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Wissenschaft für alle?! Zehn Erkenntnisse zur Ansprache neuer Zielgruppen

Wie kann Wissenschaftskommunikation mit bisher nicht erreichten Zielgruppen gelingen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das Projekt „Wissenschaft für alle“. Das Team identifiziert Hürden und Herausforderungen für Kommunikatorinnen und Kommunikatoren und erstellt daraus eine Diversity-Scorecard als Checkliste für Maßnahmen.


Wissenschaftskommunikation erreicht oftmals viele Teile der Bevölkerung nicht.1 Das ist ein Problem, denn es ist ein erklärtes Ziel von Politik und Forschungsinstitutionen, mit möglichst vielen Zielgruppen in Kontakt zu kommen.2 Wie kann nun also externe Wissenschaftskommunikation mit bisher nicht erreichten Gruppen funktionieren? Dieser Frage gehen wir vom Karlsruher Institut für Technologie* gemeinsam mit Wissenschaft im Dialog* und der Robert Bosch Stiftung im Projekt „Wissenschaft für alle“ nach. Nach einem Literaturreview haben wir dazu zunächst eine Typologie von Exklusionsfaktoren erstellt, die dazu führen, dass manche Personen oder Gruppen nicht erreicht werden.

Jetzt, in der zweiten Projektphase, arbeiten wir beispielhaft mit drei dieser Gruppen weiter: Berufsschülerinnen und Berufsschüler, sozio-ökonomisch benachteiligte Menschen in einem marginalisierten Stadtteil und muslimische Jugendliche mit Migrationshintergrund. In Interviews und Fokusgruppen haben wir mit ihnen über ihre Situation und ihre Sichtweisen auf Wissenschaft(-skommunikation) gesprochen, um nun gemeinsam Formate der Wissenschaftskommunikation zu konzipieren, umzusetzen und schließlich zu evaluieren. Wichtig ist uns dabei auch die Frage, welche übergreifenden Herausforderungen und Erkenntnisse man daraus ableiten kann. Bereits bei der Sichtung der vorhandenen Literatur konnten wir die ersten fünf Kernpunkte identifizieren, die sich auch in unseren eigenen Beobachtungen bestätigt haben:

1) Vor dem Machen erst mal zuhören

Sollen Maßnahmen nicht nur auf Basis von Vermutungen oder Stereotypen geplant werden, erfordert das eine Reflexion der eigenen Aktivitäten und Ziele und vor allem eine genaue Analyse beziehungsweise Kenntnis des bisher erreichten und nicht erreichten Publikums (ein Hilfsmittel dazu kann die später erläuterte Diversity Scorecard sein). Zum anderen gilt es zuzuhören und Fragen zu stellen: Wie nehmen andere Wissenschaft, Wissenschaftskommunikation oder auch einzelne Forschungsthemen wahr, welche Bedürfnisse äußern sie, welche Wünsche?3 Auch wenn die Antworten nicht umsetzungsreif formuliert werden, können offene Gespräche viele Einsichten bringen. Dabei ist es wichtig, nicht nur zuzuhören, sondern die genannten Wünsche auch zu respektieren.

Es gilt, die Wünsche und Werte der Zielgruppe zu erfahren und auch zu respektieren.
Unserer Erfahrung nach kann es dabei vorkommen, dass anfänglich in einer Community kein Interesse an einem bestimmten Thema besteht, obwohl dieses eigentlich hohe Relevanz für die Menschen besitzt. Ebenso wichtig ist es aber auch, ein „Nein“ zu akzeptieren. Wenn Menschen beispielsweise vor akuten finanziellen Herausforderungen stehen, ist für sie eine Diskussionsveranstaltung über die Bedeutung von Zukunftstechnologien in zehn Jahren wenig relevant.

2) Distanz abbauen

Der zweite Kernpunkt ist mit dem ersten eng verbunden: Sowohl in der Literatur4 als auch in unserer eigenen Arbeit gab es eine bewusst oder unbewusst wahrgenommene Distanz zwischen Kommunikatorinnen und Kommunikatoren und nicht erreichten Gruppen. Diese Distanz kann auf vielen Ebenen zum Ausdruck kommen: sei es in einer bildungsbürgerlichen Sprache, einer herablassenden und belehrenden Haltung oder der Zurschaustellung von akademischen Titeln5. Da diese Distanz oftmals Resultat der jeweils eigenen – insbesondere ökonomischen – Lebensumstände und des Bildungssystems ist, wird man sie nicht ohne Weiteres überwinden können. Aber es gibt Strategien, um die Kluft zumindest zu verkleinern:

„Akademische Sprache, eine herablassende Haltung, ein Fokus auf formelle Vorbildung und vermeintliche Selbstverständlichkeiten können abschreckend wirken.“
Man darf beispielsweise sprachlich durchaus auch mal salopp, humorvoll und umgangssprachlich formulieren, muss aber gleichzeitig authentisch bleiben und nicht Theater spielen – das ist die Herausforderung. Wichtig ist auch, die zeitlichen und finanziellen Ressourcen der Zielgruppe zu beachten, die mitunter ganz anders ausfallen als im akademischen Milieu.

