Die Journalistin Anne-Kathrin Gerstlauer gibt in ihrem beliebten Newsletter TextHacks regelmäßig Schreibtipps – „nie wieder mittelmäßige Texte im Internet schreiben“, lautet das Ziel. Mittlerweile lesen über 10.000 Abonnent*innen mit. In ihrem Gastbeitrag verrät Gerstlauer, wie sich wissenschaftliche Themen einfacher formulieren lassen.
13 Tipps für weniger komplizierte Texte
„Lies gerne meine Bachelorarbeit aber ändre nix sprachliches einfach so, die muss kompliziert klingen, mein Prof will das so“, das sagte meine Schwester vor einigen Jahren zu mir. Wer kompliziert schreibt, gilt und galt lange als besonders wichtig und intellektuell. Aber: Spätestens in der Corona Pandemie haben wir gemerkt, wie wichtig es ist, Wissenschaft einfach zu vermitteln. Ansonsten wenden sich Menschen Quellen zu, die plakativ und einfach formulieren, es mit den Fakten aber nicht so genau nehmen.
Sehr einfach zu schreiben ist sehr, sehr schwierig. Aber mit diesen Hacks klappt es:
- Hack für Wirtschaftstexte: Vermeiden Sie abgegriffene Redewendungen wie „redet wie ein Wasserfall“ oder „trennt die Spreu vom Weizen“. Erfinden Sie stattdessen neue Sprachbilder, die zu Ihrem Thema passen. Geht es beispielsweise um die Wasserwirtschaft, schreibt Sie zum Beispiel „sprudelt wie Kohlensäure“ oder „trennt sich Sekt von Selters“.
- Machen Sie sich klar: Ihr Text kann nie ALLES erklären. Er ist kein Sachbuch. Grenzen Sie Ihr Thema ein und nutzen Sie kluge Verlinkungen für Menschen, die mehr wissen wollen. Hack: Verstecken Sie Ihre Verlinkung nicht hinter ein paar Worten, sondern verwenden Sie Klammern am Satzende: (Diese Newsletterfolge erklärt die optimale Textlänge).
- Hack für Jurist*innen: Verweise auf Gesetze, Urteile und weiterführende Links sind niemals am Anfang oder mitten im Satz zu platzieren. Hier empfiehlt sich die Klammer am Ende des Satzes oder ein Hinweis in kleiner Schrift am Ende des Absatzes oder der Seite.
- Benutzen Sie nur Wörter, die Sie auch im Alltag verwenden würden. Wenn Sie selbst tief im Thema stecken (und Sie Ihre Nerd-Wörter im Alltag benutzen würden), dann gilt trotzdem: Benutzen Sie nur Wörter, die Personen im Alltag benutzen würden, die gar nichts mit Ihrem Thema zu tun haben. Versuchen Sie, so oft wie möglich die alltagssprachliche „Übersetzung“ eines Fachbegriffes zu verwenden, um Ihrem Publikum das Verständnis so leicht wie möglich zu machen.
- Lesen Sie den Text laut vor. Die Stellen, an denen man hängen bleibt, sind vermutlich zu kompliziert oder verschachtelt.
- Zahlen greifbar machen: „Das US-Unternehmen Blackrock verwaltet 10 Billionen Dollar.” Klingt beeindruckend, kann sich aber kein Mensch vorstellen. Fügen Sie einen Halbsatz hinzu, der die Zahl greifbar macht: „Das entspricht dem Dreifachen der deutschen Wirtschaftsleistung.“
- Überladen Sie Sätze nicht mit Informationen. Grundregel für informative Texte: eine neue Information pro Satz, ein Thema pro Absatz.
- Lesen Sie den Originaltext oder Ihre Notizen gründlich, legen Sie die Quelle weg und schreiben Sie mit eigenen Worten eine Meldung aus allem, was Ihnen einfällt und wichtig erscheint. Komplizierte Texte entstehen meistens, wenn die Quelle kompliziert schreibt: eine dpa-Meldung im Nominalstil, eine wissenschaftliche Studie in Fachsprache, eine Pressemitteilung voll bürokratischer Sprache. Details können Sie anschließend ergänzen. Wenn Sie anfangen, die komplizierten Texte umzuschreiben, werden Sie immer zu nah am Original bleiben.
- Sie MÜSSEN alles selbst verstehen, was Sie schreiben. Klingt banal, aber passiert selten.
- Finden Sie den Nominalstil, indem Sie Ihr Dokument nach der Endung „ung“ durchsuchen. Nominalstil bedeutet, dass Verben durch verwandte Nomen ersetzt werden: Aneinanderreihung statt aneinanderreihen, Vermeidung statt vermeiden, Weiterführung statt weiterführen. Nominalstil sorgt also für viele Substantive, wenige Verben und komplizierte, verschachtelte Formulierungen. Dadurch wirken Texte passiv und weniger lebendig. Beispiel: „Die geplante Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas wird die Preissteigerungen wahrscheinlich nicht ausgleichen.” Lieber zwei Sätze und neu formulieren: “Die Mehrwertsteuer soll sinken. Das reicht vermutlich nicht, um die höheren Preise auszugleichen.“
- Heben Sie wichtige Textstellen fett hervor. Das sieht vielleicht nicht besonders elegant aus, hilft aber in Texten, die vor allem eine Funktion haben: die wichtigsten Informationen schnell zu vermitteln.
- Redigieren Sie Ihren eigenen Text. Gibt es Informationen, die sich innerhalb des Textes widersprechen? Gibt es Zusammenhänge, die man einfacher erklären könnte? Denken Sie niemals: Ich bin zu dumm und verstehe das nicht. Haben Sie es nicht verstanden als Person, die sich beruflich damit beschäftigt, haben die Leser*innen keine Chance. Lesen Sie in der Redigatur in drei Stufen. Stufe 1: Inhalt und Struktur. Macht alles Sinn? Stufe 2: Sprache. Überprüfen Sie Füllwörter, Nominalstil und unschöne Sätze. Stufe 3: Rechtschreibung. Versuchen Sie nicht, auf alles in einer Runde zu achten.
- Kürzen Sie Ihren eigenen Text am Ende IMMER. Niemand schreibt perfekt kurze Texte.
Die redaktionelle Verantwortung für diesen Beitrag lag bei Anna Henschel. Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider. Die Tipps wurden aus dem Newsletter „TextHacks“ von Anne-Kathrin Gerstlauer entnommen. Das Newsletter-Archiv finden Sie hier.