Physikprofessorin Katharina Theis-Bröhl nutzt Sketchnotes in allen Lebenslagen und gibt Visualisierungskurse für Studierende. Was das Format für die Lehre und die Wissenschaftskommunikation leisten kann und wann eine Infografik besser ist, erklärt sie im Interview.
Mit Sketchnotes Wissen entschlüsseln
Frau Theis-Bröhl, wie nutzen Sie das Format Sketchnotes in Ihrer Arbeit als Physikprofessorin?
Ich benutze Sketchnotes eigentlich für alles. Was ich aufschreibe, notiere ich als Sketchnotes – im Meeting, in Vorträgen oder auch bei Aufzeichnungen zu Artikeln, welche ich lese. Außerdem fertige ich oft Sketchnotes zu bestimmten Themen an, die mich interessieren, in letzter Zeit verstärkt zum Klimawandel. Das heißt, ich schreibe keine Zeilen, sondern sortiere Informationen in kleine Päckchen, die ich mit visuellen Elementen ergänze. Dadurch wird die Information übersichtlicher und man kann sich Sachen besser merken und sie leichter verstehen.
Was hat Sie motiviert, diese Technik zu lernen und anzuwenden?
Ein Forscherkollege aus den USA hat einmal eine Sketchnote zu einer meiner Veröffentlichungen gemacht. Dazu sind wir dann ins Gespräch gekommen. Er hat mir erklärt, dass ihm die Methode hilft, fokussierter zuzuhören und so mehr aus Vorträgen mitzunehmen. Wenn man die Informationen dann auch noch visuell umsetzt, lernt man zusätzlich, das Gehörte schnell zu abstrahieren und in Kontexte zu setzen und kann sich Inhalte besser einprägen. Das ist die Grundidee.
Daraufhin habe ich mir ein Buch dazu besorgt und selbst angefangen, mir neue Themen immer mehr in Form von Sketchnotes zu erarbeiten. Notizen habe ich einfach durch diese Technik ersetzt und mir dadurch ein großes Bildvokabular angeeignet. Dafür legen die meisten Sketchnoterinnen und Sketchnoter ein Buch mit immer wiederkehrenden Visualisierungen und deren Bedeutungen an. Es gibt aber auch Bücher mit solchen Bildvokabeln.
Wie haben Sie Sketchnotes dann in Ihre Lehre integriert?
Mir war schnell klar, dass diese Technik auch für meine Studierenden sehr gut funktionieren kann. So habe ich zum Beispiel die Inhalte meiner Vorlesung „Fundamentals of Solar Energy“ im Sketchnoteformat erarbeitet und als Buch drucken lassen. Ich arbeite seitdem kaum noch mit Präsentationen, sondern versuche, ein gutes Tafelbild zu produzieren und fordere die Studierenden auf, immer mitzuschreiben. Ich habe auch verschiedenen Sketchnote-Workshops mit deutschen und internationalen Sketchnotern organisiert und dadurch einige Kollegen „infiziert“. Seit drei Jahren gebe ich auch Wahlpflichkurse zum Thema „Visuelle Notizen“.
Wie viel aufwendiger ist das Format im Vergleich zu einer Präsentation mit Text und Bildern?
Es ist schon aufwendiger. Gerade habe ich eine ganze Vorlesung zum Thema Klimawandel mit Sketchnotes vorbereitet. Für manche Folien brauchte ich einen ganzen Abend, weil ja alles handgezeichnet wird und das eben seine Zeit braucht, wenn es ordentlich aussehen soll. Manchmal muss man auch erst einmal nachdenken, wie man etwas am besten visualisiert und wie die Struktur auf dem Blatt aussehen soll. In diesem Falle sollte man auch aufpassen, dass die Sketchnotes für andere nicht verwirrend sind, weil die Informationen sehr dicht gepackt sind. Es macht einen großen Unterschied, ob ich nur für mich selbst zeichne oder für ein größeres Publikum. Sketchnotes für sich selbst muss man auch nur selbst verstehen, egal wie verwirrend oder unübersichtlich sie für andere erscheinen.
Warum lohnt sich dieser Aufwand?
Weil man sich selbst bis ins Detail mit einem Thema auseinandersetzen muss, um es zeichnen zu können. Ich arbeite in meiner Forschung zum Beispiel mit Core/Shell-Nanopartikeln, an deren Kerne etwa langkettige Moleküle als Liganden angedockt sind, welche die Hülle bilden. Um diese zu zeichnen, muss ich bis ins letzte Detail verstanden haben, wie sie aufgebaut sind. Erst dann kann ich sie korrekt visualisieren und so auch Rückfragen dazu bis ins Detail beantworten.
Außerdem sind die Zeichnungen zugänglicher als eine normale Präsentation. Die Zuhörenden können sich besser konzentrieren, wenn sie sich an der Zeichnung entlanghangeln. Von den Studierenden höre ich außerdem oft, dass sie durch das Mitzeichnen viel mehr aus den Vorlesungen mitnehmen. Sie lernen, fokussiert zu bleiben, nicht abzuschalten und können die Technik auch in andere Seminare und Vorlesungen mitnehmen.
Was können Sketchnotes für die Wissenschaftskommunikation leisten?
Da wird es schon schwieriger. Zunächst einmal ist es eine Technik, mit der man sich selbst Wissen erschließen kann. Sketchnotes sehen natürlich toll aus und man kann sie gut in sozialen Netzwerken posten. Aber in erster Linie zeichnet man für sich selbst. Man könnte also zum Beispiel die Technik zusätzlich zu einem bestimmten Inhalt vermitteln. Oder man nutzt sie zur Illustration eines Vortrages. Als ich kürzlich in Paris auf der International Conference on Magnetic Fluids war, habe ich meinen Vortrag auch in Sketchnoteform gehalten. Dafür habe ich sehr viel positive Kritik bekommen. Außerdem notiere ich zu jedem Vortrag, in dem ich sitze, eine Seite über den Inhalt in Sketchnoteform. Jeder, der das zufällig gesehen hat, war davon vollkommen begeistert.
Wenn man nur über Sketchnotes Wissen weitergeben will, muss man das schon bei der Konzeption berücksichtigen. Man muss vermitteln, was bestimmte Symbole und Zeichen bedeuten und schon beim Aufbau daran denken, der anderen Person den eigenen Gedankengang zu verdeutlichen. Da ist man dann schon schnell im Bereich der Info- oder Edugraphic, die als Format auch für sich selbst stehen können.
Welche Tipps würden Sie Einsteigerinnen und Einsteigern geben, um mit dem Sketchnoten zu starten?
Man kann entweder einen Kurs besuchen oder sich mit Büchern in das Thema einarbeiten. Wichtig ist aber, dass man einfach anfängt, viel übt und immer wieder neue Bildvokabeln erlernt.