Mit der Frage „Woher kommt unser Brötchen?“ startete die Sendung mit der Maus 1969 ihre Erfolgsgeschichte. Seitdem beantwortet Armin Maiwald Woche für Woche die Fragen der Kinder und gibt Einblicke in die Wissenschaft. Ein Gespräch über Erfolgsrezepte, Veränderungen und besondere Momente in der Arbeit mit Maus und Elefant.
„Wichtig ist, die Kinder nicht für dumm zu verkaufen, denn das sind sie nicht“
Warum finden Sie es wichtig, Wissen an Kinder zu vermitteln?
Man sagt ja immer, dass sich das Wissen der Welt alle fünf Jahre verdoppelt und da ist auch etwas dran. Ich glaube, dieses Wissen erfolgreich und verständlich an junge Menschen zu vermitteln, ist eine wichtige Aufgabe – nicht nur für uns, sondern ganz generell. Um die Welt zu verstehen, muss man sie eben erklärt bekommen, man kann sich schließlich nicht alles selbst erschließen. Deshalb ist es umso wichtiger, Wissen verständlich zu vermitteln. Wissensvermittlung für Kinder ist also eine sehr wichtige Aufgabe, auch wenn das nicht immer ganz so einfach ist.
Kinder gelten als ein sehr anspruchsvolles Publikum. Was sind die Herausforderung bei der Wissensvermittlung an Kinder?
Es ist nicht leicht, eine Geschichte über ein komplexes Thema zu erzählen, die nicht langweilig ist. Besonders schwierig ist es natürlich, wenn es um Dinge geht, die man nicht sehen und nicht anfassen kann. Insofern ist es natürlich viel einfacher zu vermitteln, wie Brötchen hergestellt werden, als zu erklären, wie Strom entsteht oder was der Strom macht. Dafür braucht es dann eine Geschichte mit einer passenden Analogie, die das Thema aus dem unsichtbaren Bereich in den sichtbaren holt. Das ist nicht immer leicht, aber darin sehe ich unsere Hauptaufgabe.
Das ist im Übrigen auch der Unterschied zwischen der Art, wie wir Wissen vermitteln und wie in der Schule Wissen vermittelt wird. Für den Unterricht gibt es einen klaren Lehrplan und der wird durchgezogen. Was am Ende hängen bleibt, hat auch viel mit dem Engagement der Schülerinnen und Schüler selbst zu tun und auch mit den Lehrkräften. Anders als in der Schule geht es bei uns darum, die Kinder mitzunehmen und zu begeistern – sonst würden sie ja abschalten.
Gibt es ein Geheimrezept dafür, wie Ihnen das gelingt?
Nein, im Prinzip fängt man jedes Mal von vorne an. Jede Frage braucht eine andere Antwort und man muss bei jeder Geschichte je nach neuen Vermittlungswegen suchen. Wichtig ist für mich vor allem, die Kinder nicht für dumm zu verkaufen, denn das sind sie nicht. Außerdem gibt es aus meiner Sicht einen großen Unterschied zwischen „kindlich“ und „kindisch“: „Kindisch“ bedeutet für mich, die Dinge übertrieben spielerisch, bunt und kreischend darzustellen, während „kindlich“ schlichtweg bedeutet, es auf eine Ebene herunterzubringen, die Kinder verstehen können und die etwas mit ihrer Lebenswirklichkeit zu tun hat. Insofern lege ich großen Wert darauf, nicht ins Kindische abzudriften, denn dann wirkt es zu schnell albern. Und Kinder haben generell ein gutes Gespür dafür, ob sie ernst genommen oder aber veralbert werden. Ich versuche, die Kinder immer ernst zu nehmen. Das gilt für unsere Sendung als Ganzes.
Darüber hinaus haben wir den Anspruch, dass unsere Sendungen für alle zu verstehen sein müssen, egal ob sie zufällig einschalten oder uns jede Woche gucken. Wir fangen daher immer von null an und versuchen, den Aufbau von Verständnisschwellen zu vermeiden.
Wie finden Sie die Themen für die Sendung?
Wenn man so durch die Welt geht, dann stellt man sich ja selbst ständig Fragen. Und eigentlich kann man aus fast allem etwas Spannendes machen. Vor allem ist es uns wichtig, Fragen zu beantworten, die im Leben der Kinder eine Rolle spielen und tatsächlich kommt der überwiegende Teil der Fragen direkt von den Zuschauerinnen und Zuschauern. Im Schnitt erhalten wir pro Woche ein- bis zweitausend Zuschriften. Und das sind nicht zwangsläufig nur die ganz leichten Fragen, denn schließlich erleben die Kinder ja die Welt ihrer Eltern mit und nehmen auch deren Probleme wahr.
Nach dem Atomunglück in Tschernobyl gab es beispielsweise jede Menge Fragen zu diesem Thema, denn das Unglück hatte ja Konsequenzen für das Leben der Kinder. Sie durften zum Beispiel nicht mehr im Sandkasten spielen. Ähnlich war es bei der Ölpreiskrise, da gab es plötzlich autofreie Sonntage und die Kinder konnten in diesem Winter auf den Straßen Schlitten fahren. Die Kinder wollen dann natürlich wissen, weshalb Erdöl so wichtig ist und bekommen das aber oft nicht richtig erklärt. Wir versuchen dann, diese Fragen verständlich zu beantworten.
Bei der Sendung mit der Maus wird über alles gesprochen und man kann nach allem fragen. Wir klammern auch Themen wie den Tod oder Behinderungen nicht aus und ich glaube, auch das ist einer der Gründe, weshalb die Zuschauerinnen und Zuschauer uns treu bleiben. Es gibt keine Agenda und keine Tabuthemen, sondern wir lassen uns von den Fragen der Kinder und unserer eigenen Neugierde treiben.
