Vier verschiedene Arten von Wissenschaftspublikum, schlechte Diskussionskultur auf Facebook und was niedliche Tierbilder mit dem Lernen wissenschaftlicher Fakten zu tun haben: Das sind die Themen im aktuellen Forschungsrückblick.
Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Januar 2018
In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Ergebnisse aus der Forschung zur Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, dann schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.
Die vier Typen von Wissenschaftsrezipienten
Für Kommunikatoren ist es wichtig, ihre Zielgruppe zu kennen: Alter, Bildungsstand, politische Überzeugungen und viele weitere Merkmale des Publikums können beeinflussen, wie eine Botschaft ankommt. Forscher um Mike Schäfer und Julia Metag untersuchten nun für das Projekt „Wissenschaftsbarometer Schweiz“, in welche Segmente sich die Schweizer Bevölkerung in Bezug auf die Wahrnehmung von Wissenschaft unterteilen lässt – und ob sich diese Gruppen in ihrer Mediennutzung unterscheiden.
Methodik: Für das Projekt befragten die Forscher 1051 zufällig ausgewählte Schweizerinnen und Schweizer zu ihren Einstellungen, ihren Vorbehalten und ihren Hoffnungen in Bezug auf Wissenschaft. Auch subjektive Normen waren ein Thema, zum Beispiel, welche Rolle die Wissenschaft in der Gesellschaft spielen und wie gut man über Forschung informiert sein sollte. Außerdem wollten die Autoren von den Teilnehmern wissen, über welche Medien sie mit Wissenschaft in Kontakt kamen und wie sie diese Berichterstattung einschätzten. Die Stichprobe wurde anschließend gewichtet, um ein repräsentatives Abbild der Bevölkerung zu erhalten.
Ergebnisse: Die Daten stützen den Forschern zufolge am besten ein Modell, das die Schweizer Bevölkerung in vier Segmente teilt. Die „Sciencephilen“ (28 Prozent) sind Forschungsfans mit umfangreicher Kenntnis über Wissenschaft, die sie für nützlich, vertrauenswürdig und gesellschaftlich relevant halten. Die „kritisch Interessierten“ (17 Prozent) verfügen ebenfalls über ein breites Wissen, haben aber deutlich weniger Vertrauen in die Forschung und denken, dass sie nicht jedes Problem lösen kann. Dennoch halten sie Wissenschaft für wichtig und unterstützen ihre öffentliche Förderung.
Die größte Gruppe mit 42 Prozent sind die „passiven Unterstützer“. Sie haben zwar eine grundsätzlich positive Einstellung und ein gewisses Interesse an Wissenschaft, informieren sich aber nur selten aktiv darüber. Rund 13 Prozent schließlich gehören zu den „Desinteressierten“. Sie stehen der Forschung und ihrer Förderung immer noch verhalten positiv gegenüber, haben aber kein weitergehendes Informationsbedürfnis und nur ein geringes Vertrauen in die Forschung.
Unterschiede fanden sich auch im Mediengebrauch: So nutzen insbesondere die beiden Gruppen mit starkem Interesse (Sciencephile und kritisch Interessierte) das Internet, um sich über Wissenschaft zu informieren, während die Desinteressierten vor allem über Hörfunk und Fernsehen mit wissenschaftlichen Inhalten in Berührung kommen.
Schlussfolgerungen: Nach diesem Modell lässt sich die Schweizer Bevölkerung in vier Gruppen aufteilen, wenn es um die Einstellungen zu Wissenschaft, die gewünschte Rolle der Forschung in der Gesellschaft und die Suche nach wissenschaftlichen Informationen geht. Wissenschaftskommunikatoren können diese Erkenntnis nutzen, um besser zu verstehen, welche dieser Zielgruppen sie am besten über welche Kanäle erreichen kann und wo am ehesten mit Widerständen oder Misstrauen zu rechnen ist.
Einschränkungen: Die Forscher begründen ihre Entscheidung für ein 4-Klassen-Modell ausführlich. Dennoch wären auch Unterteilungen der Bevölkerung in 5 bis sogar 15 Segmente rechnerisch plausibel gewesen, die Aufteilung in vier Gruppen ist daher nicht in Stein gemeißelt. Auffällig ist das Fehlen eines Typus, der Wissenschaft als Mittel zum Erkenntnisgewinn ablehnt – dies könnte in anderen Ländern anders aussehen. Allerdings, schreiben die Autoren, könnten auch schon die grundsätzlich positiv gestimmten Gruppen „kritisch Interessierte“ und „Desinteressierte“ einzelne Befunde oder sogar Forschungszweige ablehnen, wenn diese ihre sozialen oder ethischen Normen verletzten.
Facebook: Keine fruchtbare Wissenschaftsdiskussion
Menschen nutzen soziale Netzwerke zunehmend nicht nur für den Austausch mit anderen, sondern auch zur Informationssuche. Facebook, Youtube und Co. werden daher auch für das informelle Wissenschaftslernen immer wichtiger. Keren Dalyot und Ayelet Baram-Tsabari vom israelischen Technologieinstitut Technion in Haifa analysierten nun in einer kleinen Fallstudie, wie Facebook-Nutzer über wissenschaftliche Inhalte diskutieren.