Der Dialog sollte auf Augenhöhe stattfinden. Unsere Erfahrung aus verschiedenen Gesprächen zeigt, dass wissenschaftliche Expertise durchaus respektiert wird – Titel und Verweise auf Organisationen alleine aber nicht unbedingt. Anfänglich gilt es darum, Emotionen, Einstellungen und Werte auszuloten, um eine gemeinsame Basis zu schaffen, auf der dann eine weitere Auseinandersetzung und auch Wissensvermittlung möglich ist. Aktuelle sozialpsychologische Arbeiten zu Werten und Emotionen in der Wissenschaft zeigen, dass bestimmte Einstellungen derart wert- und emotionsgetrieben sind, dass man mit Informationsveranstaltungen allein nichts ausrichten kann. Diese unter dem Stichwort „Cultural Cognition“6 diskutierte Beobachtung hat etwa Dan Kahan am Beispiel von Informationen zum Impfen7 beschrieben.

Das Team von „Wissenschaft für alle beim Workshop zur Formatentwicklung in Spandau. Foto: Anna Seip, Wissenschaft im Dialog
Das Team von „Wissenschaft für alle beim Workshop zur Formatentwicklung in Spandau. Foto: Anna Seip, Wissenschaft im Dialog

Dazu ist es wichtig, auch sich selbst als Organisation im Vorhinein über die (eigenen) Erwartungen an ein Wissenschaftskommunikationsformat klar zu werden. Wie soll etwa mit Ergebnissen umgegangen werden? Muss es überhaupt konkrete Ergebnisse oder eine umfassende Wissensvermittlung geben, oder ist der Austausch an sich schon ein Ziel? Es empfiehlt sich, einen offenen Ansatz der Wissenschaftskommunikation zu wählen: Das heißt, ein Angebot zu machen und Debatten moderierend zu begleiten, ohne eine allzu enge Vorstellung davon, was am Ende in den Köpfen der Teilnehmenden passiert sein soll.

3) Was geht mich das an? Alltagsrelevanz als Zugang

„Ich war noch nie jemand, der sich so sehr für die Wissenschaft interessiert hat, sondern ich war immer der Typ für eher körperliche Arbeit.“

Auf solchen Aussagen trafen wir bei unseren Gesprächen mit Menschen in einem marginalisierten Stadtteil sowie Berufsschülerinnen und -schülern häufiger. Wissenschaft im Allgemeinen und somit auch Wissenschaftskommunikation erschien ihnen als alltagsfern, unzugänglich und entsprechend uninteressant.

„Alltagsrelevanz kann sowohl eine Anwendbarkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch andere Anknüpfungspunkte wie Kinderbetreuungsangebote sein.“
Deshalb trägt es entscheidend zum Gelingen von Wissenschaftskommunikation bei, wenn es konkrete Themen oder Aufhänger gibt, die an bereits vorhandene Interessen oder die Lebenssituationen anknüpfen. Dazu gehören in Berufsschulen etwa berufsbezogene Technikinteressen oder medizinische Fragen im Kontext von Pflege. Diese Verknüpfungen herzustellen ist eine wichtige Aufgabe für Kommunikatorinnen und Kommunikatoren.

Dabei bemisst sich die Alltagsrelevanz von Themen nicht allein daran, ob sie einen inhaltlichen Bezug zum Alltag haben. Anknüpfungspunkte können auch in themenfremden Aspekten gefunden werden, zum Beispiel als wissenschaftliches Ferienprogramm für Kinder, das als pragmatischen Nutzen eine kostenfreie Betreuung bietet oder als unterhaltendes Wissenschaftsevent, das eine interessante Freizeitbeschäftigung abseits alltäglicher Herausforderungen bietet.

