniger dauerhafte Personalressourcen

Ich bin beileibe nicht der Erste, der sich über eine Überhitzung des Wissenschaftssystems beklagt: Meine eigene Erfahrung lehrt mich, dass insbesondere Professuren inzwischen zu Wissenschaftsmanagementstellen umgestaltet worden sind. Zielvereinbarungen, Drittmittel, „Programme“ prägen den Arbeitsalltag: im Grundgedanken sicher einige durchaus begrüßenswerte Impulse, die aber allesamt zu wichtiger Programmatik erhoben werden und teils mit viel Bohei und natürlich dem begleitenden Antrags- und Berichtswesen abgearbeitet werden sollen. Für mich persönlich bleibt die Erkenntnis: Zum eigenen Forschen habe ich selbst wenig Zeit. Einen steilen Anstieg von Verwaltungstätigkeiten beklagen auch zahlreiche Kolleginnen und Kollegen im Rahmen einer Befragung durch Konrad-Adenauer-Stiftung und Deutschem Hochschulverband, über die Jan-Martin Wiarda in seinem Blog berichtete.

„Neue Stellen mit Verwaltungsprofil bedeuten für den Forschungs- und Lehrbereich einer Universität in der Regel mehr Arbeit.“ Oliver Czulo
Für das wissenschaftliche Personal ohne feste Professur sieht die Gesamtsituation noch schlechter aus: Man hangelt sich von Fristvertrag zu Fristvertrag, sammelt Qualifikationen, stemmt Projekte, führt Veranstaltungen durch und generiert so einige beachtliche Lebensläufe. Ist man endlich auf einer Dauerstelle angekommen, so ist die Chance nicht gering, dass dies eine Teilzeit-Lehrkraftstelle mit einem teils abenteuerlichen Deputat ist. In Sachsen etwa werden für festangestellte „Lehrkräfte für besondere Aufgaben“ auf Vollzeitstellen üblicherweise 24 Stunden pro Woche als Lehrdeputat bemessen. Für die in diesem Personalsegment ebenfalls zunehmenden Aufgaben Reduktionen der Lehrverpflichtung beantragen zu wollen, ist erfahrungsgemäß schwierig.

In dieses Umfeld fallen also Forderungen nach einer verstärkten Wissenschaftskommunikation. Die Lösung erscheint einfach: Schafft man mehr Stellen in den Kommunikationsabteilungen, kann man Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ja von ihren Aufgaben entlasten. Es braucht nicht viel, um den Fehler in diesem Gedankengang zu finden: Neue Stellen mit Verwaltungsprofil bedeuten für den Forschungs- und Lehrbereich einer Universität in der Regel mehr Arbeit. Auch deshalb hat der ordentliche Aufwuchs an (häufig noch nicht mal als solche offen deklarierten) Wissenschaftsmanagementstellen im Vergleich zum Forschungs- und Lehrbereich bei abnehmender Zahl von Dauerstellen im Mittelbau nicht für eine Entlastung gesorgt.1 Immer neue Stellen mit Verwaltungsprofilen schaffen immer neue Programme, Antrags- und Berichtsformulare.

Wer soll kommunizieren?

