Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im November 2019

Argumente von Klimawandelleugnern, Medienberichte über UN-Klimakonferenzen und Fact-Checking auf Facebook: Mit diesen Themen beschäftigen sich die Studien im heutigen Forschungsrückblick.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Wie Klimawandelleugner denken

Wie begründen Menschen, die nicht an die globale Erwärmung (oder den menschlichen Einfluss darauf) glauben, eigentlich ihre ablehnende Haltung? Wie rational sind ihre Argumente? Das versuchten die Soziologinnen Dilshani Sarathchandra und Kristin Haltinner von der University of Idaho in einer neuen Studie herauszufinden.

Methodik: Die Forscherinnen befragten 33 Personen, die sich auf einen Aushang im Supermarkt oder eine Anzeige auf Facebook hin bei ihnen gemeldet hatten. Alle bezeichneten sich selbst als „skeptisch“ gegenüber einem menschengemachten Klimawandel. In einem ausführlichen Interview, das zwischen 30 und 120 Minuten dauerte, sollten die Teilnehmenden ihre Position begründen. Die Protokolle unterzogen die Wissenschaftlerinnen anschließend einer Inhaltsanalyse.

Ergebnisse: Vier Themen und Argumente spielten in den Gesprächen eine wichtige Rolle:

  1. Falsche Anreize für Forschende: Viele Befragte meinten, dass in der aktuellen Klimawissenschaft kein Widerspruch möglich sei und Forschende, die sich nicht der Mehrheitsmeinung anschließen, bestraft würden. Daher würden fast alle kooperieren – teils sogar im Wissen darum, dass es gar keinen Klimawandel gebe –, um Drittmittel zu erhalten, in renommierten Zeitschriften publizieren zu können und insgesamt ihre Karriere nicht zu gefährden.
  2. Methodische Mängel: Die Skeptikerinnen und Skeptiker warfen Klimaforschenden methodische Fehler vor, etwa Korrelation und Kausalität zu vermischen oder nur Ergebnisse zu beachten, die ihre Annahmen bestätigen. Vor allem die Modellierung von Klimaprozessen sahen viele kritisch, da sie entweder nicht auf genügend Daten basiere oder das Vorgehen beliebig sei.
  3. Exklusivität: Die Interviewten monierten auch, dass Forschende sich kompliziert äußern, weshalb wissenschaftliche Laien sie nicht verstehen könnten, und sie untereinander einen „exklusiven“ Club bildeten. Ein Befragter, der nicht in der Wissenschaft arbeitete, beschwerte sich etwa darüber, dass er die Ergebnisse seiner „unabhängigen Forschung“ nicht auf einem Kongress für Atmosphärenwissenschaften vorstellen durfte.
  4. Anerkennung wissenschaftlicher Autorität: Auch die Skeptikerinnen und Skeptiker bezogen sich in ihrer Argumentation häufig auf wissenschaftliche Autorität. Sie fanden etwa durchaus, dass sich die Politik bei ihren Entscheidungen an Erkenntnissen aus der Forschung orientieren sollte – aber eben nur, wenn es sich um „anerkannte und echte Wissenschaft“ handelt, was in der Klimaforschung aus ihrer Sicht meistens nicht der Fall ist.

„Skepsis gegenüber den Erkenntnissen der Klimaforschung hat viele Facetten und muss auch nicht mit einer grundsätzlichen Ablehnung von Wissenschaft einhergehen.“
Schlussfolgerungen: Skepsis gegenüber den Erkenntnissen der Klimaforschung hat viele Facetten und muss auch nicht mit einer grundsätzlichen Ablehnung von Wissenschaft einhergehen. Stattdessen standen die meisten Befragten der Wissenschaft per se positiv gegenüber, waren aber der Meinung, dass vor allem die Klimaforschung in einer Krise steckt und die Mechanismen der wissenschaftlichen Selbstkorrektur dort nicht mehr greifen. Zumindest diese Befragten könnten nach Ansicht der Forscherinnen vielleicht überzeugt werden, wenn man ihnen noch stärker als bisher die Methoden der Klimaforschung erklären und die Redlichkeit der beteiligten Forscherinnen und Forscher betonen würde.

