Alexander von Humboldts Gedanken zu Natur- und Artenschutz sind so aktuell wie vor Jahrhunderten. Darum reist die Casa Cultural Colombo Alemana Cartagena im Humboldtjahr mit Forschenden und Kunstschaffenden durch Kolumbien und bringt dabei Wissenschaft mit gesellschaftlichen und ökologischen Debatten zusammen.
„Ruta Humboldt“ – eine Reise für Nachhaltigkeit und Biodiversität
Frau Thirkettle, zum 250. Geburtstag von Alexander von Humboldt organisieren Sie ein ganzes Jahr Projekte, die sich mit seiner Forschung und Entdeckungen in Kolumbien beschäftigen – und die direkt vor Ort stattfinden. Was steht auf dem Programm?
Wir folgen Humboldts Spuren in Kolumbien mit einer Reise. Er ist damals zuerst an San Antero vorbeigefahren und von dort über mehrere Zwischenstationen wie Cartagena bis ins Landesinnere gereist. Diesen Weg wollen wir nachfahren und unterwegs Veranstaltungen mit verschiedenen Gästen anbieten zu Themen, die sich an Humboldts Arbeit orientieren, diese aber mit aktuellen Fragestellungen verbinden.
Was passiert an den einzelnen Stationen?
Wir reisen gemeinsam mit Forschenden, Künstlerinnen und Künstlern, Umweltaktivistinnen und -aktivisten und Leuten, die sich mit nachhaltigem und bevölkerungsfreundlichem Tourismus beschäftigen. Ihre Arbeit verbinden wir mit Themen, die auch Humboldt schon interessiert haben. Er hat sich zwar noch nicht mit nachhaltigem Tourismus beschäftigt, aber damals schon darüber geschrieben, welche Auswirkungen der Kolonialismus etwa auf die Flussläufe oder den Reisanbau der Region hatte. Das verbinden wir mit ähnlichen Entwicklungen, die wir in der heutigen Zeit beobachten können. Dabei wollen wir möglichst viele Teile der Zivilgesellschaft einschließen und vor Ort auch mitnehmen.
Wie wollen Sie die Bevölkerung mit diesen Themen erreichen?
Wir gehen zum Beispiel in Schulen und organisieren dort Ausstellungen, die zum größten Teil von den Deutschen Botschaften bereitgestellt werden. Es gibt eine Graphic Novel und Comicausstellung zu Humboldt, verschiedene Webausstellungen. Das nehmen wir alles mit, aber am Ende entscheiden die Lehrkräfte, was wir bei ihnen genau machen sollen. Genauso gehen wir in den Dorfgemeinschaften vor, die wir besuchen. Wir haben sie angeschrieben und nach ihren Wünschen gefragt. Das heißt, wir haben kein vorgefertigtes Programm, das wir überall durchführen, sondern wir machen mit jeder Gemeinschaft das, was sie interessiert. Wir haben Filme im Gepäck, machen Lesungen, in denen wir zum Beispiel eine Schrift von Humboldt über die Flussläufe einem Werk zum selben Thema von Manuel Zapata Olivella aus dem 20. Jahrhundert entgegenstellen. Am liebsten kombinieren wir unser Material mit vor Ort vorhandenem und Bekanntem. So wie in San Antero, wo wir die auf der Reise entstandenen Karten Humboldts denen von Joaquín Francisco Fidalgo gegenüberstellen. Er bereiste die karibische Region Neu-Granadas von 1793 bis 1803 und einige Lehrkräfte haben sich mit ihm schon an der Schule beschäftigt. Davon erhoffen wir uns, dass sich die Jugendlichen schon vor, aber auch nach der Reise schulisch und gerne auch privat mit Humboldt beschäftigen. Wichtig ist uns dabei, nicht nur die Geschichte zu erzählen, sondern auch aktuelle Forschungsansätze zu vermitteln und die Menschen mit lokalen Forschungsinitiativen zu vernetzen.
Welche Forschungsprojekte beteiligen sich an der Reise?
Die Projekte beschäftigen sich mit ganz verschiedenen Themen wie Vulkanen, Astronomie, Kartografie oder Demokratisierungsprozessen. Interessierte Akademikerinnen und Akademiker und Studierende reisen jeweils ein paar Tage mit und können dabei auch eigenen Forschungsfragen nachgehen. Außerdem arbeiten wir mit lokalen Projekten zusammen, wie der Stiftung Asocaimán, die sich mit dem Schutz vielfach bedrohten Kaimane beschäftigt. Das ist ein Zusammenschluss von hauptsächlich Forschenden aus der Biologie, die sich mit dem Lebensraum der Tiere beschäftigen. Es sind aber auch einige Soziologinnen und Soziologen dabei, die Formen des nachhaltigen Tourismus für diesen Lebensraum entwickeln. Dabei geht es nicht nur um Umweltschutz, sondern etwa auch darum, neue Einkommensquellen für die Bevölkerung vor Ort zu schaffen. Die Menschen leben zum Teil davon, Kaimaneier zu sammeln und zu verkaufen, was natürlich schlecht für die Population der Tiere ist. Es gibt in der Region einige spannende Projekte zwischen Umweltschutz, Tourismus und Nachhaltigkeit, die aber noch Unterstützung und Vermittlung brauchen. Da wollen wir ansetzen und das wäre sicher auch im Sinne Humboldts gewesen.