„Man kann deutlich infrage stellen, inwiefern Wissenschaftskommunikation eine Aufgabe ist, die tatsächlich in der Verwaltung gut angesiedelt ist.“ Oliver Czulo
Eine der Kritiken von Wolfgang Nellen richtet sich gegen die Qualität der Arbeit von Wissenschaftskommunikationsabteilungen. Kann ich dazu nicht generell Stellung beziehen, so setze ich doch ein klares Fragezeichen dahinter, ob PR- und Kommunikationsabteilungen tatsächlich die richtigen Stellen sind, um die Federführung bei der Wissenschaftskommunikation zu übernehmen. Den Rahmen mögen diese Abteilungen setzen können, aber niemand erwartet, dass sie in der Lage sein müssten, eine kritische Auseinandersetzung mit maschinellen Übersetzungstechnologien inhaltlich angemessen rüberzubringen, ebenso wie den Segensreichtum der Synthese neuer Molekülketten und dann noch die Relevanz der Entdeckung einiger alter Schriftfragmente. Hier setzt bereits heute eine Arbeitsteilung an: Die Wissenschaft produziert die Inhalte, die Wissenschaftskommunikation wartet mit der Expertise auf, wie diese für bzw. an das jeweilige Zielpublikum jenseits der eigenen Studierenden darstellbar und vermittelbar sind. Diese Art von Transfer in die weitere Gesellschaft wird in Zukunft sicher Daueraufgabe der Universitäten sein – weiterhin. Denn: Gab es jemals tatsächlich die Zeiten, als man Studierende über ein paar Jahre (be)lehrte, sie dann quasi „aus“-gebildet (also „ein für alle Mal fertiggebildet“) in die Welt entließ und damit den eigenen Auftrag als vollständig erfüllt ansah? Vielleicht war diese Erzählung schon immer Folklore. Keine Folklore ist aber: Daueraufgaben brauchen Dauerstellen.

Stellen- und Aufgabenprofile

Stellenprofilierung ist bereits heute eine Realität an den Universitäten. Schon jetzt unterscheidet man beispielsweise zwischen Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Lehrkräften für besondere Aufgaben; das Wissenschaftsmanagement ist als Aufgabenprofil jüngst hinzugekommen. Man kann allerdings deutlich infrage stellen, inwiefern Wissenschaftskommunikation – und übrigens das Wissenschaftsmanagement im Allgemeinen – eine Aufgabe ist, die tatsächlich in der Verwaltung immer gut angesiedelt ist. Ist Wissenschaftskommunikation überhaupt eine Verwaltungsaufgabe, oder können große Teile davon – in noch genauer festzulegender Abgrenzung zu Transferaufgaben wie etwa der Politikberatung – nicht auch unter einen modernen, bidirektionalen und partizipativen Lehrbegriff fallen? Damit wäre Wissenschaftskommunikation zu großen Teilen eine andere Form der Lehrtätigkeit, nämlich eine Form von Breitenvermittlung statt Studierenden-Lehre. Ob „Breitenvermittlung“ hierfür der beste Begriff ist, ist sicher noch zu erörtern. Jedenfalls: Universitäten werden sich der weiteren Gesellschaft mindestens wie bisher, aber in neuer Form, vielleicht sogar noch profilierter zuwenden.

„Wird mehr Wissenschaftskommunikation verlangt, muss der Wissenschaftsapparat entsprechend personell ausgestattet werden, und zwar dauerhaft.“ Oliver Czulo
Aus der Transformation des Wissenschaftskommunikationsbegriffs hin zu einer breitenorientierten Form von vermittelnder Lehrtätigkeit könnten verschiedene Schlüsse resultieren, zu diesem Zeitpunkt aus dem von mir gewählten Blickwinkel insbesondere zwei. Erstens: Wissenschaftskommunikation im Sinne einer Breitenvermittlung sollte generell als Lehrtätigkeit auf das Lehrdeputat angerechnet werden, egal ob Professur, Lehrkraft-, Qualifikations- oder andere Stelle. Gerade bei Professuren, deren Leistung inzwischen stark an ihrer Drittmitteleinwerbung gemessen wird, wird es dafür erst noch einen Sinneswandel in vielen Universitätsleitungen und Wissenschaftsministerien geben müssen. Eine Professur mit einem Schwerpunkt der Wissenschaftskommunikation wird in der Gewichtung deutlich anders in der Leistung bemessen werden müssen, als vor allem an der Höhe und Zahl der Kontobewegungen. Zugleich muss sich dieser Sinneswandel auf den wissenschaftlichen Nachwuchs ausweiten, ansonsten wäre ein Schwerpunkt in der Wissenschaftskommunikation ein deutlicher Nachteil auf dem Stellenmarkt. Eine Chance könnte dies allerdings für Forschende an außeruniversitären Einrichtungen sein.

