Warum aggressive Sprache schaden kann und die meisten Menschen sich sachliche Informationen wünschen: Über die Vertrauenswürdigkeit von Forschenden in Zeiten der Covid-19-Pandemie. Ein Gastbeitrag des Psychologen und Kommunikationswissenschaftlers Lars König.
Wissenschaftskommunikation im Krisenmodus?
Seitdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hat, überschlagen sich weltweit die Meldungen über die neuartige Atemwegserkrankung Covid-19 (coronavirus disease 2019). Spätestens seit sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder auf ein Verbot von Zusammenkünften in der Öffentlichkeit von mehr als zwei Personen geeinigt hat, scheint auch in Deutschland ein Großteil der Bevölkerung den Ernst der Lage erkannt zu haben. Mit dem sich einstellenden Problembewusstsein kommen allerdings auch eine Reihe von Fragen in der Bevölkerung auf. Diese sind zum Teil ganz praktischer Natur, etwa wenn es um die neue Gestaltung des Familienlebens oder die Organisation des Arbeitsalltags im Homeoffice geht. Die Beantwortung solch praktischer Fragen ist oftmals zeitaufwändig und erfordert organisatorisches Geschick. Im Allgemeinen gelingt es den meisten Menschen aber, adäquate Antworten zu finden.
Schwieriger wird es allerdings bei spezifischeren Fragen, die sich auf die Atemwegserkrankung Covid-19 beziehen. Beispielsweise fragen sich viele Menschen, warum gerade das neue Coronavirus SARS-CoV-2 weitaus mehr Menschen infiziert als das bereits aus dem Jahr 2003 bekannte SARS-Coronavirus. Die Beantwortung solcher Fragen ist deutlich schwieriger, weil hierfür Fachwissen aus den Naturwissenschaften und der Medizin nötig ist. Der Großteil der Bevölkerung ist zur Beantwortung solch spezieller Fragen auf die Hilfe von Expertinnen und Experten angewiesen. Insbesondere bei neuartigen Erkrankungen kann es dabei jedoch vorkommen, dass widersprüchliche und unpräzise Informationen im Umlauf sind. Ein Grund hierfür kann sein, dass die aktuelle Evidenzlage noch keine eindeutigen Aussagen zulässt. Eine andere Möglichkeit ist allerdings, dass gezielt Falschinformationen und Verschwörungstheorien verbreitet werden. Gerade über das Internet können solche Falschinformationen eine große Zahl von Menschen erreichen, weil soziale Netzwerke und Gesundheitsforen vielfach nur einer geringen oder keiner Qualitätskontrolle unterliegen.
In einer dieser Untersuchungen sahen die Probandinnen und Probanden das Video einer Podiumsdiskussion über die Wirksamkeit von Antidepressiva. Hier wurde ein Wissenschaftler als weniger vertrauenswürdig wahrgenommen, wenn er einen aggressiven Sprachstil verwendete und beispielsweise sagte: „Dementsprechend war Herr Beckers Vorgehen aus methodischer Sicht hier nicht korrekt, sondern inkompetent und naiv“. Neben Aggressivität kann allerdings auch ein zu enthusiastischer Sprachstil die Vertrauenswürdigkeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern senken. Das zeigt eine Studie zu Gesundheitsforen, in der wir eine Onlinedebatte über neue Technologien zur Diagnose von Krankheiten fingiert haben. Schrieb dort ein Forscher Sätze wie „Das zweite Ergebnis – was ich super interessant finde –ist folgendes …“, wirkte sich das negativ auf die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen aus, verglichen mit derselben Aussage ohne den Einschub. Auch der Wissenschaftler selbst erschien als weniger informiert und als manipulativer, wenn er mit offensichtlicher Begeisterung von seinen Erkenntnissen berichtete.
Viele Forschende scheinen das schon heute intuitiv zu beherzigen. Das derzeit wohl prominenteste Beispiel hierfür ist Professor Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité. In einem vom Norddeutschen Rundfunk produzierten Podcast beantwortet er aktuelle Fragen rund um das Thema Covid-19. Die behandelten Themen variieren von Tag zu Tag, seine Antworten gibt Drosten allerdings immer auf die gleiche Art und Weise: Neutral, sachlich und ruhig. Wie gut diese Art der Informationsvermittlung bei den Hörern ankommt, zeigt sich anhand der zahlreichen und fast ausschließlich positiven Bewertungen der Podcastepisoden.
Eine objektive und unaufgeregte Informationsvermittlung scheint auch in anderen Bereichen als der Gesundheitskommunikation Vertrauen zu schaffen. Während des Anschlags von München im Jahr 2016, als ein 18-jähriger Schüler neun Menschen tötete, war die Nachrichtenlage zunächst äußerst unübersichtlich. Über die sozialen Medien verbreiteten sich zahlreiche Gerüchte, die teils zu voreiligen Schlüssen führten. Allerdings hat eine Person in dieser Situation die Ruhe bewahrt und auf ihren Sprachstil geachtet: der Pressesprecher der Münchner Polizei, Marcus da Gloria Martins. Er hat die Bevölkerung sachlich und ruhig über den aktuellen Erkenntnisstand aufgeklärt. Im Nachgang erfuhr Martins viel Zuspruch für seine besonnene Informationsvermittlung und die Presse lobte ihn als „Ruhepol“ im Münchner Chaos.
Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.