Von Fernsehshow bis Dinner Speech – Martin Korte spricht über seine neurobiologische Forschung auf verschiedensten Kanälen. Wie er als Wissenschaftler die Zusammenarbeit mit den Medien erlebt und warum er lieber live vor Publikum spricht, erklärt er im Interview.
„Die größte Herausforderung ist es, die richtigen Metaphern zu finden“
Herr Korte, wie sind Sie dazu gekommen, über Ihre Forschung zu kommunizieren?
Ich habe bereits als Doktorand Volkshochschulkurse zu meinen Forschungsthemen gegeben. Zum einen, weil ich immer ein Interesse daran hatte, mit Menschen aus anderen Disziplinen oder unterschiedlichen sozialen Kontexten zusammenzuarbeiten. Zum anderen, weil ich Spaß daran hatte, das, was ich mache, in einen größeren Kontext zu setzen. Der nächste logische Schritt war dann, mit anderen Menschen auch über meine eigene Forschung in den Neurowissenschaften zu sprechen.
Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Das Feedback war sehr positiv und deshalb mache ich es wohl auch heute noch. Die Leute haben mir zurückgemeldet, dass sie Spaß daran hatten, sich mit diesen neurowissenschaftlichen Themen zu befassen und darüber nachzudenken. Außerdem lerne ich selbst viel über meinen Tellerrand hinaus, weil ich mich mit den Themen vor jedem Vortrag noch mal aus verschiedenen Perspektiven beschäftige. So hat sich auch mein Wissen erweitert. Es gibt also eine doppelte Motivation.
Was ist Ihr Lieblingsmedium?
Am liebsten halte ich Vorträge, danach kommt das Schreiben. Vorträge sind schöner, weil man direkte Rückmeldung bekommt und sie zeitlich begrenzter sind. Meine Texte hingegen werden eigentlich nie wirklich fertig, sondern ließen sich wie Wikipedia-Artikel unendlich erweitern.
Vor wem halten Sie am liebsten Vorträge?
Ich habe kein Lieblingspublikum, da jedes Publikum einen speziellen Reiz hat. Wenn ich aber überlege, an welche Veranstaltungen ich die schönsten Erinnerungen habe, sind es zum einen solche an Schulen, bei denen sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrkräfte und Eltern gemeinsam im Publikum sind. Die fand ich besonders spannend, weil man merkt, wie alle im gleichen Lernmodus sind und sich quasi gemeinsam mit etwas beschäftigen. Außerdem wird man dort meist sehr freudig begrüßt und es stellt eine gute Abwechslung zum Alltag dar.
Aber ich habe auch schon vor Bankerinnen und Bankern in Frankfurt eine Dinner Speech gehalten, die ich sehr spannend fand. Am Anfang war der Vortrag für die Teilnehmenden eher Beiwerk eines Fünf-Gänge-Menüs. Das hat sich dann aber immer mehr gewandelt und man hat richtig gemerkt, wie das Essen in den Hintergrund rückte. Das hat vor allem auch Spaß gemacht, weil ich aus neurowissenschaftlicher Sicht über Themen wie Vertrauen oder emotionale Intelligenz gesprochen habe, von denen ich denke, dass sie spannende Themen für den Bankensektor sind.
Vorträge mögen Ihr Lieblingsmedium sein, trotzdem sind Sie auch regelmäßig im Fernsehen oder anderen Medien als Experte vertreten. Wie erleben Sie dieses Zusammenspiel?
Vor dem Fernsehen renne ich eigentlich eher weg. Deshalb mache ich es derzeit auch weniger als noch früher. Ich habe vor ein paar Jahren mal bei einer Show im ZDF zu Deutschlands größtem Gedächtnistest und in der ARD bei „Deutschland sucht den klügsten Deutschen“ mitgemacht. Da gab es dann eine gewisse Häufung, die sicherlich auch dazu geführt hat, dass andere Medien angefragt haben. Das Fernsehen macht ja eher keinen Abgleich, ob man wirklich ein herausragender Forschender ist. Dort wird eher geschaut, ob man medientauglich ist. Und als das galt ich dann wohl nach den ersten Auftritten.