Zweitens: Wird mehr Wissenschaftskommunikation verlangt, muss der Wissenschaftsapparat entsprechend personell ausgestattet werden, und zwar dauerhaft. Dies eröffnet die Möglichkeit, Persönlichkeiten zu entwickeln, die neben Kern-Forschungs- und -Lehrfähigkeiten ein starkes Profil in der Breitenvermittlung haben. Dies mag im Mittelbau zunächst einfacher zu bewerkstelligen sein, insbesondere dann, wenn neue Personalkategorien wie etwa (entfristete Senior-)Lektoren an Universitäten verstärkt Einzug halten sollten und die Stelleninhabenden dann mit entsprechender Autorität und Unabhängigkeit agieren könnten.

Friede, Freude, Eierkuchen?

Die Forderung nach mehr Dauerstellen für bereits existierende Daueraufgaben ist inzwischen reichlich gealtert. Jüngst wird ihr zwar zunehmend nachgekommen, man muss aber die historische Entwicklung im Auge behalten. So sieht etwa der derzeitige Koalitionsvertrag für Sachsen einen Aufwuchs an Dauerstellen in der Wissenschaft vor, dies aber nach langen Jahren des Abbaus. Man kann also eher über eine gewisse Entspannung für ein überhitztes und, gemessen an den Anforderungen, die an die Wissenschaft gestellten werden, unterfinanziertes System sprechen.

„Die Forderung nach mehr Wissenschaftskommunikation ist für mich eine Bedrohung meiner Zeit, meines Nervenkostüms und meiner wissenschaftlichen Arbeit.“ Oliver Czulo
In der aktuellen Lage ist für mich klar: Die Forderung nach mehr Wissenschaftskommunikation, die manche schonmal über einen Ausbau von Wissenschaftskommunikationsabteilungen sinnieren lässt, ist für mich persönlich nichts anderes als eine Bedrohung meiner Zeit, meines Nervenkostüms und meiner wissenschaftlichen Arbeit. Zu realistisch erscheint das Szenario einer Abteilung, die mich – sanft – zwingen wird, Blogeinträge zu verfassen, Instagram-Stories zu produzieren und Faltblätter zu befüllen, alles halbgar und neben dem eigentlichen Betrieb her. Zu realistisch erscheint die Gefahr, dass zur Produktion von Inhalten, die kommunizierbar wären, noch weniger Zeit verbliebe und in der Folge schon geringste Erkenntnisgewinne überproportional aufgebläht werden müssten. Zu real war bereits die Entwicklung, dass Stellen aus den Kernbereichen der Wissenschaft in neue Verwaltungsbereiche verlagert, für die Statistik aber als wissenschaftliche Stellen ausgewiesen wurden.

Ich will daher deutlich machen: Ich bin unter den heute vielerorts gegebenen personellen Umständen strikt gegen einen Ausbau von Wissenschaftskommunikation – in welcher Form auch immer. Noch strikter bin ich gegen einen Ausbau von Wissenschaftskommunikationsabteilungen, und selbst unter sich verbessernden Bedingungen würde ich diesen nur in moderatester Form befürworten. Dies wäre sonst dem Ziel, knappe Ressourcen tatsächlich wieder verstärkt in die Kernaufgaben Forschung und (Studierenden-)Lehre zu investieren, entgegengestellt. Als Teil wissenschaftlicher Lehre könnte Wissenschaftskommunikation aber eine spannende neue Aufgabe sein.

 

Danksagung

Mein Dank gilt Jan Cloppenburg, Kristina Pelikan und Martin Grund sowie der Redaktion von Wissenschaftskommunikation.de für kritische Kommentierung früherer Versionen des Beitrags.

 

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.