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Welche Vorstellung hat die Bevölkerung von Wissenschaft und Forschenden?

Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Wissenschaft denken? Und welche Fähigkeiten braucht man, um eine gute Wissenschaftlerin oder ein guter Wissenschaftler zu sein? Diese und weitere neue offene Fragestellungen wurden erstmals im Wissenschaftsbarometer 2017 gestellt. Projektleiterin Ricarda Ziegler fasst zusammen, welche Erkenntnisse die Antworten liefern.

Frau Ziegler, das Wissenschaftsbarometer fragt seit 2014 jährlich 1.000 Personen, was sie über Wissenschaft und Forschung denken. Was ist diesmal anders?

Ricarda Ziegler ist studierte Politikwissenschaftlerin. Bei Wissenschaft im Dialog ist sie als Referentin der Geschäftsführung tätig und unter anderem für das Projekt Wissenschaftsbarometer verantwortlich. Foto: privat
Ricarda Ziegler ist studierte Politikwissenschaftlerin. Bei Wissenschaft im Dialog ist sie als Referentin der Geschäftsführung tätig und unter anderem für das Projekt Wissenschaftsbarometer verantwortlich. Foto: privat

Es gibt vier neue offene Fragestellungen, von denen zwei die Vorstellung zu Wissenschaft und Forschung abfragen und zwei weitere, die sich eher um die Scientific Literacy drehen. Konkret haben wir dafür relativ am Anfang der Befragungen – also noch vor dem tieferen Einstieg in das Thema – gefragt, was den Teilnehmenden als Erstes in den Sinn kommt, wenn Sie an Wissenschaft beziehungsweise Forschung denken. Der Hintergrund ist zum einen, dass dies auch in bevölkerungsrepräsentativen Umfragen zu Wissenschaft in der Schweiz und in Schweden thematisiert wird. Damit werden unsere Ergebnisse auch international vergleichbarer. Zum anderen haben wir die Frage bewusst an den Anfang gestellt, um einen möglichst unvoreingenommenen Eindruck davon zu bekommen, was wirklich die ersten Assoziationen zu den Begriffen Wissenschaft und Forschung sind. Hier wurden mit Abstand Themen aus Medizin und Gesundheit am häufigsten genannt, gefolgt von allgemeineren Assoziationen zu den beiden Begriffen und Themen aus Technik und Technologien.

 

Offene Fragestellung 1: Was kommt Ihnen als erstes in den Sinn, wenn Sie an Wissenschaft oder Forschung denken?

Anteile aller 1.007 Befragten in Bezug auf die Kategorien zur Frage nach den Assoziationen zu Wissenschaft oder Forschung. Grafik: <a href="https://www.wissenschaft-im-dialog.de/" target="_blank">WiD</a>WiD
Anteile aller 1.007 Befragten in Bezug auf die Kategorien zur Frage nach den Assoziationen zu Wissenschaft oder Forschung. Grafik: WiD

Deckt sich das auch mit den Antworten auf die zweite neue Frage, was die Teilnehmenden in letzter Zeit über Wissenschaft und Forschung in den Medien gehört, gelesen oder gesehen haben?

Ja, auch hier gehören Medizin/Gesundheit und Technik/Technologie zu den häufigsten Kategorien. Ein großer Teil, 49 % der Befragten, hat hier aber gar keine Angabe gemacht. Das Ziel dieser Frage war, herauszufinden, welche Themen und Herausforderungen aus der medialen Berichterstattung über Wissenschaft bei den Leuten tatsächlich im Gedächtnis bleiben. Hier stellen wir fest, dass Themen, die unmittelbar vor der Befragung mediale Aufmerksamkeit hatten, auch zu Teilen genannt wurden.

Offene Fragestellung 2: Können Sie sich an etwas erinnern, das Sie in der letzten Zeit über Wissenschaft und Forschung in den Medien gehört, gelesen oder gesehen haben? Das kann etwas Aktuelles in den Nachrichten gewesen sein oder auch eine Dokumentation oder Reportage. Wenn ja, worum ging es?

Anteile aller 1.007 Befragten in Bezug auf die Kategorien zur Frage nach den Erinnerungen an mediale Berichterstattung über Wissenschaft und Forschung. Grafik: <a href="https://www.wissenschaft-im-dialog.de/" target="_blank">WiD</a>WiD
Anteile aller 1.007 Befragten in Bezug auf die Kategorien zur Frage nach den Erinnerungen an mediale Berichterstattung über Wissenschaft und Forschung. Grafik: WiD

 

Ein weiteres Ziel war es, mehr über die Scientific Literacy der Befragten zu erfahren. Wie haben Sie das genau gemacht?

Die Scientific Literacy ist ein Konzept mit mehreren Dimensionen. Es kann beispielsweise wissenschaftliches Faktenwissen bezeichnen, aber auch das Wissen über Forschungsprozesse und -methoden sowie die Rolle, die Wissenschaft in der Gesellschaft und als soziales System spielt. In der dritten neuen offenen Fragestellung haben wir also darum gebeten, zu schildern, was es heißt, etwas wissenschaftlich zu untersuchen. Analyse, Regelgeleitetheit, also dass bei der Forschungsarbeit spezifischen Regeln befolgt werden müssen, und Erkenntnisorientierung wurden hier wesentlich häufiger genannt, als zum Beispiel Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Kollaboration. Diese Antworten haben gezeigt, dass ein eher eindimensionales Verständnis von Wissenschaft vorhanden ist und manche Aspekte von Forschungsprozessen sehr viel weniger wahrgenommen werden – zum Beispiel, dass Forschende oft im Team zusammenarbeiten, um ans Ziel zu kommen. Außerdem haben wir gefragt, welche Fähigkeiten es braucht, um eine gute Wissenschaftlerin oder ein guter Wissenschaftler zu sein. Hier hatte ein größerer Anteil der Befragten eine Antwort parat. Sie nannten vor allem Wissen, fachliche Kompetenz und einen hohen IQ, aber auch Talent und Interesse beziehungsweise Leidenschaft. Weniger wurden hier soziale Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit und Zusammenarbeit mit anderen Kollegen genannt. Hier können wir aber wegen der Art der Fragestellung nicht feststellen, ob die Befragten hier ihr Idealbild eines Wissenschaftlers beschreiben, oder ob sie es bereits für die Realität halten.