Einschränkungen: Es wurden nur Versuchspersonen befragt, die sich selbst bei den Forscherinnen gemeldet hatten. Die resultierende Stichprobe war nicht nur relativ klein, sondern auch eher homogen (weiß, männlich und konservativ). Allerdings weisen die Wissenschaftlerinnen selbst darauf hin, dass es ihnen weniger um die Generalisierbarkeit der Ergebnisse ging als vielmehr darum, Hinweise darauf zu erhalten, mit welchen Argumenten und Annahmen Klimaskeptikerinnen und -skeptikern arbeiten.

Sarathchandra, D. & Haltinner, K. (2019). Trust/distrust judgments and perceptions of climate science: A research note on skeptics’ rationalizations. Public Understanding of Science.https://doi.org/10.1177/0963662519886089

Wie man Fehlinformation korrigiert

Egal, ob es um Erziehung, Gesundheit oder Politik geht: Das Internet und insbesondere die ungefilterte Kommunikation in sozialen Netzwerken bieten einen idealen Nährboden für die Verbreitung von Falschinformationen. Die Kommunikationswissenschaftlerin Holli Seitz und die Neurobiologin Ciarra Smith von der Mississippi State University untersuchten nun, wie effektiv die Widerlegung von fehlerhafter Information aus der Hirnforschung auf Facebook ist.

Methodik: Die Forscherinnen widmeten sich drei „Neuromythen“, also Fehlannahmen über Erkenntnisse der Hirnforschung: 1. Kinder müssen erst eine Sprache richtig beherrschen, bevor sie eine zweite Sprache lernen, sonst meistern sie keine Sprache richtig; 2. Wir nutzen nur zehn Prozent unseres Gehirns; und 3. Personen, bei denen die linke oder die rechte Hirnhälfte dominant arbeiten, lernen unterschiedlich. Insgesamt 744 Probandinnen und Probanden wurden zweimal befragt. Dazwischen bekamen sie verschiedene fingierte Facebook-Postings angezeigt. Im ersten war stets ein Artikel verlinkt, der vermeintlich in der renommierten Zeitung The Washington Post erschienen war und den jeweiligen Mythos stützte. Dann folgten zwei weitere Medienbeiträge, die angeblich von Snopes.com und der American Medical Association stammten. Darin wurde derselbe Mythos entweder bestätigt oder entkräftet (oder in unterschiedlicher Reihenfolge erst das eine, dann das andere).

Nutzen wir nur zehn Prozent unseres Gehirns? Gibt es Lerntypen, bei denen entweder die rechte oder die linke Hirnhälfte dominant ist? Diese und andere Annahmen gehören ins Reich der „Neuromythen“. Foto: Robina Weermeijer

Ergebnisse: Bekamen die Versuchspersonen unmittelbar nach einem Artikel, der einen Mythos bestätigte, zwei Beiträge zu lesen, in denen die Fehlinformation richtiggestellt wurde, hatte das eine korrigierende Wirkung auf ihre Überzeugungen. Widersprachen sich die beiden weiteren Artikel, wurde die Fehlannahmen zumindest nicht weiter bekräftigt. Das hingegen war der Fall, wenn auch die beiden folgenden Beiträge den Mythos aufgriffen und wiederholten – oder aber völlig andere Themen behandelten.

Schlussfolgerungen: Eine sofortige Korrektur von Unwahrheiten kann diesen Ergebnissen zufolge verhindern, dass sich falsche Information in den Köpfen festsetzt. Offenbar macht es die Empfänger der Botschaft misstrauischer und bringt sie dazu, sich kritischer mit einer Behauptung auseinanderzusetzen, vermuten Smith und Seitz. Dies spreche dafür, dass eine Faktenkorrektur auf Social Media – durch Faktenchecker, Journalisten oder andere, die unmittelbar auf eine Desinformation reagieren – die Verbreitung von Fehlinformation zumindest eindämmen kann.