Wie gehen Sie an die Aufbereitung eines neues Themas ran?
Oft habe ich erst einmal selbst keine Ahnung von einem Thema. Deshalb gibt es, wenn ich mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern rede, häufig auch für mich einen Aha-Moment, den ich mir versuche zu bewahren und oft auch als Aufhänger nutze. Der wichtigste Schritt ist es anschließend, eine Analogie zu Gegenständen oder Orten zu finden, die wirklich jedes Kind kennt. Die Verformung von Plastik hatten wir etwa mal mit dem Kochen von Spaghetti dargestellt – das verstehen alle sofort. Ein weiteres schönes Beispiel war die Darstellung einer Kettenreaktion mit gespannten Mausefallen auf denen Tischtennisbälle liegen. Wirft man dann einen Ball darauf, dann sieht das nicht nur lustig aus, sondern veranschaulicht auch eine chaotische Kettenreaktion.
Sind im Lauf der Jahre bei Erklärungen auch mal Fehler passiert?
Ja, das kommt manchmal trotz aller Recherchearbeit vor. Wir versuchen dann, offen damit umzugehen. Einmal versuchten wir herauszufinden, wieso sich Geschenkband aufrollt, wenn man mit der Schere daran langzieht. Ein Professor sagte uns, das liege an der Wärmeentwicklung, doch das ist falsch. Als wir die Folge gesendet haben, gab es einen riesigen Aufschrei. Wir haben dann quasi eine Korrekturfolge gemacht. Manchmal liegt es aber auch nicht an uns, sondern die Wissenschaft findet etwas Neues heraus und die Sachlage verändert sich. Wir versuchen, unsere Sendungen auf den neuesten Stand hin anzupassen.
Die Sendung läuft seit 1969: Was hat sich denn alles seit der ersten Folge bei der Sendung mit der Maus verändert?
Eine ganze Menge: Wir sind schneller geworden, auch weil sich die Sehgewohnheiten verändert haben. Dann gibt es natürlich Themen, die früher überhaupt keine Relevanz gehabt hätten, was auch an den vielen neuen Entwicklungen im technologischen Bereich liegt. Ich glaube, es gibt heute insgesamt mehr Themen, die schwieriger zu erklären sind und damit wächst auch die Herausforderung.
Die Maus selbst sieht nicht mehr so aus wie früher, sondern ist inzwischen computeranimiert. Das finde ich ehrlich gesagt etwas schade, weil ich die alte Maus dann doch charmanter fand und sie mir näher war. Vielen Dingen sind wir aber auch treu geblieben. Wir verzichten etwa auf aufwendige Animationen und dergleichen. In der Hinsicht unterscheiden wir uns von vielen anderen Formaten, bei denen es häufig nur noch um Quoten und nicht um Qualität und Wissensvermittlung geht.
Gibt es Momente, an die Sie besonders gerne zurückdenken?
Es gibt immer wieder schöne Momente. Ich mag es besonders, wenn ich Geschichten darüber höre, wie Kinder das Wissen, welches sie bei uns erworben haben, auch aktiv nutzen – z. B. um ihre Lehrerinnen und Lehrer zu widerlegen. Darüber hinaus gibt es immer wieder bewegende Geschichten: Einmal haben wir eine Zuschrift von einem Jungen bekommen, der aufgrund einer Behinderung nur mittels eines Computers schreiben konnte. Wir haben ihn dann eine Woche lang mit der Kamera begleitet. Zwölf Jahre später hat er uns eine handgeschriebene Postkarte geschickt und darin geschrieben, dass wir ihm damals sehr geholfen haben. So etwas ist natürlich ein toller Moment.
Auch freut es uns, wenn uns Expertinnen und Expertinnen aus bestimmten Fachrichtungen als positives Beispiel erwähnen. Einmal habe ich auf einer Zugfahrt einen Professor getroffen, der mir erzählte, dass er unsere Geschichte über das Erdöl als Anschauungsbeispiel in seinen Vorlesungen benutzt – weil man es besser nicht erklären könne. Das ist ebenso wie die Tatsache, dass drei Nobelpreisträger zu unseren Zuschauenden gehören, ein tolles Kompliment und zeigt, dass unser Weg funktioniert.
Gibt es denn einen Teil Ihrer Arbeit, der Ihnen besonders Spaß macht?
Das ist schwer zu sagen und ich glaube, eigentlich nicht. Mir machen alle Teile auf unterschiedliche Art und Weise Spaß. Ich finde es super spannend, mir von Forschenden die Welt erklären zu lassen und ihnen Löcher in den Bauch zu fragen. Aber ich finde es ebenso spannend, diese Recherchearbeit dann zu einer Geschichte weiterzuentwickeln. Und auch der Dreh und der Schnitt machen Spaß. Letztendlich entwickelt sich eine Geschichte stetig weiter von der Version im Kopf, zur Version auf dem Papier, zur Drehversion und schließlich zur Schnittversion, die immer auch ein wenig weh tut, weil man kürzen muss. Aber es ist der Prozess, der Spaß macht und ich glaube, ich würde keinen der Teile weglassen wollen.
Sie sind von Anfang an bei der Sendung mit der Maus dabei. Was motiviert Sie, weiter dabeizubleiben?
Hand aufs Herz: Wen mögen Sie lieber, die Maus oder den Elefanten?
Wenn ich wählen muss, dann mag ich den Elefanten ein klein wenig lieber. Die Farbe blau gefällt mir ein bisschen besser als orange und das berühmte Elefantengedächtnis finde ich auch reizvoll. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass ich die Maus nicht auch liebgewonnen hätte. Schließlich begleitet sie uns schon seit jeher treu durch die ganze Sendung – ob handgezeichnet oder computeranimiert.