Partizipative Prozesse haben selten die Beteiligungsquote, die sich deren Initiatoren vorstellen. Woran liegt das? Diese Frage beantwortet Oliver Kuklinski, der als Kommunikationsberater Beteiligungsprozesse für und mit Politik und Unternehmen entwickelt. Ein Gespräch über Nutzen, Sinn und Tücken der Partizipation.
Partizipation in der Wissenschaft – „Die Beteiligten müssen profitieren.“
Herr Kuklinski, was genau verbirgt sich alles hinter dem oft genutzten Begriff Partizipation?
Partizipation ist letztlich immer die Kommunikation von relevanten Akteuren miteinander, um Ziele zu erreichen. Dabei gibt es verschiedene Rollen: die der Initiatoren, der Betroffenen, der Interessierten, der Zuständigen, der Profiteure, der Opfer usw. Die Initiatoren entscheiden sich vielleicht bewusst Andere einzubeziehen oder die Anderen bekommen Wind von dem Vorhaben und positionieren sich dagegen oder dafür. Es braucht also immer einen Anlass, ein Vorhaben, eine Veränderungsabsicht und verschiedene Positionen. Nun können sich Initiatoren dazu entscheiden, andere Akteure einzubeziehen, um das Vorhaben zu optimieren, Akzeptanz zu erzeugen, Protesten vorzubeugen oder einfach nur, um gemocht zu werden (man trifft sich ja immer zweimal im Leben). Ein Beispiel: In Braunschweig sollte ein neues Maushaus, also ein Tierversuchszentrum, gebaut werden. In einer Veranstaltung am Haus der Wissenschaft wurde zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen, um anlässlich des Vorhabens das Pro und Kontra von Tierversuchen und des neuen Maushauses zu erörtern. Ziel war es, die Öffentlichkeit zu informieren, Argumente von Tierversuchsgegnern, Wissenschaftlern und Tierschützern offenzulegen und damit einen Beitrag zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion zu leisten.
Ist denn die bloße Information schon eine Form der Partizipation?
Was können partizipative Prozesse konkret für die Wissenschaft leisten?
Diese Frage lässt sich schön mit einem Beispiel veranschaulichen: Eine Gruppe Wissenschaftler hat sich gefragt, welche Leitungen zum Transport von Energie am besten geeignet sind – Freileitungen oder unterirdische Leitungen– und wo sie verlaufen sollten. Um das zu beantworten, haben sie Böden untersucht, Bauaufwand kalkuliert, Kosten-Nutzen-Abwägungen vorgenommen. In einem Beteiligungsprozess haben die Anwohner aber ganz andere Fragen gestellt und ihre Ängste und Sorgen thematisiert: Sterben Vögel durch die Leitungen? Wird das Landschaftsbild zerstört? Gehen von unterirdischen Leitungen elektromagnetische Felder aus, die auch bis in mein Haus reichen? Was richten sie an? Messungen zu elektromagnetischen Feldern hatten die Wissenschaftler zwar gemacht, die waren aber auf technische Standards und Normen fokussiert. Der Beteiligungsprozess hat ihnen dann klar gemacht, dass es nicht egal ist, ob eine Leitung unter einem Acker oder einer Siedlung hindurchführt. Ihre Forschungsergebnisse und die darauf basierende Trassenführung haben einen direkten Einfluss auf die Anwohner.
Partizipation heißt also, beide Seiten sollen aus dem Prozess etwas mitnehmen können?
Ja, die Erfahrung haben wir beispielsweise beim Projekt Klima-Werkstatt in Göttingen gemacht. Menschen konnten sich im Rahmen der Initiative Zukunftsstadt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit ihren eigenen Projekten zur CO2-Reduktion anmelden. Wir haben dann Wissenschaftler gesucht, die sie dazu beraten sollten. Es stellte sich aber heraus, dass die Beteiligten in Bezug auf das Wissen und Know-how zu ihrem Projekt sehr gut ausgestattet waren. Statt inhaltlicher Expertise mussten und wollten sie eher lernen, wie sie ein Projekt managen und das gescheit kommunizieren. Für die Wissenschaftler war es interessant zu sehen, auf welch hohem Niveau sich die Menschen mit ihrem Thema beschäftigen. Sie haben angefangen zu überlegen, wie ihre Forschung aussehen muss, damit die Ergebnisse der Projekte noch mehr Relevanz bekommen. Das war für uns alle eine wichtige Erkenntnis. Partizipation kann also eine große Wissensquelle für die Forschung sein. Viele Wissenschaftler drücken sich aber davor, einen gesellschaftlichen Bezug zu ihrer Forschung zu sehen und die Übersetzung komplexer Sachverhalte in allgemein verständliche Sprache leistet leider auch keinen Beitrag für die Reputation im jeweiligen Fach. Aber auch Bürger haben nicht immer Lust, die Rolle wissenschaftlicher Objekte zu spielen, sie wollen mitbestimmen und etwas mitnehmen, sie wollen Selbstwirksamkeit erfahren.
Wer wird denn überhaupt mit partizipativen Formaten erreicht?
Was kann man tun, damit ein partizipativer Prozess erfolgreich wird?
Hier geht es vor allem um die Gestaltung der Prozesse. Wenn ich jemanden berate, der bei seinem Projekt auch Bürger einbeziehen möchte, frage ich zunächst nach seinen Zielen und den Zielgruppen. Dann suchen wir uns Repräsentanten aus diesen Zielgruppen und überlegen mit ihnen gemeinsam, was das Projekt ihnen bringen kann. Welche Anreize können wir bieten, damit sie Lust haben sich einzubringen? Reicht es, wenn ich sie einmal beteilige, oder muss ich sie wiederholt erreichen? Nicht zu vergessen die Ressourcenplanung für das Projekt in Bezug auf alle relevanten Dimensionen wie etwa Manpower, Zeit, Geld, Know-how. Also hier gilt, gute Planung und die Einbeziehung der relevanten Akteure – schon im Prozessdesign – machen Partizipationsprozesse erfolgreich. Ich reagiere übrigens allergisch auf Sätze wie ‚Leute ins Boot holen‘ oder ‚Die Menschen mitnehmen‘. Das bedeutet meist, dass das Projekt eigentlich schon fertig und eher Marketing als Partizipation gefragt ist. Und, wer möchte sich schon gern ‚mitgenommen‘ fühlen?
Ist das ein Plädoyer dafür, eher vorsichtig mit partizipativen Formaten umzugehen?
Das ist ein Plädoyer dafür, eine Partizipations-Fachexpertise einzubeziehen; sich bewusst zu machen, dass Kommunikation, Partizipation und Veranstaltungen nicht etwas sind, das man mal eben so nebenher macht. Jeder hält viel auf seine Ausbildung, aber wenn es zu Kommunikationsprozessen kommt, muten sich Wissenschaftler oft Dinge zu, die sie noch nie gemacht haben. Sich an der richtigen Stelle Expertise dazuzuholen ist eine kluge Entscheidung. Das Design von Kommunikations- und Partizipationsprozessen ist eine eigene Profession, diese gilt es anzuerkennen und zu nutzen. Wissenschaftler können ihr Fachgebiet, spezialisierte Kommunikations-Prozessdesigner können Partizipationsprozesse. Beide zusammen können Partizipation in der Wissenschaft.