Foto: Guido Radig, CC BY-SA 3.0

360°-Videos – wie wichtig ist Atmosphäre für die Information?

Mit 360°-Videos bekommen Zuschauer einen ganz neuen Einblick in den Ort des Geschehens – ganz einfach per Browser oder Smartphone. Doch was bringt das in der Wissenschaftskommunikation? Die Produzentinnen Kerstin Hoppenhaus und Sibylle Grunze geben einen Einblick in die Konzeption des Formats.

Frau Grunze, Frau Hoppenhaus, beim 10. Forum Wissenschaftskommunikation haben Sie Kommunikatoren im Workshop das Format 360°-Video nähergebracht. Was muss man technisch und organisatorisch bei der Produktion von 360°-Videos beachten?

Foto: <a href='https://www.flickr.com/photos/142724153@N08/27727827945/' target='_blank'>mr.racy</a>, <a href="http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/">CC BY 2.0</a>
360°-Video: Das Format im Überblick.Foto: mr.racy, CC BY 2.0

Sibylle Grunze: Am wichtigsten ist die Frage der Perspektive. Der Blick wird nicht mehr geleitet, sondern der Zuschauer kann sich eigenständig in alle Richtungen im Raum umsehen. Das hat Vor- und Nachteile. Daher würde ich am Anfang einer Produktion erst mal fragen, warum es ein 360°-Video werden soll und was sich die Macher davon erhoffen.

Kerstin Hoppenhaus: Noch wichtiger als bei „normalen“ Videos ist hier die Frage: Was kann ich eigentlich sehen? Wenn der Protagonist ein Informatiker ist, der den ganzen Tag über in seinem Büro sitzt, würde man sich vielleicht gegen 360° entscheiden. Beim Rundumblick sieht man hier einfach ein Büro. Das lohnt sich erst, wenn zum Beispiel tolle Modelle im Raum sind, die man sich unbedingt anschauen sollte.

Für welche Inhalte eignen sich 360°-Videos besonders? Und für welche gar nicht?

Kerstin Hoppenhaus ist Wissenschaftsjournalistin und Regisseurin. Sibylle Grunze ist Kamerafrau und Produzentin. Gemeinsam betreiben sie die Produktionsfirma <a href="http://hgmedien.com/" target="_blank" rel="noopener">Hoppenhaus & Grunze Medien</a>. Sie sind auf die Konzeption und Herstellung von wissenschaftlichen Filmen und anderen Medienformaten spezialisiert. Grafik: <a href="http://hgmedien.com/" target="_blank" rel="noopener">Hoppenhaus &Grunze Medien</a>
Kerstin Hoppenhaus ist Wissenschaftsjournalistin und Regisseurin. Sibylle Grunze ist Kamerafrau und Produzentin. Gemeinsam betreiben sie die Produktionsfirma Hoppenhaus & Grunze Medien. Sie sind auf die Konzeption und Herstellung von wissenschaftlichen Filmen und anderen Medienformaten spezialisiert. Grafik: Hoppenhaus &Grunze Medien

Grunze: Das erkläre ich kurz an einem Beispiel: Nehmen wir ein Lehrvideo für Surfer, in dem ich als Zuschauer auf dem Surfbrett liege. In diesem Film wird per Audioanleitung gesagt, wohin ich als Surfer schauen muss. Da ergibt es einfach Sinn, dass ich mich umschauen kann, weil ich die Wellen beobachten und auch auf Mitsurfer achten muss. In der realen Situation muss ich genau aufpassen, dass ich zum Beispiel mit niemandem zusammenstoße. Ein Inhalt ist also dann geeignet für ein 360°-Video, wenn der Zuschauer eine sinnvolle neue Erfahrung dadurch machen kann, dass er sich in alle Richtungen umsehen kann.

Hoppenhaus: Noch ein Beispiel aus der Wissenschaft: Wir bereiten gerade ein eher dokumentarisches Format vor, in dem es um die Landwirtschaft und Stoffkreisläufe in Malawi geht. Da gehen wir zunächst mal an einen ungewöhnlichen Ort, der an sich schon spannend ist, weil dort ganz anders Landwirtschaft betrieben wird als hier. Mit 360°-Video können wir die Zuschauer praktisch mit aufs Feld nehmen und ihnen einen viel besseren Eindruck davon vermitteln, wie es ist, dort zu sein.

Grunze: Trotzdem muss man aufpassen, dass es nicht langweilig wird. Man kann eine tolle Aussicht zeigen und dazu auf einen Berggipfel oder in die Antarktis gehen. Das sieht kurz toll aus. Aber dann muss man sich genau überlegen, was man eigentlich damit sagen möchte und was im Bild noch passiert. Es ist wichtig, dass der Rundumblick des Zuschauers auch zu meinem Narrativ passt. Ich kann auch in die Froschperspektive gehen, wenn es sich bei meiner Geschichte anbietet. Aber diese Wahl sollte immer inhaltlich motiviert sein.

Was bedeutet das für Videos mit wissenschaftlichem Inhalt?

Grunze: Es ist grundsätzlich eine Abwägung, die man im Vorfeld trifft: Wie viel Wissenschaft möchte ich in einem Video vermitteln? Und wie wichtig ist die Atmosphäre für diese Information? Denn die Inhalte sind bei 360°-Videos nur ein Teilaspekt. Der große Vorteil liegt klar darin, dass atmosphärische Eindrücke vermittelt werden. Da stehen wir noch am Anfang, was die Wissenschaftskommunikation mit Hilfe solcher Videos angeht. Es wird noch interessant sein zu sehen, was man an Wissen und Informationen einstreuen kann und was vielleicht auch nicht funktioniert.

Gibt es Unterschiede im Aufwand bei der Produktion von 360°-Videos? Und sind sie wesentlich teurer?

Grunze: Die Bandbreite ist die gleiche wie beim „normalen“ Video. Ich kann einen Schnellschuss mit dem Smartphone machen oder ich kann viel Geld ausgeben und bekomme etwas Feineres. Die Frage ist also weniger „360° oder nicht?“, sondern eher: Wieviel Aufwand kann und will ich bei der Konzeption und der Umsetzung betreiben? Das hängt von meinem Ziel ab und von meinen Ressourcen. Genauso wie ich zum Beispiel eine Animation für ein „normales“ Video beauftrage, beauftrage ich auch eine für ein 360°-Video. Die Animation bleibt die gleiche und auch der Aufwand bleibt der gleiche. Lediglich die Rechenleistung des Schnittcomputers muss größer sein.