Einschränkungen: Die Studie nutzte stets dieselbe Auswahl von Medien, aus denen die drei fingierten Artikel stammten. Die Washington Post zum Beispiel gilt als eher liberal. Das könnte politisch konservativ eingestellte Teilnehmende in besonderer Weise beeinflusst haben, was aber nicht erfasst wurde. Außerdem war den Probandinnen und Probanden bewusst, dass sie die Artikel im Rahmen einer Studie lasen und daher vermutlich auch, dass diese fingiert sein könnten. Inwieweit das Ergebnis auch im Alltag oder bei einer breiteren Stichprobe der Bevölkerung zutrifft, ist daher noch unklar.

Smith, C. N. & Seitz, H. H. (2019). Correcting misinformation about neuroscience via social media. Science Communication, 41, 790–819. https://doi.org/10.1177/1075547019890073

Wie Berichte über Klimakonferenzen wirken

Die Klimakonferenzen der Vereinten Nationen – wie die jüngst spektakulär gescheiterte Zusammenkunft in Madrid – sind nicht nur politisch bedeutsam, sondern gleichzeitig ein Medienereignis. Wie die Berichterstattung über eine „Conference of the Parties“ (COP) die öffentliche Meinung in den Niederlanden beeinflusst, wollte ein Team um die Kommunikationswissenschaftlerin Anke Wonneberger von der Universität Amsterdam in einer aktuellen Veröffentlichung herausfinden.

Methodik: Die Forschenden hatten eine Stichprobe von 876 Personen vor und nach der 21. Weltklimakonferenz (COP 21) befragt, die vom 30.11. bis 12.12.2015 in Paris stattfand. Die Teilnehmenden waren in Bezug auf ihr Alter, ihr Geschlecht und ihren Bildungsstand ähnlich zusammengesetzt wie die erwachsene niederländische Bevölkerung. Zunächst identifizierte das Forschungsteam nach der ersten Befragung per Clusteranalyse verschiedene Segmente der Bevölkerung. In der zweiten Welle, nach dem Ende der Klimakonferenz, ging es darum, wie stark die Befragten der Berichterstattung in 25 Medien gefolgt waren und wie sich ihre Einstellungen dadurch möglicherweise verändert hatten.

Weltklimakonferenzen sind auch Medien-Großereignisse – auch wegen der künstlerischen Aktionen und Proteste rund um die Veranstaltung. Hier ein Flashmob jugendlicher Klimaschützer während der COP 21 in Paris im Jahr 2015. Foto: UNclimatechange, CC BY 2.0

Ergebnisse: Die Forschenden teilten die Stichprobe – stellvertretend für die niederländischen Bevölkerung – in fünf Segmente ein. Diese unterschieden sich darin, als wie bedeutsam und bedrohlich sie den Klimawandel wahrnehmen, welches Interesse sie am Thema haben, wie sie zu politischen Maßnahmen für mehr Klimaschutz stehen und wie klimafreundlich sie sich selbst künftig verhalten möchten: Die „Alarmierten“ (16 Prozent der Bevölkerung), die „Besorgten“ (11 Prozent), die „Vorsichtigen“ (30 Prozent), die „Desinteressierten“ (26 Prozent) und die „Skeptiker“ (16 Prozent).

Nach COP 21 hatten 16 Prozent der Befragten in ein Segment mit stärkerem Klima-Engagement gewechselt, etwa von den „Vorsichtigen“ zu den „Besorgten“. Vor allem ältere Personen und solche, die sich von vorneherein eher als politisch links eingestuft hatten, interessierten sich nun mehr für das Thema. Neunzehn Prozent dagegen wechselten in eines der weniger interessierten oder skeptischeren Segmente, vor allem jüngere und weniger gebildete Teilnehmende.