Methodik: Die Forscherinnen untersuchten Nutzerkommentare auf der Facebookseite der israelischen TV-Sendung „Osot Heshbon“. Das Programm läuft zur Primetime und behandelt vor allem Verbraucherfragen, es richtet sich daher an ein allgemeines Publikum. In einer Folge aus dem Juli 2017 ging es um elektromagnetische Strahlung, die von Haushaltsgeräten ausgeht – und die in diesem Fall als unterschätzte Gesundheitsgefahr dargestellt wurde. Unter den insgesamt 12 offiziellen Postings der Seite, die sich mit dieser Episode befassten, hinterließen die User 232 Kommentare zum Thema.
Ergebnisse: Einige Kommentatoren stimmten der Grundaussage der Sendung zu, doch doppelt so viele Nutzer widersprachen der aufgestellten Behauptung, elektromagnetische Felder im Haushalt würden krank machen. Manche warfen den Journalisten sogar Unwissenschaftlichkeit vor. Beide Lager posteten Links auf fremde Webseiten, um ihre Behauptungen zu untermauern. Eine offene Diskussion entwickelte sich dennoch nicht: Zwar äußerten viele Menschen ihre Meinung oder stellten eine Frage, aber die folgenden Kommentare bezogen sich nur selten auf ältere Beiträge. Zudem gab es keine Anzeichen für eine echte Dialogbereitschaft zwischen Elektrosmog-Aktivisten und naturwissenschaftlich denkenden Fans der Seite.
Schlussfolgerungen: Laut Dalyot und Baram-Tsabari bestätigt diese Untersuchung die verbreitete Annahme, dass Facebook eine schlechte Umgebung für fruchtbare Diskussionen über Wissenschaft sei. Nutzer würden in ihren Beiträgen zwar häufig Informationen oder Einstellungen mitteilen. Es passiere jedoch zu selten, dass sie dabei auf vorherige Aussagen eingehen, statt nur ihre eigene Sicht der Dinge zu verbreiten.
Einschränkungen: Die Autorinnen analysierten Facebook-Kommentare zu nur einem Thema und nur einer Episode einer israelischen TV-Sendung. Auch wenn es in vielen Ländern Menschen gibt, die sich um Elektrosmog Sorgen machen, dürften die Ergebnisse der Fallstudie nicht ohne Weiteres auf Facebook-Diskussionen in anderen Ländern und zu anderen Themen übertragbar sein.
Emotionalisierung hilft nicht immer
Es gibt viele Hinweise darauf, dass auch die Wissenschaftskommunikation von einer Emotionalisierung profitieren kann – also von Inhalten, die das Publikum auf der Gefühlsebene ansprechen. Ein Forscherteam um Danny Flemming vom Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen untersuchte nun, wie effektiv eine solche emotionalisierende Kommunikation ist, um das Wissen und die Einstellungen von Menschen in Bezug auf Wildtiere in der Stadt zu verändern.
Methodik: Konkret ging es in der Studie um Füchse, die zunehmend in menschliche Siedlungen vordringen. 127 Probanden bekamen eine Online-Broschüre zu diesem Thema zu lesen. Diese lag in vier Versionen vor: Zum einen war der Text entweder ein fingierter Bericht, in dem die Geschichte eines Fuchspaars in der Stadt erzählt wurde (emotionalisierende Darstellung), oder eine bloße Liste mit Fakten zum Thema. Dazu wurden entweder Fotos von niedlichen Fuchsjungen gezeigt oder keine Bilder. Vor und nach der Lektüre testeten die Forscher das Wissen der Probanden über Füchse, erfragten ihre Einstellungen zu Füchsen in Siedlungen und ihre Einschätzung des Risikos, das von einem Kontakt mit den Tieren ausgeht.
Ergebnisse: Teilnehmer aus allen vier Gruppen hatten nach dem Lesen der Broschüre ein größeres Wissen über Füchse. Ihre Einstellungen gegenüber dem Zusammenleben von Mensch und Fuchs waren leicht positiver, ihre Furcht vor Interaktionen mit den Tieren geringer. Dabei waren weder die emotionalisierenden Texte der Faktenliste überlegen, noch hatte die Bebilderung einen generellen Effekt. Allerdings war die bloße Aufzählung von Fakten weniger effektiv, wenn sie von Fotos niedlicher Füchse begleitet wurde, als ganz ohne Bilder.
Schlussfolgerungen: Emotionalisierende Darstellungen erzielten in dieser Studie per se keinen größeren Effekt: Alle Varianten führten zu einem ähnlichen Zuwachs an Wissen und zu positiveren Einstellungen gegenüber Füchsen in der Stadt. Allerdings scheint die Passung zwischen Text und Bildern wichtig zu sein. Denn während bei der emotionaleren Geschichte die Fuchswelpen-Bilder die Wirkung der Botschaft leicht steigerten, reduzierten dieselben Fotos bei einer nüchternen Faktenliste den Lerneffekt. Möglicherweise, schreiben die Forscher, könnten Bilder von allzu putzigen Fuchswelpen Zweifel an der Sachlichkeit und Korrektheit eines ansonsten nüchternen Textes aufkommen lassen.
Einschränkungen: In dieser Laborstudie wurden zwei Arten von Emotionalisierung, jeweils in Beiträgen zum selben Thema, untersucht. Inwieweit die Ergebnisse auf andere Themen und andere Arten von Emotionalisierung übertragbar sind, muss weitere Forschung zeigen. Die Autoren haben zudem nicht untersucht, ob ihre Manipulation der Texte wirklich den vermuteten emotionalisierenden Effekt hatte. Daher sind die Ergebnisse nicht eindeutig auf den emotionalen Gehalt der Beiträge zurückzuführen.