4) Dorthin gehen, wo die Menschen sind

„Zugängliche Orte und Kommunikationswege nutzen, mit denen die Gruppen vertraut sind und die Teil ihrer Lebenswelt sind.“
Wenn man bisher nicht erreichte Gruppen ansprechen will, ist es zielführend, auch im Wortsinne auf diese Gruppen zuzugehen. Es sollten Orte und Räume genutzt werden, die für die Gruppe vertraut, gut erreichbar und zugänglich sind. Konkret heißt das etwa, Veranstaltungen im Stadtteilzentrum oder in der Dorfkneipe durchzuführen, statt in der Universität oder im Forschungsinstitut. Neben der konkreten Erreichbarkeit können dabei auch weitere Mechanismen eine Rolle spielen. Sowohl ein Forschungszentrum mit Einlasskontrollen als auch ein klassizistisches Wissenschaftsgebäude, das bereits an der Fassade zu signalisieren scheint, dass man ohne Latinum hier nicht weit kommt, wirken auf etliche Menschen nur wenig einladend.

Dieser sogenannte aufsuchende Ansatz kann ebenso bedeuten, sich mit einem Kommunikationsformat an bestehende Veranstaltungen anzuschließen, beispielsweise mit einem Informationsstand bei einem Stadtteilfest vertreten zu sein oder einen Vortrag bei einer Veranstaltung einer lokalen Initiative oder eines Vereins zu halten.

5) Nichts geht ohne Kooperationen

Wo immer möglich, empfehlen sich lokale Kooperationen. Multiplikatorinnen und Multiplikatoren können etwa in Quartiersmanagement, Sozialarbeit, Bibliotheken, Vereinen, Schulen, Bildungsinitiativen und Selbsthilfegruppen gefunden werden – oder auch als engagierte Einzelpersonen.

Diese kennen die Situation und die Bedürfnisse der Menschen und machen so Einblicke und Zugänge möglich. Sie können beraten, welche Themen relevant sind, welche Ansätze gut funktionieren und welche Fettnäpfchen unbedingt vermieden werden sollten. Häufig sind sie Vertrauenspersonen für die Community und ihr Wort hat in der Gruppe Gewicht. Dadurch werden sie zu Türöffnern, ohne die es häufig nicht geht.

„Ob Quartiersmanagerinnen und -manager, Selbsthilfegruppen oder auch engagierte Einzelpersonen – sie kennen die Möglichkeiten und können eine ersten Zugang vermitteln.“
Eine andere Möglichkeit ist, dass Forschende mit Bezug zur jeweiligen Gruppe eine wichtige Rolle in einem Kommunikationsprojekt einnehmen. Dies können beispielsweise Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sein, die selbst in einem Viertel oder einer Region wohnen, einen anderen kulturellen Hintergrund haben oder aus einem nicht-akademischen Elternhaus kommen. Sie können aus ihrer eigenen Erfahrung heraus bei der Vorbereitung und Planung von Kommunikationsprojekten beraten sowie als glaubwürdige und authentische Referentinnen und Referenten bei der Durchführung mitwirken.

Damit sollte dem Erfolg ja nichts mehr im Weg stehen, oder?

Leider doch. Wir mussten feststellen, dass es nicht ganz so einfach ist, selbst wenn man die zuvor genannten Punkte berücksichtigt. So war es trotz guter Kontakte und vieler aufschlussreicher Gespräche mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren eine große Herausforderung für uns, diese für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen und einen konkreten Zugang zu den Zielgruppen selbst zu finden. Dies führen wir auf drei weitere Kernpunkte zurück, die zum Teil auf die bereits genannten Aspekte zurückgehen:

6) Zu viel Offenheit kann auch ein Nachteil sein

„Partizipation ist voraussetzungsreich. Angebote mit einem konkreten Bezug und didaktisch aufbereiteten Themenzugängen bieten einen Einstieg.“
Unser Projekt startete mit einem sehr offenen und partizipativen Ansatz. Und das hat es uns zuerst einmal schwerer gemacht, auch wenn das paradox klingt. Je offener das Projekt, desto mehr Vorwissen und Eigeninitiative braucht es von den Teilnehmenden. Die gemeinsame Entwicklung von Thema und Format war nur schwer zu vermitteln, ob an potenzielle Projektpartnerinnen und -partner oder an die Gruppen selbst.

Mit einer konkreten Institution als Absender (wie eine Hochschule oder ein Verein in einem Stadtteil), einem durch diese festgelegten Ziel (zum Beispiel ein themenspezifischer Bildungsauftrag) und einem durch sie gesetzten Thema (das sich aus der Arbeit der Institution ableitet, etwa naturwissenschaftliche Grundbildung) wären die Voraussetzungen wahrscheinlich günstiger.