Ganz generell muss ich aber sagen, dass ich fast jeden Fernsehauftritt als frustrierend erlebe. Es ist frustrierend, weil es minimalen Effekt bei maximalem Aufwand bringt. Es stehen häufig viele visuelle Dinge im Vordergrund. Die Sprache gerät ins Hintertreffen. Hinzu kommt, dass es häufig nur wenig Zeit gibt. Deshalb finde ich Fernsehen immer schwierig, auch wenn es natürlich positive Gegenbeispiele gibt. Da ist mir Radio als Medium lieber. Da gibt es mehr Zeit und es ist aus meiner Sicht interaktiver. Außerdem sind die Radiojournalistinnen und -journalisten meiner Erfahrung nach meistens besser auf das spezifische Thema vorbereitet. Das wirkt sich auch auf die Qualität der Fragen aus, die beim Radio deshalb meist besser sind.
In den sozialen Medien sind Sie nicht unterwegs, gibt es dafür Gründe?
Das ist einfach eine Zeitfrage. Ich habe keine Zeit, um schnell zu reagieren, und aus meiner Sicht müsste man das in diesem Bereich. Ansonsten würde ich auf jeden Fall gerne bloggen. Das wäre mein Favorit unter den Social-Media-Kanälen. Wir erreichen vielfach die Leute unter 40 nicht mehr und da halte ich die sozialen Medien eigentlich für unerlässlich. Ich empfinde es auch als Defizit bei mir, es nicht zu machen, aber das kann sich ja noch ändern.
Was ist aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung beim Kommunizieren?
Die größte Herausforderung ist es, die richtigen Metaphern zu finden. Sie sollten die Komplexität und die Unsicherheit des Wissens durchscheinen lassen, dabei aber trotzdem möglichst viele Fragen beantworten. Wissenschaft ist ein Prozess und ich könnte somit eigentlich jede Frage damit beantworten, zu sagen: „Wir untersuchen das aktuell, aber wir wissen es noch nicht.“ Aber das ist unbefriedigend. Zumal man ja durchaus immer auch schon eigene Lösungsansätze hat, für die man glaubt, gute Evidenz zu haben.
Eine weitere Herausforderung ist es, sich Gedanken über die eigene Zielgruppe zu machen. Das halte ich für sehr wichtig, denn ich muss wissen, wie der Kopf meines Gegenübers strukturiert ist, um mich darauf gezielt vorzubereiten. Das gilt nicht nur für die externe, sondern auch für die interne Kommunikation und für mich fängt dort die Wissenschaftskommunikation an. Ich finde es deshalb eine sehr wichtige Fähigkeit und setze mich deshalb auch dafür ein, dass unsere Studierenden es frühzeitig lernen.
Gibt es Feedback aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen?
Die höhere Akzeptanz für Kommunikation hat sicherlich auch etwas mit den aktuellen Debatten um Fake News und Populismus sowie der Vertrauensdiskussion rund um die Wissenschaft zu tun.
Ist es deshalb heute noch wichtiger, dass Forschende direkt kommunizieren?
Auf jeden Fall. Alle Studien, die ich kenne, zeigen, dass die Glaubwürdigkeit steigt, wenn man direkt kommuniziert. Wissenschaftskommunikation und Journalismus haben immer eine gewisse Distanz und es ist immer eine Übersetzung. Die braucht es auch, aber es braucht eben zusätzlich Forschende, die direkt kommunizieren und die Einblicke sozusagen aus erster Hand geben. Ich glaube, ein solcher Einblick ist vor allem deshalb wichtiger geworden, weil die Kommunikation allgemein durch den Medienwandel direkter geworden ist.
Muss sich im System Wissenschaft etwas ändern, damit mehr Forschende kommunizieren?
Ich glaube, wir können vor allem in zwei Bereichen etwas verändern. Zum einen in der Ausbildung von Forschenden und zum anderen in der Anerkennung von Kommunikation über den wissenschaftlichen Tellerrand hinaus. Ich bin allerdings nicht dafür, Anreize in Form von Belohnungen zu schaffen. Mehr ist nicht immer besser und man würde den einen oder anderen so mitunter auch zur Kommunikation zwingen. Was wir aber brauchen ist, Anerkennung von Kommunikationsleistung innerhalb unseres Arbeitspensums. Kommunikation sollte wichtiger Bestandteil unseres Berufs sein und kein Add-on, denn das würde die Qualität der Kommunikation nicht gerade fördern. Die Qualität ist für mich aber entscheidend.