Wie wird Alexander von Humboldt, der mit der europäischen Brille durch Kolumbien reiste, von der lokalen Bevölkerung gesehen?
Wer sich ein bisschen mit dem Werk Humboldts auskennt, weiß, dass er sich damals schon mit dem Raubbau der Kolonisten an Bevölkerung und Lebensraum kritisch auseinandergesetzt hat. Deshalb wird er in Kolumbien insgesamt sehr positiv gesehen. Außerdem ist er ja lange durch das Land gereist und hat sich intensiv damit beschäftigt. Das macht ihn zu einem guten Paten für viele Themen, die heute dringend und wichtig sind. Trotzdem ist er vor allem den gebildeten Schichten ein Begriff und wir wollen ihn auch in der breiten Bevölkerung noch bekannter machen. Das ist eines unserer großen Ziele für das Projekt.
Welche Ziele haben Sie noch?
Wir wollen die vielen Initiativen zum nachhaltigen Tourismus besser miteinander vernetzen. Zum Beispiel wollen wir sie dabei unterstützen, eine gemeinsame Plattform zu gründen und innerhalb des Landes noch bekannter zu werden. Hier ist die Kommunikation sehr unterschiedlich ausgeprägt. Personen, die etwa an renommierten Unis studieren oder arbeiten, sowie einige Initiativen und Kommunalräte (consejos comunitarios) sind oft gut informiert über aktuelle Entwicklungen und auch in der Forschungswelt ganz gut vernetzt. Sie werden zum Beispiel vom Deutschen Klimaschutzfonds gefördert und tauschen sich in regelmäßigen Treffen mit anderen Gemeinschaften aus. Die Bevölkerung im öffentlichen Bildungssystem oder ohne höheren Bildungsabschluss ist da aber oft komplett außen vor. Wissenschaftskommunikation für diese Gruppe findet fast gar nicht statt. Viele haben zwar täglich mit Naturschutz und mit Tieren zu tun. Initiativen etwa zur Erhaltung von Korallenriffen, Wald oder anderen Lebensräumen erreichen sie aber erst langsam. Darum legen wir großen Wert darauf, auch einfache Zugangswege zu aktueller Forschung zu vermitteln, etwa Videos, Social Media oder Webressourcen, die auch für Leute sichtbar, verständlich und interessant oder ansprechend sind, die nicht so gut lesen können.
Gibt es noch Möglichkeiten, bei der Reise dabei zu sein?
Ja, da gibt es drei Möglichkeiten: Akademikerinnen und Akademiker oder Kunstschaffende können sich bei uns melden und eine Veranstaltung anbieten, wie Lesungen oder Workshops. Denen können wir dann die Reise (teil)finanzieren. Die zweite Möglichkeit ist, dass sich studentische Projekte bei uns melden, die sich in diesem Rahmen vorstellen möchten. Das sollte dann zum Beispiel von der jeweiligen Uni finanziert werden. Außerdem können auch Touristen ganz oder ein Stück mitfahren oder bei einzelnen Programmpunkten dabei sein. Das kostet dann entsprechend dem Reisekomfort, den sich die Leute für diese Zeit wünschen. Wir hoffen aber noch eine vierte Option anbieten zu können, nämlich für Studierende der öffentlichen Universitäten der kolumbianischen Küste. Wir sind also noch auf der Suche nach Finanzierung, um auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs aus der Region eine Teilnahme zu ermöglichen.
Wie wird das Projekt und die Casa Cultural Colombo Alemana (CCCA) denn insgesamt finanziert?
Die CCCA finanziert sich in der Hauptsache über ihre Deutschkurse und ihre Prüfungs- und Fortbildungsangebote für Deutschlehrkräfte. Sie wird zudem vom Goethe-Institut gefördert und zählt zum Kreis der Kulturgesellschaften. Das Projekt „Ruta Humboldt“ wird wiederum aus vielen verschiedenen Quellen finanziert. Wir bieten den beteiligten Organisationen und Teilnehmenden eine Plattform zur besseren Sichtbarmachung ihrer Anstrengungen sowie Vernetzung mit Gleich- oder Ähnlichgesinnten. So tragen wir auch zur Optimierung ihrer Arbeitsprozesse bei und darum erhalten wir viele Leistungen (von der Kaimantour bis zur Übernachtung) zu Freundschaftspreisen und mit der berühmten kolumbianischen ñapa – dem Freundschafts- oder Sympathiezuschlag. Bei Übernachtungen bieten wir etwa stets drei Preiskategorien: für Studierende, Akademikerinnen und Akademiker und Touristinnen und Touristen an.
Die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bogotá fördert den Teil des Projektes, der sich der Zivilgesellschaft zuwendet, das Goethe-Institut fördert die akademisch ausgerichteten Veranstaltungen des Projekts. Einige touristische Teilnehmende finanzieren ihre Mitfahrt selbst, die Universidad del Norte und ein paar andere bieten ihren Akademikerinnen und Akademikern sowie Studierenden Stipendien an. Wir suchen dringend noch weitere Sponsoren, um weiteren von ihnen (vor allem der öffentlichen Unis Kolumbiens, die keine Stipendien anbieten, vielleicht sogar auch aus Deutschland oder Europa) ein Teilstipendium zur Teilnahme anbieten zu können.