7) Wie können Kooperationspartnerinnen und -partner profitieren?

In vielen Fällen haben wir bemerkt, dass Wissenschaft und Bildung außerhalb sehr konkreter Nutzenüberlegungen – zum Beispiel zur Unterstützung beim Schulabschluss oder als spezifische Fortbildung – kaum eine Rolle spielen. Dabei handelt es sich meistens nicht um Ablehnung, sondern um eine geringe Priorität im Vergleich zu anderen Themen (vergleiche Kernpunkt 1) – Vor dem Machen erst mal zuhören).

„Es ist entscheidend, Partner nicht nur als Dienstleister zu sehen, sondern ihre Ressourcen, eigenen Anliegen und möglichen Nutzen bei einer Kooperation zu berücksichtigen.“
Weiterhin hat sich gezeigt, dass die vor Ort Engagierten häufig nur sehr begrenzte zeitliche und finanzielle Möglichkeiten haben. Diese wenigen Ressourcen und ehrenamtlichen Möglichkeiten wollen sie verständlicherweise auf ihre jeweilige Kernaufgabe fokussieren. Selbst wenn der angefragte Beitrag „nur“ auf Beratung und einen Zugang zur Community beschränkt ist, ist es doch ein weiteres Projekt, das Koordination und Aufmerksamkeit erfordert.

Es ist also entscheidend, die potenziellen Kooperationspartnerinnen und -partner nicht einfach nur als Dienstleister zu betrachten,. Man sollte ihre Interessen und ihre begrenzte Zeit respektieren und berücksichtigen, inwiefern sie selbst kurz- und auch langfristig von einer Zusammenarbeit profitieren können.

8) Einmalige Aktivitäten sind wenig erfolgversprechend

„Projekte benötigen eine Anlaufzeit, vieles ist beim ersten Mal noch kein durchschlagender Erfolg. Es gilt, langfristige Perspektiven zu entwickeln.“
Da Projektfinanzierungen oft befristet sind, bleibt es häufig bei einmaligen Aktivitäten und Pilotprojekten. Diese können zwar, wenn sie entsprechend gestaltet sind, durchaus einen Erlebnischarakter entfalten, Aufmerksamkeit erregen und einen ersten Zugang schaffen. Bleibt es aber dabei, wird die Wirkung schnell verpuffen und bei den angesprochenen Gruppen eher zu Frustration führen. Dies gilt sogar dann, wenn lokale Mittlerpersonen das Projekt unterstützen, weil es dennoch nicht als originäre Initiative aus und für die Community wahrgenommen wird.

Ideal wäre es, wenn eine Institution oder Initiative mit einem konkreten lokalen Bezug (wie der Stadtteil oder das Umfeld einer Hochschule) oder gruppenspezifischen Kontakten (Selbsthilfegruppe, Community-Verein) ein Projekt startet. Dies sollte auch eine zumindest mittelfristige Perspektive haben, damit dann die in allen Projekten nötige Anlaufphase genutzt werden kann, um weitergehendes Interesse und Beteiligung zu generieren.

9) Eine Hilfestellung für langfristige Verbesserungen: die Diversity-Scorecard

Um unsere Typologie verschiedener Exklusionsfaktoren praktisch nutzbar zu machen, haben wir eine Diversity-Scorecard als Checkliste für (Wissenschafts-)Organisationen erstellt. Sie soll Kommunikatorinnen und Kommunikatoren dabei helfen, strukturiert das eigene Wissenschaftskommunikationsangebot mit Blick auf Exklusionseffekte zu analysieren – selbstverständlich auch hier nicht nur auf dem Papier, sondern im Gespräch mit den Menschen. Sie kann auf das komplette Kommunikationsportfolio einer Organisation oder auch nur auf eine einzelne Aktivität wie eine Veranstaltungsreihe angewendet werden.

Aus der Analyse lassen sich dann, nach Auswertung, Reflexion und Priorisierung der zusammengetragenen Informationen, Maßnahmen für eine diversere und inklusivere Gestaltung der eigenen Kommunikationsangebote ableiten. Diese Maßnahmen können einerseits kleinere Änderungen bestehender Formate sein, wie beispielsweise angepasste Werbemaßnahmen – manchmal mit wenig Aufwand und großer Wirkung. Andererseits können daraus auch ganz neue Formate und Methoden entstehen.

