Wir fragen Markus Weißkopf, Geschäftsführer von Wissenschaft im Dialog, was Wissenschaftskommunikation und Wissenschafts-PR für ihn sind, ob er eine Grenze zur Öffentlichkeitsarbeit sieht und wie er sich die Zukunft der Wissenschafts-PR vorstellt.
Fünf Fragen an Markus Weißkopf
Was fällt deiner Meinung nach unter den Oberbegriff „Wissenschaftskommunikation“ ?
Uff – eine einfache Frage zum Start, oder? Na ja, zunächst mal würde ich zwischen der internen und der externen Wissenschaftskommunikation unterscheiden. Wir beschäftigen uns hier bei Wissenschaft im Dialog ja mit der externen Kommunikation, die sich nach außen, an verschiedene gesellschaftliche Gruppen richtet. Dazu gibt es in jedem Fall den Wissenschaftsjournalismus, die Wissenschafts-PR, die Kommunikation von forschungsintensiven Unternehmen und das Wissenschafts-Marketing. Außerdem sind da noch die Streitfälle. Es gibt wirklich „freie“ Blogger oder Youtuber, die nicht mehr in der Wissenschaft sind oder es nie waren, aber über diese berichten. Und dann gibt es Wissenschaftler, die in Blogs, auf Facebook oder in Vorträgen ohne Unterstützung der PR kommunizieren. Aber sind diese dann „frei“ oder gehören sie vielmehr doch zur PR? Sie arbeiten schließlich an und für eine Institution und vertreten im Zweifel deren Interessen. Also alles gar nicht so einfach und man sieht ja auch, dass selbst die Wissenschaft, die sich mit Wissenschaftskommunikation beschäftigt, hier keine einheitlichen Antworten bietet.12
Du bist Experte im Bereich der Wissenschafts-PR – was gehört für dich dazu?
Zur Wissenschafts-PR gehört für mich sämtliche Kommunikation, die im Namen einer oder mehrerer wissenschaftlicher Institutionen geführt wird oder seitens eines Angehörigen der Institution im Rahmen seiner Tätigkeit dort.
Welche Rolle spielt die PR für die Wissenschaftskommunikation? Was ist „PR“ und was „Öffentlichkeitsarbeit“? – eine kurze Begriffsklärung
Öffentlichkeitsarbeit ist mehr oder weniger der deutsche Begriff für Public Relations. So würde ich das zumindest sehen. PR spielt eine große Rolle, wenn es darum geht, aktiv Prozesse und Erkenntnisse aus den wissenschaftlichen Einrichtungen nach außen zu tragen. Im Sinne der Definition von Public Relations sollte sie aber auch eine Schnittstelle für den umgekehrten Weg darstellen und Themen, Kritik und Wünsche seitens der Bürger oder auch der Wirtschaft in die Wissenschaft hineintragen. Dabei ist sie eben aber immer interessengebunden und kommuniziert meist auch nicht nur einen wissenschaftlichen Inhalt sondern auch Informationen zur eigenen Institution und zu übergeordneten, strategisch wichtigen Themen. Insgesamt ist sie im Idealfall in ihrer Tätigkeit strategisch. Das bedeutet, dass ihre Aktivitäten einer Gesamtstrategie unterworfen sind. Auch das unterscheidet sie in der Regel vom Journalismus oder der freien Szene.
Wo siehst du aktuell die größten Herausforderungen für Wissenschaftskommunikation im Allgemeinen und speziell für die PR und wie müsste man diese angehen?
Wie viel Platz haben wir? Tatsächlich ist die Liste der Herausforderungen im Moment extrem lang. Interessant ist, dass wir eigentlich auch schon vor Trump und Co. über ein Schwinden des Vertrauens in die Wissenschaft diskutiert haben (siehe Siggener Papiere 2013 und 2014). Und auch damals haben wir bereits festgestellt, dass es hier keine einfachen Antworten gibt. Natürlich müssen wir versuchen, alternativen Fakten etwas entgegenzusetzen. Doch dies kann nur ein Teil der Strategie sein. Vielmehr muss es doch ein Ziel sein, dass eine große Mehrheit der Bürger alternative Fakten als solche erkennt und ablehnt sowie gleichzeitig wissenschaftliches Wissen und wissenschaftliche Methoden wertschätzt. Dafür wollen wir mehr Menschen erreichen als bisher. Und wir müssen mit Ihnen ins Gespräch kommen und sie nicht nur mit unseren Botschaften zumüllen. Wir sollten den Menschen auch erklären, wie Wissenschaft funktioniert, was Wissenschaft leisten kann und was nicht – und damit vielleicht auch das eine oder andere Heilsversprechen mal weglassen. Ganz besonders wichtig scheint es mir, die Methodenkompetenzen bei jungen Menschen zu stärken. Diese sind die Basis um im lebenslangen Lernen zu bestehen und um in der Fülle der Informationen da draußen die vertrauenswürdigen herauszufiltern.
Und bei alledem ist natürlich eine große Herausforderung, dass wir heute eine irre Vielfalt an Kanälen bedienen müssen und dass das kleine Wörtchen „zielgruppengerecht“ als Anspruch an eine erfolgreiche Kommunikation heute so viel mehr bedeutet, als noch vor 10 oder 15 Jahren…
Also – viel zu tun in dieser Zeit. Aber total spannend. Und immens wichtig.
Wie stellst du dir Wissenschafts-PR in 10 Jahren vor?
Wer weiß, vielleicht leben wir dann in einem neuen, anderen Medienequilibrium und müssen nicht alle zwei Monate dem nächsten Trend hinterherhecheln? Aber das können wir natürlich nicht beeinflussen.
Was wir in der Wissenschafts-PR beeinflussen können, ist zum Beispiel die strategische Positionierung der Kommunikation in den Organisationen. Das bedeutet, dass wir es schaffen, Kommunikation sowohl in den Strukturen an den strategischen Stellen zu verankern, als auch Kommunikation prominent in Leitbildern und Strategiepapieren zu platzieren. Es ist natürlich schön, dass sich jetzt der Wissenschaftsrat auch mit Kommunikation beschäftigt3 – aber das kann durchaus noch mehr werden. Ich erhoffe mir Kommunikationschefs, die in den Präsidien und Vorständen sitzen und Wissenschaftskommunikation als festen Bestandteil von Leitbildern, Strategiepapieren und öffentlichen Statements einrichten – das wäre eine wichtige Entwicklung.
Darüber hinaus stelle ich mir vor, dass die Akteure in der Wissenschaftskommunikation endlich wirklich strategisch zusammenarbeiten. Wenn z. B. ein neues, potenziell kontroverses Wissenschaftsthema auftaucht, dann gibt es ein Prozedere, wie dieses kommunikativ behandelt wird. Wir arbeiten dann in der informellen (außerschulischen) Bildung abgestimmt und unter hohen Qualitätsstandards. Das bedeutet, dass wir uns nicht nur innerhalb der Wissenschaftskommunikation abstimmen müssen, sondern wirklich raus aus unseren Stakeholdersilos gehen und mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, Kultur, Politik und Wirtschaft ins Gespräch kommen aber vor allem eine nachhaltige Zusammenarbeit aufbauen.
Wenn wir diese Dinge schaffen, dann können wir einen guten Teil dazu beitragen, dass Vertrauen in die Wissenschaft und wissenschaftliches Arbeiten erhalten bleibt und Wissenschaft entsprechend weiterhin eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft wahrnimmt.