Auf die „vorsichtigen“ Probandinnen und Probanden, die in der Frage des Klimawandels anfangs eher unentschlossen waren, wirkte sich dabei die Berichterstattung über die UN-Konferenz positiv aus: Je mehr Aufmerksamkeit sie nach eigenen Angaben den Medienberichten zu COP 21 geschenkt hatten, desto wahrscheinlicher war es, dass sie anschließend zu den besorgteren und engagierteren Bürgerinnen und Bürgern gehörten. Auf die Gruppe der Skeptikerinnen und Skeptiker allerdings hatte verstärkter Medienkonsum genau den gegenteiligen Effekt: Sie wechselten umso seltener in die Riege der Klimabewegten, je intensiver sie die Berichterstattung über den Kongress verfolgt hatten.

Schlussfolgerungen: Dieser Analyse zufolge gibt es in den Niederlanden fünf Bevölkerungssegmente, mit einem – im Vergleich zu anderen Ländern – recht großen Anteil an „vorsichtigen“ oder unentschlossenen Bürgerinnen und Bürgern. Die Berichterstattung über eine Weltklimakonferenz hatte darauf einen insgesamt eher kleinen Effekt. Einige der Unentschlossenen interessieren sich fortan stärker für den Klimaschutz, wer jedoch von vorneherein zweifelte, den vermochte zu große Aufmerksamkeit für das Event nicht zu überzeugen. Während eher neutrale Bevölkerungsteile von der aktuellen Art der Berichterstattung also zu einer positiven Einstellungsänderung angeregt werden können, müssten Skeptikerinnen und Skeptiker wohl mit anderen Botschaften als bisher angesprochen werden, so die Forschenden um Wonneberger.

Einschränkungen: Der Medienkonsum der Befragten rund um die Klimakonferenz wurde nicht direkt gemessen, sondern rückblickend erfragt. Die Erkenntnisse müssten daher mit experimentellen und besser kontrollierten Ansätzen kombiniert werden, geben die Forschenden zu bedenken. Es wäre auch interessant gewesen, zu verfolgen, wie stabil die Zugehörigkeit der einzelnen Versuchspersonen zu den Segmenten überhaupt ist, um die Ergebnisse besser einordnen zu können – und auch später noch einmal zu prüfen, wie nachhaltig die Veränderung durch die COP-21-Berichterstattung war.

Wonneberger, A., Meijers, M. H. C. & Schuck, A. R. T. (2019). Shifting public engagement: How media coverage of climate change conferences affects climate change audience segments. Public Understanding of Science. https://doi.org/10.1177/0963662519886474

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Aus welchen Motiven marschieren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beim „March for Science“? Forschende aus Hamburg und Jena haben dazu die Ergebnisse einer kleinen Fokusgruppen-Befragung veröffentlicht: Offenbar dominiert der Wunsch nach stärkerer Trennung von Fakten und Meinungen und nach größerer Wertschätzung der Wissenschaft. Protest gegen die Regierung von US-Präsident Trump spielt dagegen hierzulande eine untergeordnete Rolle.

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„Der Sender Fox News dominiert die Debatte um Abtreibungen im US-Fernsehen. Auf CNN und MSNBC gibt es zwar weniger Desinformation, aber dort wird das Thema seltener diskutiert.“
Mit ethischen Fragen in der Wissenschaftskommunikation beschäftigt sich ein neues Buch von Fabien Medvecky und Joan Leach, vom „Verkaufen“ von Wissenschaft bis zum Einfluss der Finanzierung von Projekten auf die Kommunikation.

Acht mögliche Ziele von Wissenschaftskommunikation beschreibt ein neuer Aufsatz in Frontiers in Communication: von der Förderung des Wissenschaftsverständnisses in der Bevölkerung über die bis zur besseren demokratischen Legitimation von Wissenschaft.

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Die Kurzmeldungen zur Wissenschaftskommunikationsforschung erscheinen alle 14 Tage im Panoptikum.