Gegenwärtig erproben wir die Scorecard in einem offenen Test. Wir freuen uns auf Feedback und Verbesserungsvorschläge von allen Interessierten. Die Dokumente und weitere Informationen dazu sind auf unserer Website zu finden.

10) Zum Schluss ein wichtiger Rat: Geduld haben

„Geduld haben! Es gibt häufig Kritik von verschiedenen Seiten, die selten konstruktiv und wohlmeinend klingt. Wir möchten dazu ermutigen, trotzdem dranzubleiben.“
Eine diverse, inklusive und offene Wissenschafts(-kommunikations)-kultur ist weder einfach noch schnell zu erreichen. Davon darf man sich nicht entmutigen lassen, jeder Beitrag ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wenn Sie sich dafür einsetzen, werden Sie auf Widerstände und Kritik von allen Seiten treffen, häufig auf einer sehr grundsätzlichen und emotionalen Ebene. Von den einen, weil die Reflexion und Veränderung des Status quo Verunsicherung und Ablehnung hervorruft. Und den anderen, weil sie sich in einem Themengebiet sehr engagieren oder selbst von Ausgrenzung betroffen sind und ihnen eine Maßnahme noch nicht weit genug geht. Dies kann schnell frustrierend werden, aber es lohnt sich, Ruhe zu bewahren. Einerseits führen aggressive Antworten eher zum Gegenteil8. Andererseits können wir aus eigener Erfahrung bestätigen, dass man auch daraus relevante Informationen ziehen kann, selbst wenn das Feedback auf Konfrontation ausgerichtet ist. Auch hinter der Fassade polemischer und provozierender Kritik können manchmal gute Hinweise für eine bessere Überzeugungsarbeit oder zuvor nicht bedachte Aspekte identifiziert werden.

In aller Kürze: die zehn wesentlichen Stichpunkte (tl;dr)

  1. Vor dem Machen erst mal zuhören: Es gilt, die Wünsche und Werte der Zielgruppe zu erfahren und auch zu respektieren.
  2. Distanz abbauen: Akademische Sprache, eine herablassende Haltung, ein Fokus auf formelle Vorbildung und vermeintliche Selbstverständlichkeiten können abschreckend wirken.
  3. Alltagsrelevanz als Zugang: Dies können sowohl eine Anwendbarkeit von wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch andere Anknüpfungspunkte wie Kinderbetreuungsangebote sein.
  4. Dorthin gehen, wo die Menschen sind: Zugängliche Orte und Kommunikationswege nutzen, mit denen die Gruppen vertraut sind und die Teil ihrer Lebenswelt sind.
  5. Nichts geht ohne Kooperationen: Ob Quartiersmanagerinnen und -manager, Selbsthilfegruppen oder auch engagierte Einzelpersonen – sie kennen die Möglichkeiten und Herausforderungen und können einen ersten Zugang vermitteln.
  6. Zu viel Offenheit kann auch ein Nachteil sein: Partizipation ist voraussetzungsreich, Angebote mit einem konkreten Bezug und didaktisch aufbereiteten Themenzugängen bieten einen Einstieg.
  7. Wie können interessierte Kooperationspartnerinnen und -partner profitieren? Es ist entscheidend, sie nicht nur als Dienstleister zu sehen, sondern ihre Ressourcen, ihre eigenen Anliegen und ihren möglichen Nutzen bei einer Kooperation zu berücksichtigen.
  8. Einmalige Aktivitäten sind wenig erfolgversprechend: Projekte benötigen eine Anlaufzeit, vieles ist beim ersten Mal noch kein durchschlagender Erfolg. Es gilt, langfristige Perspektiven zu entwickeln.
  9. Als Hilfestellung für langfristige Verbesserungen haben wir eine Diversity-Scorecard entwickelt (weitere Informationen hier). Sie soll Organisationen und Kommunikatorinnen und Kommunikatoren dabei unterstützen, ihr eigenes Kommunikationsangebot kritisch zu hinterfragen und nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. Sie ist noch im Test, wir freuen uns auf Feedback!
  10. Zum Schluss ein wichtiger Rat: Geduld haben! Es gibt häufig Kritik von verschiedenen Seiten, die selten konstruktiv und wohlmeinend klingt. Wir möchten dazu ermutigen, trotzdem dran zu bleiben, auch hinter polemischen Kommentaren können manchmal hilfreiche Hinweise stecken.

 

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.

* Wissenschaft im Dialog und das Teilinstitut Wissenschaftskommunikation am Karlsruher Institut für Technologie (Institut für Technikzukünfte, ITZ) sind zwei der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.