Offene Fragestellung 3: Nun würden wir gerne noch etwas darüber erfahren, wie Sie sich Wissenschaft und Forschung ganz konkret vorstellen. Bitte sagen Sie mir mit wenigen Worten, was es heißt, etwas „wissenschaftlich zu untersuchen“?

Gültige Nennungen zur Frage nach der Bedeutung von „etwas wissenschaftlich erforschen“ von 579 der 1.007 Befragten. Grafik: WiDWiD
Gültige Nennungen zur Frage nach der Bedeutung von „etwas wissenschaftlich erforschen“ von 579 der 1.007 Befragten. Grafik: WiDWiD

Wie bereichern diese Ergebnisse das Gesamtergebnis des Wissenschaftsbarometers?

Bei allen vier neuen offenen Fragestellungen geht es darum, eine bessere Basis zu haben, um auch andere Ergebnisse des Fragebogens genauer interpretieren zu können. Wir wollen zum einen besser verstehen, von welchem Wissenschaftsverständnis die Befragten ausgehen, wenn sie die anderen Fragen beantworten. Zum anderen wollen wir herausfinden, welche Vorstellungen die Menschen von Wissenschaftlern oder auch der Wissenschaft haben, um zu überlegen, ob wir bei Kommunikationsprojekten andere Schwerpunkte setzen sollten.

Offene Fragestellung 4: Welche Fähigkeiten muss jemand Ihrer Meinung nach mitbringen, um ein guter Wissenschaftler oder eine gute Wissenschaftlerin zu sein?

Gültige Nennungen zur Frage nach den Eigenschaften einer/s „guten Wissenschaftlers/in“<br> von 928 der 1.007 Befragten. Grafik: <a href="https://www.wissenschaft-im-dialog.de/" target="_blank" rel="noopener">WiD</a>
Gültige Nennungen zur Frage nach den Eigenschaften einer/s „guten Wissenschaftlers/in“ von 928 der 1.007 Befragten. Grafik: WiD

Und was sind in diesem Bereich die Erkenntnisse?

Meine persönliche Annahme war, dass wir, statt reinen Ergebnissen, auch mehr über wissenschaftliche Prozesse kommunizieren sollten. Wir dachten, dass diese bisher weniger wahrgenommen werden. Die Befragten haben aber Antworten gegeben, die in Teilen schon recht gut beschreiben, wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert und worauf es dabei ankommt, dass es zum Beispiel analytisch und regelgeleitet ist. Da liegen die Nennungen noch knapp vor der Ergebnis- und Erkenntnisorientierung. Auch von den Fähigkeiten, die ein Wissenschaftler mitbringen muss, haben die Befragten schon ein recht komplexes Bild. Die Vermittlung von Wissenschaft als soziales System kommt aber den Ergebnissen nach bisher offenbar eher noch zu kurz. Es wird kaum wahrgenommen, dass es bei der Forschung auch auf Zusammenarbeit, Kommunikation und Teamwork ankommt.

Was hat Sie an den neuen Ergebnissen am meisten überrascht?

Es war spannend und auffällig, dass die Motive der Wissenschaft doch eine Rolle spielen. Sowohl die Gemeinwohlorientierung des Systems als auch, dass auf der persönlichen Ebene die Themen Interesse, Leidenschaft und Integrität wichtig sind, wurde oft genannt. Ich hätte erwartet, dass ein Professor vor allem klug und wissend sein sollte. Überraschend viele Befragte haben aber geantwortet, dass ein guter Wissenschaftler an die Gesellschaft denkt und mit Leidenschaft dabei ist.

Wie wird mit den Ergebnissen nun weitergearbeitet?

Wir haben gerade eine Analyse zu den vier neuen offenen Fragestellungen in einem Hintergrundpapier veröffentlicht. Wir freuen uns nun auf die Diskussion mit Menschen aus der Praxis und möchten gerne erörtern, was die Ergebnisse genau für die Wissenschaftskommunikation bedeuten. Für weitere Befragungen im Rahmen des Wissenschaftsbarometers wollen wir diese Ergebnisse aus den offenen Fragen nun in geschlossene Fragen und Items überführen. Das bedeutet einerseits weniger Aufwand bei der Auswertung. Andererseits können wir die Antworten so besser vergleichen und über einen längeren Zeitraum Entwicklungen ausmachen.

Gibt es auch eine Möglichkeit für die Community, Rückmeldungen zu geben und neue Fragen anzuregen?

Ja, viele haben wir bereits berücksichtigt, als wir die Erhebung für 2017 neu geplant haben. Außerdem bekommen wir auch Anregungen aus unserem internationalen wissenschaftlichen Beirat und dem Lenkungsausschuss von Wissenschaft im Dialog, die wir auch einbinden, wenn es um neue Fragen geht. Es ist aber auch ein Balanceakt, den Fragebogen zu Teilen zu verändern und trotzdem über die Jahre eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Da versuchen wir dann, möglichst viele Fragen beizubehalten und immer mal einzelne Themenkomplexe auszutauschen oder für ein Jahr auszusetzen, wenn es nicht nötig ist, die Frage jedes Jahr wieder zu stellen.