Ekkehard Winter, Geschäftsführer der Deutsche-Telekom-Stiftung, war seinerzeit an der Ausarbeitung des PUSH-Memorandums maßgeblich beteiligt. Im Interview erzählt er, wieso die Zeit damals einfach reif war, was seither erreicht wurde und wie er die heutige Situation bewertet.
20 Jahre PUSH: „Wir meinten das mit dem Dialog damals sehr ernst“
Herr Winter, Sie haben das PUSH-Memorandum im Jahr 1999 mitunterzeichnet. Wie ist es damals dazu gekommen?
Das war einer dieser seltenen Momente, an denen an vielen Stellen Akteurinnen und Akteure zusammenkamen, die an dem Thema Wissenschaftsvermittlung und -kommunikation Interesse hatten und etwas bewegen wollten. Das waren sowohl die Wissenschaftseinrichtungen als auch die Hochschulen und nicht zuletzt die damalige Ministerin für Bildung und Forschung, Frau Bulmahn, die sich das Thema zu eigen gemacht hat. Die Zeit war damals einfach reif und zwar aus verschiedenen Gründen. Einer dieser Gründe war die Sorge um den Nachwuchs, denn die Zahlen für Studienanfängerinnen und -anfänger waren in den MINT-Fächern auf einem Rekordtief. Wir beim Stifterverband haben diese Bestrebungen dann quasi gebündelt und in das PUSH-Memorandum überführt. Das Ziel damals war eine Art Selbstverpflichtung zu einem stärkeren Engagement in der Wissenschaftskommunikation. Das ist uns gelungen.
Welche Ziele von PUSH wurden denn erreicht und wo ist aus Ihrer Sicht noch Luft nach oben?
Ich glaube, es ist uns dank Aktivitäten wie dem Wissenschaftssommer oder auch den Langen Nächten der Wissenschaft – die alle durch PUSH entstanden sind und dann von BMBF, Wissenschaft im Dialog und den Forschungseinrichtungen weitergeführt wurden – gelungen, die Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm herauszuholen. Die Menschen haben heute einen viel größeren Zugang zu Wissenschaft. Das ist einer der Verdienste der PUSH-Bewegung.
Was sicherlich noch nicht hinreichend erreicht ist, ist ein echter bidirektionaler Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Das ist durch die Digitalisierung noch einmal schwerer geworden. PUSH wurde immer wieder vorgeworfen, dass der Dialog gar nicht gewollt sei, aber dagegen spricht ja allein schon die Gründung von Wissenschaft im Dialog. Schließlich trägt die Initiative den Dialog ja schon im Namen. Wir meinten das mit dem Dialog damals sehr ernst. Vollständig erreicht wurde das Ziel aber bisher nicht. Gerade die Leute zu erreichen, die sich nicht per se mit Wissenschaft auseinandersetzen wollen oder kein Interesse haben, ist eines der ganz dicken Bretter für die Wissenschaftskommunikation.
Sind Sie denn hoffnungsvoll, dass wir diese Zielgruppe überhaupt je erreichen?
Ich habe ja inzwischen deutlich weniger mit der Wissenschaftskommunikation zu tun als noch beim Stifterverband und habe mich eher dem Bereich der Science Education zugewendet. Es ist meine Überzeugung, dass man eigentlich nur eine Chance hat, wenn man sehr früh anfängt und junge Menschen an Wissenschaft heranführt. Dabei geht es darum, ihnen sowohl Informationen zu geben als auch das System und die Funktionsweise der Wissenschaft nahezubringen. Man muss aus meiner Sicht junge Leute zu Akteurinnen und Akteuren machen, dann haben wir eine Chance. Das ist mühsam und aufwendig, vor allem, wenn man es in der Breite schaffen will.
Gibt es weitere Zielgruppen, die Sie besonders wichtig finden?
Wir müssen ganz generell möglichst viele Zielgruppen erreichen, dazu gehören ältere Menschen, ebenso wie jüngere. Es ist aus meiner Sicht von besonderer Bedeutung, die richtigen Formate für die richtigen Zielgruppen zu wählen und sich mit den richtigen Botschaften an sie zu wenden. Es wird nicht gelingen, alle im Alter von 0 bis 100 mit einem Format zu erreichen, insofern bewerte ich auch die Formatvielfalt als positiv.
Sie haben ja gerade schon gesagt, dass die Zeit damals zum einen reif war, aber zum anderen auch die richtigen Leute an den richtigen Stellen saßen. Wie sehen Sie dies heute?
Einer der Punkte, der im Grundsatzpapier des BMBF stark im Fokus steht, ist, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler selbst aktiver kommunizieren sollen. Wie bewerten Sie das?
Das war auch damals schon bei PUSH eines der Themen. Vor allem ging es darum, das Engagement für gesellschaftliche Diskurse den Forschenden nicht zum Nachteil wird, sondern es vielmehr honoriert wird. Was sich aber verändert hat, ist die Unmittelbarkeit von Kommunikation. Da haben sich die Spielregeln verändert und daher ist es von viel größerer Bedeutung, schnell und direkt zu kommunizieren. Ich betrachte dies aber als Chance und sehe viele junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die das ganz hervorragend machen.
Was würden Sie sich für den Bereich Wissenschaftskommunikation und Science Education wünschen?
Ich glaube, die beiden Bereiche sollten und werden weiter zusammenwachsen. Die Möglichkeiten, Informationen zu gewinnen und zu recherchieren, sind heute so vielfältig wie noch nie und dadurch verändert sich das Ökosystem Bildung. Das ist eine große Chance, die wir nun nutzen müssen.
Wie kann dies gelingen?
Damit es gelingt, müssen erst einmal die Systeme füreinander offen sein. In Deutschland fehlt da häufig die Offenheit, vor allem unter den Pädagoginnen und Pädagogen. Schule in Deutschland ist immer noch ein relativ geschlossener Raum. Diesen müssen wir im Grunde aufbrechen, um den Schülerinnen und Schülern einen besseren Zugang zu wissenschaftlicher Vielfalt zu verschaffen und so auf ein besseres Grundniveau zu kommen.